Viel zu wenig Lehrkräfte, überbordende Bürokratie, kaum Zeit für die Kinder und ihre Sorgen und Nöte – der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hält die Situation an vielen Schulen im Freistaat für dramatisch. Sie distanziere sich klar von dem Narrativ der Staatsregierung, die Bildung sei bestens aufgestellt, sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann am Montag in München. “Ganz ehrlich – das ist Schönfärberei und davon haben wir jetzt wirklich genug”, empörte sie sich. “Ja: Besser, es steht ein Mensch vor jeder Klasse als keiner. Aber wenn wir mal näher hinschauen, dann müssen wir die Frage stellen: wer steht denn da?”
Die Einstellung von Quereinsteigern hält Fleischmann für den falschen Weg. «Das sind Menschen mit tollen Berufen und spezifischen Kompetenzen, keine Frage. Ergotherapeuten, Opernsängerinnen und Ethnologen sind eben keine ausgebildeten, echten Lehrerinnen und Lehrer.» Dabei brauche es gerade mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen besondere Fähigkeiten der Pädagogen. Besonders schlimm sei es an den Mittelschulen (wie im Freistaat die Hauptschulen heißen), wo etwa wichtige Förderungsmaßnahmen nicht mehr flächendeckend angeboten werden könnten
Das bayerische Kultusministerium wies die Kritik zurück. Mittlerweile seien 100 000 staatliche Lehrkräfte an den Schulen in Bayern tätig, so viele wie noch nie. Der Freistaat habe zudem massiv investiert und die Relation von Schülern und Lehrern deutlich verbessert. Zudem halte man die Klassengrößen auf niedrigem Niveau.
«Die Bildungsqualität leidet massiv, es findet regelrecht eine Entprofessionalisierung unseres Lehrerberufs statt»
Anders als in vielen anderen Bundesländern würden in Bayern auf Planstellen im staatlichen Schuldienst grundsätzlich voll ausgebildete Kräfte mit zwei Staatsexamina eingestellt. Ein Quereinstieg ohne Lehramtsprüfung sei nur in sehr eng begrenzten Bereichen möglich an Mittel- und Förderschulen. Rund 100 Personen qualifizierten sich zudem nach, um eine vollwertige Lehramtsbefähigung für Mittelschulen zu erhalten. Auch Realschul- und Gymnasiallehrer könnten sich weiterbilden, um an Grund-, Mittel- und Förderschulen zu unterrichten – das seien aber keine Quereinsteiger, sondern hoch qualifizierte voll ausgebildete Lehrkräfte, so das Ministerium.
BLLV-Vize Tomi Neckov kritisierte, dass Quereinsteiger oft sogar als Klassenleitungen eingesetzt würden. Es gebe einzelne Mittelschulen, an denen nur noch knapp die Hälfte der Stellen mit ausgebildetem Personal besetzt sei. In anderen Fällen leiteten drei Studierende gemeinsam eine Klasse. «Die Bildungsqualität leidet massiv, es findet regelrecht eine Entprofessionalisierung unseres Lehrerberufs statt», stellte Neckov fest. Viele Quereinsteiger seien zwar lernwillig und motiviert, aber die jahrelange Ausbildung zum Lehramt fehle eben. Die Liste an sonstigem Personal sei lang und reiche von Zweitqualifikanten und Schulassistenten über Ein-Fach-Lehrer bis zu Drittkräften und anderem externen Personal.
Neckow: „Solche Unterstützungs- und Aushilfskräfte können aber wirklich nur Notlösungen sein und uns als professionelles pädagogisches Personal niemals ersetzen.“ News4teachers / mit Material der dpa
