Website-Icon News4teachers

Philologen fordern: Mehr Mut für eine anspruchsvolle Klima-Diskussion an den Schulen!

BERLIN. Gerade in der jüngsten Vergangenheit konnten wir feststellen, dass komplexe und hoch vernetzte Themen vereinfacht und vereinzelt diskutiert werden“, kritisiert die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Prof. Susanne Lin-Klitzing, vor allem mit Blick auf die Zusammenhänge zwischen den beiden globalen Herausforderungen Klima und Demokratie. „So können und werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern!“ Der Philologenverband fordert deshalb: Mehr Rückhalt von der Politik, um große Themen der Zeit an Gymnasien wissenschaftlich weiterzudenken.

Beklagt zu wenig Raum für die Themenbereiche Klima und Demokratie im schulischen Alltag: Prof. Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands. Foto: DPhV

Vor allem am Gymnasium mit seinem wissenschaftspropädeutischen Auftrag sollte es darum gehen, bedeutsame Themen in ihrer Komplexität und Vernetztheit zu begreifen und zu verstehen – meint Lin-Klitzing. Auf diese Weise sollen Schülerinnen und Schüler zum Weiterdenken und konkreten Handeln befähigt und ermutigt werden.

Tatsächlich kommt das Thema Klimawandel im schulischen Alltag nach wie vor zu kurz, wie Schulpraktiker und Bildungsforscher beklagen. “Der Klimawandel ist ein epochales Thema, weil es uns zentral betrifft und die Welt verändert, deswegen ist es enorm wichtig, dass es auf die schulische Agenda gesetzt wird”, sagt etwa der Leiter des Instituts Futur der Freien Universität Berlin, Prof. Gerhard de Haan, gegenüber der “Deutschen Welle”. De Haan berät die “Nationale Plattform BNE”, das oberste Lenkungsgremium für die Umsetzung der UN-Ziele im Bereich der nachhaltigen Bildung in Deutschland.

Anzeige

In einigen Fächern, wie etwa in Erdkunde, findet man den Klimawandel laut de Haan teils in den neueren Bildungsplänen verankert. Einheitliche Standards, wie intensiv der Wandel und andere Nachhaltigkeitsthemen im Unterricht vermittelt werden, gebe es aber nicht. “Wenn man junge Menschen fragt, ob sie dem Komplex von Nachhaltigkeit im schulischen Kontext begegnet sind, dann sagen nur wenige ja – aber mehr als ein Drittel sagt, er sollte zentrales Thema innerhalb der Schule sein”, berichtet de Haan. Und: “Die meisten Schüler geben an, ihre Informationen darüber aus den Medien zu haben.”

Das möchte der Philologenverband ändern. Bei seiner Fachtagung „Demokratie und Klimadebatte als Gegenstand gymnasialen Unterrichts“, die am heutigen Freitag in Leipzig stattfindet, zeigt er deshalb die Verknüpfung zweier wichtiger globaler Themen auf, die in Sachen Nachhaltigkeit im engen Zusammenhang miteinander stehen: Klima und Demokratie.

“Eine vernetzte gymnasialen Bildung schafft für die Schülerinnen und Schüler die Voraussetzungen, um sich in dieser Welt zurechtzufinden”

Lehrkräfte und Studierende, Verbandsmitglieder und Ministeriumsmitarbeiter gehen dabei den Fragen nach: Was macht die Klimadebatte mit der Demokratie? Was macht die Demokratie mit der Klimadebatte? „Diese beiden Themenkomplexe gilt es im Interesse einer breiten und vertieften Allgemeinbildung im gymnasialen Unterricht zu vernetzen“, erklärt Susanne Lin-Klitzing. Die Philologen-Vorsitzende betont: „Wir müssen dafür die naturwissenschaftlichen Grundlagen, ebenso wie die gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse zum Gang der politischen (Entscheidungs-)Prozesse in unserer Demokratie reflektieren. Das sind die Elemente einer vernetzenden und vernetzten gymnasialen Bildung, die für die Schülerinnen und Schüler die Voraussetzungen schafft, um sich in dieser Welt zurechtzufinden und Voraussetzungen für begründete (politische) Aktivität bietet. Wir wollen mehr als Aktionismus.“

Dabei sei klar, so die Verbandsvorsitzende, dass diese Art der Auseinandersetzung zunächst einmal mühsam und schwer ist. Aber zum einen werden durch eine stark vereinfachte Behandlung der Themen den Schülerinnen und Schülern Einsichten verwehrt, die doch zum Verständnis und zu begründeter eigener Meinungsbildung nötig sind. Zum anderen befinden sich an den Gymnasien kluge, leistungsbereite Schülerinnen und Schüler und bestens ausgebildete Lehrkräfte und damit hervorragende Voraussetzungen, die schweren Themen unserer Zeit angemessen – und nicht künstlich vereinfacht – zu behandeln.

Susanne Lin-Klitzing: „Ich wünsche mir an manchen Stellen in Politik und Gesellschaft mehr Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unserer Gymnasien und entsprechend mehr Rückendeckung, schwere Themen auch wirklich im Unterricht anzupacken, statt sie fast entstellend zu vereinfachen und damit den Schülerinnen und Schülern nur scheinbar entgegenzukommen.“

Auf der Fachtagung machen die renommierte Klimaforscherin und Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts, Prof. Dr. Antje Boetius, sowie Prof. Uta von Winterfeld, Projektleiterin „Zukünftige Energie- und Mobilitätsstrukturen“ am Wuppertal Institut, Zusammenhänge zwischen der Klimadebatte und gesellschaftlicher Teilhabe deutlich. Anschließende Workshops zeigen Lehrkräften und Lehramtsstudierenden Umsetzungsmöglichkeiten in ihren Fächern. News4teachers

Das Programm

Das Programm der Workshops der Tagung macht anschaulich, wie sich der Philologenverband die Vermittlung des Themas Klimawandel in der schulischen Praxis vorstellt.

Karl Walter Hoffmann, Gymnasiallehrer für Geographie und Evangelische Religion,  Seminarleiter am Staatlichen Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien in Speyer,und Vorsitzender des Verbandes deutscher Schulgeographen  (VDSG e.V.): Der Beitrag des Faches Geographie am Gymnasium zur Bewahrung der Zukunftsfähigkeit der Erde

Das Schulfach Geographie zentriert ganz bewusst das Prinzip der Zukunftsorientierung und damit ein Handeln aus entstehender Zukunft heraus. Der Workshop fokussiert – am Beispiel „Das Klima, das wir wollen.“ –  den Wertmaßstab Nachhaltigkeit als ein (geographisches) Basiskonzept im Kontext von Lehr-Lernprozessen im und für den Geographieunterricht. Konkret wird dabei das erweiterte Nachhaltigkeitsviereck auf seine didaktische Relevanz hin befragt und als ein Planungs- und Reflexionswerkzeug bei der Gestaltung komplexer und mehrphasiger  Lernaufgaben präsentiert und diskutiert.

Andreas Böhm, Peter-Jörres-Gymnasium Ahrweiler, Lehrer für Biologie und Chemie,  Mitbegründer der Initiative “Lebensnaher Chemieunterricht”, Gregor von Borstel,   Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Bornheim, Lehrer für Chemie, Geschichte und Physik, Seminarausbilder Chemie am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Düren,  Mitbegründer der Initiative „Lebensnaher Chemieunterricht“: Wider die alternativen Fakten zum Klimawandel! Ein Beitrag des Chemie- und Biologieunterrichts zur diskursiven Auseinandersetzung mit dem größten Menschheitsproblem des 21. Jahrhunderts

Wie lassen sich für die Schülerinnen und Schüler die grundlegenden wissenschaftlichen Zusammenhänge zum Klimawandel so durchschaubar machen, dass Fake-News schneller erkannt und dass mögliche Handlungsoptionen deutlich werden? Es werden praxiserprobte Materialien und Methoden vorgestellt, die den Chemie- und Biologie-Unterricht betreffen und die den Bezug des Unterrichts zur Erfahrungswelt der Schüler steigern. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der Anknüpfung der Thematik an die unterrichtliche Behandlung des chemischen Gleichgewichts in der Sekundarstufe II.

Annalena Stöger, Vorstandsmitglied des SV-Bildungswerks (Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung), Engagement-Botschafterin des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement 2020, und Sven Mohr, ehemaliges Vorstandsmitglied des SV-Bildungswerks und freiberuflicher Moderator: Die schülerzentrierte fächerverbindende Gestaltung eines Projekttages zum Schlüsselproblem Klimawandel (Impulse für den Unterricht)

Der Klimawandel beschäftigt die junge Generation wie kaum ein anderes politisches Thema. Die Schule ist gefragt, einen Raum für die Auseinandersetzung mit Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten im Kontext des Klimawandels zu schaffen. Im Workshop wollen wir uns der Frage nähern, wie diese Auseinandersetzung fächerübergreifend und mit Fokus auf die Interessen und Bedürfnisse von Schüler*innen gut gelingen kann. Wie kann das „allumfassende“ Thema Klimawandel Eingang in den Schulalltag finden? Auch für den Austausch über erfolgreiche Praxisbeispiele wird Gelegenheit sein.

Dr. des. Steve Kenner, ausgebildeter Lehrer für Politik und Spanisch, derzeit geschäftsführendes Mitglied des Forschungszentrums Center for Inclusive Citizenship (CINC), wiss. Mitarbeiter am Institut für Didaktik der Demokratie (IDD, beides Leibniz Universität Hannover), Landesvorsitzender der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB) in Niedersachsen: Klima-Aktiv. Politisches Handeln für Klimagerechtigkeit als Bildungserfahrung

Am Beispiel verschiedener Studien bspw. zum Sozialpraktikum, aber auch zur Rekonstruktion von Bildungsprozessen in politischer Selbstorganisation (bspw. im Kontext der Bewegung Fridays for Future) wird zunächst aus empirischer Perspektive der Frage nachgegangen, inwiefern die Schule ein Erprobungsraum für soziales und politisches Handeln sein kann. Im zweiten Teil des Workshops werden Rahmen- und Gelingensbedingungen für die Bildungspraxis vorgestellt und mit den Erfahrungen der Teilnehmenden abgeglichen. Dabei wird auch Bezug genommen auf erste Erkenntnisse aus dem Transferprojekt klima-aktiv.org.

Astronautin und Klimaforscherin Thiele-Eich: „Das Thema Klimawandel passt in alle Fächer“

Die mobile Version verlassen