KIEL. Ist das die Frage, die Deutschland in Sachen Bildung bewegt? Karin Prien, Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und Expertin für Bildung im „Zukunftsteam“ von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet, hat eine Debatte um das Gendern in Schulen losgetreten. In einem Erlass stellt sie klar, dass Sternchen oder Unterstrich in Klassenarbeiten als Fehler zu bewerten seien. Der Koalitionspartner ist verärgert. Die GEW sieht ein billiges Wahlkampfmanöver.
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hat am Donnerstag an alle Schulen im Land einen Erlass verschicken lassen, in dem darauf verwiesen wird, dass das Gender-Sternchen oder auch der Gender-Unterstrich nicht zum Regelwerk zum Erlernen der deutschen Rechtschreibung gehört. Sie sollen daher in schriftlichen Arbeiten als Fehler bewertet werden. Die Grünen – Koalitionspartner in der Landesregierung – reagieren verschnupft.
«Dass an Hochschulen mit dem * gegendert werden darf und auch viele Nachrichten mittlerweile mit : gegendert werden, unseren Schüler*innen aber genau dieses verboten werden soll, halte ich für völlig unlogisch», sagt Grünen-Landeschefin Anna Tranziska. Es sei falsch, Kindern und Jugendlichen Fehler anzurechnen, wenn sie mit Genderstern oder Doppelpunkt arbeiten.
«Das hat uns besonders erstaunt, weil sie sich noch im Mai diesen Jahres gegen ein Verbot ausgesprochen hat»
Tranziska betont: «Im Unterschied zur Ministerin trauen wir den Lehrer*innen zu, pädagogisch und angemessen mit dem Thema Diversität und geschlechtergerechter Sprache umzugehen.» Statt dieser «Verbotspolitik» wäre ein Angebot zur fachlichen Unterstützung, wenn es hierzu noch Fragen und Unklarheiten gibt, der angemessene Weg gewesen. Prien habe ohne Absprache mit dem Koalitionspartner über einen neuen Erlass entschieden. «Das hat uns besonders erstaunt, weil sie sich noch im Mai diesen Jahres gegen ein Verbot ausgesprochen hat.»
Schüler und Schülerinnen müssten die Wahl haben. «In einer Koalition, wo wir die Dinge sonst vernünftig miteinander diskutieren, ist ein solches Verhalten nicht üblich und wir vermuten, dass die Union hier auf dem Rücken unserer Schüler*innen Bundestagswahlkampf betreibt», meint Tranziska.
Prien selbst bezeichnete das Thema als unnötig politisch aufgeladen. Sie weise seit Monaten auf die geltende Rechtslage hin, die zuletzt vom Rat für deutsche Rechtschreibung bestätigt wurde. «Dass wir uns an den Schulen Schleswig-Holsteins an die Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung halten, ist nun wirklich nicht neu.» Seit 2006 gelten diese an den Schulen im Norden verbindlich. «Der entsprechende Erlass kam aus einem SPD-Ministerium in einer großen Koalition, das galt in der Küstenkoalition fort und das gilt auch jetzt in der Jamaika-Koalition.» Warum dann überhaupt jetzt ein neuer Erlass notwendig war? Laut NDR behauptet Prien: Die Schulen seien verunsichert gewesen. Sie habe deshalb handeln müssen.
Allerdings hatte erst in der vorvergangenen Woche Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) einen ähnlichen Erlass herausgegeben – also doch eine abgesprochene Wahlkampf-Aktion?
Auch in der ZDF-Sendung Markus Lanz hatte Prien am vergangenen Dienstag vor einem Millionenpublikum das Thema nach vorne gerückt. „Wir müssen doch eine einheitliche Sprache lernen in diesem Land“, sagte sie. Während der Moderator Lanz von „Gespensterdebatten“ sprach und davon, dass es „für Kinder und die Frage, was aus diesen Kindern irgendwann einmal wird, doch total egal ist, ob die ein Sternchen dahin basteln oder nicht“, wollte Prien das Thema prioritär behandelt wissen. „Was nicht egal ist, ist, ob sie eine Chance haben, ihre Sprache zu lernen – und darum geht es doch“, erwiderte die CDU-Politikerin. Zwar könnten Schüler gern über Gendern, Linguistik und Diskriminierung debattieren. Die Frage sei aber: „Kann ein sechs oder siebenjähriges Kind tatsächlich die deutsche Sprache erlernen, wenn in einem Wort solche Sonderzeichen verwendet werden?“
«Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass die reine Verwendung von männlichen Formen eine Missachtung von Frauen darstellt»
Die GEW hält Priens Vorgehen für „ziemlich durchsichtig“, wie es in einer Pressemitteilung heißt. „Um für ihre CDU im Wahlkampfendspurt konservative und bildungsbürgerliche Wählerschichten zu bedienen, will sie das * in den Schulen auf den Index setzen. Nach Willen der Ministerin sollen *, :,_, I als Elemente einer geschlechtersensiblen Sprache in Aufsätzen und Texten in Zukunft rot angestrichen werden. Da kommt dann auf die Lehrer*innen, pardon Lehrkräfte, einiges zu“, so schreibt die Gewerkschaft. Sie empfiehlt, das Thema mit Gelassenheit und nicht mit Hysterie zu diskutieren.
„Sprache entwickelt sich genauso wie die Gesellschaft weiter. Weder reden wir, noch schreiben wir wie zu Goethes Zeiten. Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass die reine Verwendung von männlichen Formen eine Missachtung von Frauen darstellt. Dominiert sprachlich das männliche Geschlecht, legt dies eine vermeintliche männliche Überlegenheit nahe. Sprache beeinflusst auch das Bewusstsein. Wir halten es daher für richtig, sich in der Schule mit einer geschlechtergerechten Sprache auseinanderzusetzen. Das Bildungsministerium muss daher Regelungen schaffen, die eine geschlechtersensible Sprache in Aufsätzen und Texten ermöglichen – und nicht verbieten.“
Das bedeute aber keineswegs, – wie Prien nahegelegt hatte – schon Grundschulkinder beim Schreibenlernen mit dem Gendersternchen zu konfrontieren. News4teachers / mit Material der dpa
Keine „Lehrer*innen“: Kultusminister verbietet Gender-Kunstwörter an Schulen