BERLIN. Obwohl Bildung Ländersache ist, widmen sich alle Parteien im Bundestags-Wahlkampf den Kitas, Schulen und Hochschulen mehr oder weniger explizit. Was sagen die Programme dazu? Was lassen sie vermissen? Den Anfang unserer Analyse machten Bündnis 90/Die Grünen und die AfD, heute betrachten wir die FDP. Die hat für ihr Bildungsprogramm augenscheinlich einen ganzen Trupp von PR-Redakteuren beschäftigt – es wimmelt von gedrechselten Begriffen: vom „German-Dream-Zuschuss“ über experimentelles Lernen in „MakerSpaces“ bis hin zu „Talentschulen“. „Weltbeste Lehrkräfte“ kommen auch darin vor.

Die FDP ist bescheidener in der Bildung geworden. Angetreten war sie mit dem Anspruch: „Weltbeste Bildung für jeden“. Mittlerweile, nach vier Jahren Regierungsbeteiligung an maßgeblichen Stellen in Nordrhein-Westfalen (Schulministerium, Familienministerium), findet sich der Slogan nur noch bei der FDP-Bundestagsfraktion. Im Wahlprogramm taucht er nicht mehr auf. Dort heißt es weniger großspurig: „Bildung ist die elementare Voraussetzung für individuelles Vorankommen und ein selbstbestimmtes Leben. Die Chance zum sozialen Aufstieg hängt heute mehr denn je von der Bildung ab. Wir Freie Demokraten wollen, dass jeder Mensch sein volles Potential ausschöpfen kann – und das ein Leben lang. Deshalb arbeiten wir dafür, dass modernste Bildung in Deutschland zum Standard wird.“
Wie das gelingen soll? Dabei werden die Freien Demokraten – anders als andere Parteien – erstaunlich konkret. „Wir fordern, einen Prozentpunkt des bestehenden Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung zu investieren. Dazu sollen sich Bund und Länder unter Einbeziehung der Kommunen in einem Staatsvertrag verpflichten. Das ermöglicht zusätzliche Investitionen von rund 2,5 Milliarden Euro in den Bildungssektor, die für die umfassende Modernisierung unseres Bildungssystems dringend notwendig sind. So können wir Deutschland in die Top 5 der OECD-Staaten bringen.“
“Wir wollen zukunftssichere Schulen, in denen die besten Arbeitsmöglichkeiten fürs Lehren und Lernen zur Verfügung stehen“
Der Bund soll nach den Vorstellungen eine größere Rolle in der Bildung spielen – das Motto lautet: Schluss mit dem Kooperationsverbot. Im Wortlaut klingt das so: „Wir fordern eine Reform des Bildungsföderalismus und eine Grundgesetzänderung, damit Bund und Länder zusammen für die Sicherstellung der Qualität, die Leistungsfähigkeit und die Weiterentwicklung des Bildungswesens wirken können. Wir leisten uns 16 verschiedene Schulsysteme, Lehrpläne und Prüfungsordnungen, stellen aber nicht sicher, dass die Schulbildung deutschlandweit die höchste Qualität hat. Wir wollen zukunftssichere Schulen, in denen die besten Arbeitsmöglichkeiten fürs Lehren und Lernen zur Verfügung stehen.“
Beste Arbeitsmöglichkeiten? Das ist für die Liberalen mit einem hohen Grad an Selbstständigkeit verbunden. „Wir Freie Demokraten wollen die Autonomie der Schulen stärken und den Schulen mehr pädagogische, personelle und finanzielle Freiheiten geben. Jede Schule soll ein eigenes Budget erhalten, über dessen Verwendung sie autonom entscheidet. Im Rahmen der Schulautonomie kann der Unterricht zum Beispiel in einem modularen System organisiert und so individuell auf die einzelne Schülerin oder den einzelnen Schüler zugeschnitten werden. Zugleich erhalten die Schülerinnen und Schüler dadurch eine größere Wahlfreiheit und die Schule kann den unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schülerinnen und Schüler individueller gerecht werden. Ebenso soll dadurch ein Unterricht in fächerübergreifenden Projekten besser möglich gemacht werden. Auch Personalentscheidungen und die Auswahl der Lehrmittel trifft die Schule vor Ort.“ Das Problem hierbei: Schulen an wenig attraktiven Standorten wie Brennpunktschulen und Landschulen müssten dann allein zusehen, wie sie ihren Lehrermangel beheben – chancenlos.
Aber vielleicht bekommen solche Schulen dann auch mehr Geld – jedenfalls dann, wenn sie in einem Wettbewerb um Kundschaft bestehen. Der soll so aussehen: „Wir Freie Demokraten wollen Schulen und Kitas finanziell stärken, indem wir ihre Finanzierung auf drei Säulen stellen: einen Sockelbetrag entsprechend der Größe der Einrichtung, Bildungsgutscheine, die pro Kind einen Zuschuss gewähren, und einen ‚German Dream‘-Zuschuss für Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status. Der feste Sockelbetrag garantiert die Überlebensfähigkeit gerade von kleineren Schulen im ländlichen Raum und die Finanzierung über das Modell der Bildungsgutscheine garantiert eine bedarfsorientierte Finanzierung von Bildungseinrichtungen. Zugleich wird ein gesunder Wettbewerb gefördert und die Wahlfreiheit der Eltern und Kinder gestärkt. Schließlich können die Bildungseinrichtungen dank dem ‚German Dream‘-Zuschuss eigenverantwortlich individuelle Förderkonzepte für Kinder und Jugendliche mit mehr Förderbedarf anbieten. Gleichzeitig verhindern wir ein Auseinanderdriften der Schulqualität.“
„Wir Freie Demokraten wollen in ganz Deutschland Talentschulen mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung aufbauen”
Und sonst? Die FDP bekennt sich zur Inklusion – auf freiwilliger Basis. „Wir Freie Demokraten wollen Menschen mit Behinderung und Lernschwäche bestmöglich fördern. Die Wahlfreiheit zwischen Regelunterricht und speziellen Klassen beziehungsweise Schulen soll bei Eltern und ihren Kindern liegen. Wir setzen uns daher für den Erhalt dieser ein. Wir möchten dafür sorgen, dass jedes Kind das Bestmögliche aus seinen Potentialen machen kann und gut auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben vorbereitet wird.“ Weitere Punkte: mehr Sprachförderung in der Kita, „experimentelles Lernen und Kreativzonen durch ‚MakerSpaces‘“ und die Schulfächer Wirtschaft und Informatik einführen (ohne dass erklärt würde, was an anderer Stelle wegfallen kann – die FDP sieht offenbar bei Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften freie Kapazitäten).
Mit besonderen „Talentschulen“ sollen soziale Nachteile überwinden werden. „Wir Freie Demokraten wollen in ganz Deutschland Talentschulen mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung aufbauen – insbesondere in kinderreichen Stadtteilen und in Regionen mit großen sozialen Herausforderungen. Dabei orientieren wir uns am erfolgreichen Konzept der Talentschulen in Nordrhein-Westfalen.“ Was an dem Konzept der Talentschulen in NRW besonders sein soll, erschließt sich leider nicht: Es handelt sich dabei um einen begrenzten Modellversuch, in dessen Rahmen teilnehmende Schulen 20 Prozent mehr Lehrerstellen bekommen. Dass mehr Lehrer mehr Förderung anbieten können – dafür braucht die FDP einen Modellversuch? Hätte ihr jede Lehrkraft verraten können. Und überhaupt: Müssen nicht alle Schulen Talentschulen sein?
Apropos Lehrerinnen und Lehrer: Die werden von der FDP nach eigenem Bekunden sehr gemocht – so sehr, dass die Liberalen bei ihnen dann doch wieder ins Superlativ rutschen: „Weltbeste Lehrkräfte“, so titelt das Wahlprogramm (wobei offen bleibt, ob die FDP die Kollegien schon entsprechend sieht oder erst dazu machen möchte).
Im Wortlaut: „Wir Freie Demokraten fordern eine Stärkung des Lehrerberufs. Dazu braucht es attraktive Arbeitsbedingungen, eine hochwertige Aus- und Fortbildung, transparente und anspruchsvolle Aufstiegsmöglichkeiten, immaterielle Wertschätzung sowie eine Bezahlung, die individuelles Engagement belohnt. Die Lehrerausbildung wollen wir bundesweit zu einem dualen Lehramtsstudium weiterentwickeln, das Theorie- und Praxisphasen von Beginn an eng miteinander verzahnt. Der Lehrkräftemangel ist noch immer allgegenwärtig. Deshalb wollen wir Anreize schaffen, die junge Menschen wieder für den Beruf begeistern.“
Die von FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer schon vor Jahren in Aussicht gestellte finanzielle Gleichstellung von händeringend gesuchten Grundschullehrkräften mit ihren Kollegen am Gymnasium könnte sicherlich dazu beitragen – das Projekt wurde allerdings auf den Sankt Nimmerleinstag vertagt. News4teachers
Hier geht es zum vollständigen Wahlprogramm der FDP.
