
Sie steht etwas verloren in einem albernen Hasenkostüm am Straßenrand vor einer Schule im Landkreis Wittenberg (Sachsen-Anhalt), berichtet die „Mitteldeutsche Zeitung“. Die Frau hält ein Spruchband fest: „Kinder sind keine Versuchskaninchen“, so steht darauf zu lesen. Schulen, so sagt sie, würden „gefährlich“ missbraucht. Die Frau erklärt, sie gehöre einem „Netzwerk besorgter Eltern“. An mehreren Schulen im Landkreis werde auf diese Art demonstriert, jeweils dort, wo am entsprechenden Tag Impfungen für Schüler und Eltern angeboten würden. Eine harmlose Aktion – es geht allerdings auch anders.
«Es geht um Einzelfälle, jeder ist allerdings einer zu viel»
So ist an einer Gemeinschaftsschule im nordfriesischen Niebüll ein anonymer Drohbrief eingegangen. Der Absender kündigt Gewalt an, sollte es an der Schule zu einer Impfaktion kommen. Wie der NDR berichtet, listet der Brief eine Reihe von Lehrerinnen und Lehrern des Kollegiums namentlich auf. Wenn die Pädagogen mithelfen würden, Kinder mit Impfungen zu „vergiften“, werde man vor Gewalt nicht zurückschrecken, heißt es in dem Schreiben, das der Schule anonym zugestellt wurde.
Ein weiterer aktueller Fall aus Schleswig-Holstein: Gegen Lehrkräfte und Schulleitung einer Grundschule in Altenholz gab es wegen der Maskenpflicht einen anonymen Mordaufruf über eine Chatgruppe beim Messengerdienst Telegram, wie ebenfalls der NDR berichtet. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln.
Seit Unterrichtsbeginn nach den Sommerferien werden Schulen bundesweit immer wieder mit heftigen Angriffen von Eltern wegen der Corona-Maßnahmen konfrontiert. «Es geht um Einzelfälle, jeder ist allerdings einer zu viel», sagte der Sprecher des Kultusministeriums in Hannover, Sebastian Schumacher. Eltern versuchten mit zweifelhaften Attesten eine Befreiung von der Präsenz-, Test- oder Maskenpflicht zu erwirken und drohten Schulleitungen mit Klagen. In Einzelfällen erhielten Schulleitungen und Lehrkräfte Drohmails oder würden persönlich beschimpft. Zahlen zu den Vorfällen nannte das Ministerium nicht.
In einem Brief hatte Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) Mitte September Schulleitungen und Lehrkräften Rückendeckung zugesichert. Zulässige Kritik, Proteste und Demonstrationen seien zuletzt unter anderem in Sachbeschädigungen in Form von Schmierereien an den Schulen, Beleidigungen und Verletzungen des Hausrechts gemündet, heißt es in dem Schreiben des SPD-Politikers. Die Vorfälle gefährdeten den Schulfrieden, Schulleitungen sollten sich Rat von der Polizei holen und bei Straftaten auch Anzeige erstatten. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) befand, es sei unter keinen Umständen akzeptabel, dass Schulleitungen und Lehrkräfte bedroht werden, weil die Schule Räume für Impfaktionen zur Verfügung stellt.
«An jeder Schule gibt es das Thema, dass Eltern ihre Kinder nicht testen lassen wollen»
Die Vorsitzende des Deutschen Schulleitungsverbands, Andrea Kunkel, stellt fest: «An jeder Schule gibt es das Thema, dass Eltern ihre Kinder nicht testen lassen wollen.» Die Auseinandersetzung mit ihnen absorbiere viel Kraft im Alltag.
Kein Wunder: Das Aggressionsniveau bei den Gegnern von Corona-Schutzmaßnahmen steigt. Auch im Süden Deutschlands: “Die städtische Mörderbande fällt in die Heilbronner Schulen ein”, heißt es in einem Aufruf, der einem Arzt zugeschrieben wird, der zu den führenden Mitgliedern der “Querdenken”-Szene gehört.
Der Absender listet Ort und Uhrzeit auf, wann mobile Impfteams an welcher Schule Station machen. Weiter heißt es: “Die holländischen Eltern haben die Impfbusse aus den Schulen vertrieben. Das kriegen wir auch hin.” Die Polizei hat die Situation einem Bericht der “Heilbronner Stimme” zufolge im Blick. “Natürlich beobachten wir das”, sagt ein Polizeisprecher. “Wir werden präsent sein.” Die Polizei ermittle, von wem der Post stamme und inwieweit zu einer Straftat aufgerufen werde. Die Polizei sei außerdem in Kontakt mit den Dienststellen, bei denen es in der Vergangenheit zu ähnlichen Aufrufen gekommen sei.
Es geht noch krasser: Im rheinland-pfälzischen Hargesheim gab es im Zusammenhang mit einer Impf-Aktion ein Drohschreiben gegen eine Schulleitung, in dem auf den Mord an einem jungen Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein verwiesen wurde. Die Schule liegt gerade mal 60 Kilometer vom Tatort entfernt. News4teachers / mit Material der dpa
Pöbeleien in der Corona-Krise gegen Lehrer – zumeist von (querdenkenden) Eltern