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Unterricht? “Schwierig, wenn es draußen kalt ist”: Schule vor dem Corona-Winter

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POTSDAM. Die vierte Corona-Welle macht auch vor den Schulen nicht halt – die Zahl der Corona-Fälle steigt. Beispiel Brandenburg: Im Landkreis Elbe-Elster liegt die Inzidenz unter Fünf- bis 14-Jährigen bei 1.960 – so hoch wie nie zuvor in einer Altersgruppe einer deutschen Region. Luftfilter? Gibt es nicht. Schülervertreter und Pädagogen blicken sorgenvoll auf den Winter. Auch Lerndefizite sorgen für Bauchschmerzen.

Es wird kalt in Deutschlands Klassenzimmern – bei weit offenen Fenstern. Foto: Shutterstock

Die auch in den Schulen wieder gestiegenen Corona-Infektionszahlen machen Schülervertretern in Brandenburg Sorgen. «Schwierig ist, wenn es jetzt draußen kalt ist. Dann tummeln sich die Schüler wieder mehr in den Räumen», sagte Sprecherin Katharina Swinka. Das werde sich auf den Unterricht auswirken, auch weil wieder mehr Lehrkräfte infiziert seien. Sie hoffe, dass die Schulen aus den vergangenen Monaten der Pandemie gelernt und bei den eigenen Hygienekonzepten nachgesteuert hätten. Viele Schüler an weiterführenden Schulen seien nicht geimpft. Die Gespräche mit Eltern dazu könnten die Schulen nicht leisten. Sie schlug Familienimpftage vor, die sich in Kommunen schon bewährt hätten. Das sei eine Alternative, um Jugendliche und Eltern zu erreichen.

Entsprechend der rasant steigenden Zahl von Corona-Neuinfektionen – oder andersherum: als deren Treiber? – gibt es auch an den Schulen im Land deutlich mehr Corona-Fälle. Nach Angaben des Bildungsministeriums vom Freitag lag die Zahl der positiv getesteten Schülerinnen und Schüler bei 1267 (Stand: 4.11.). In der Vorwoche waren es mit 557 positiv getesteten Schülern weniger als die Hälfte. Bei den Lehrkräften waren es mit 124 Infizierten gut doppelt so viele wie in der Vorwoche, als 56 positiv Getestete gemeldet waren. Zwei Schulen im Land sind bereits komplett geschlossen

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Luftfilter, die die Situation entspannen und das Lüften der Klassenräume auf ein normales Maß beschränken könnten, gibt es an Brandenburger Schulen praktisch nicht. Das Land hat erst in dieser Woche – fünf Monate, nachdem der Bund ein Förderprogramm aufgelegt hat – die entsprechende Förderrichtlinie dazu erlassen. Allerdings sieht die keinen flächendeckenden, sondern nur einen vereinzelten Einsatz vor. Luftfilter dürfen nämlich nur für Räume beantragt werden mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit – Räume also, die es nach anderthalb Jahren Pandemie in Schulen eigentlich gar nicht mehr geben dürfte.

“Das ist nur Sand in die Augen der Leute. Das wird keiner Schule über den Winter helfen”

René Mertens, Sprecher des Landeselternrats, kritisierte gegenüber dem rbb, dass die Förderung zu spät komme und sie in dieser Form einen Großteil der Schulen gar nicht erreiche. “Das ist nur Sand in die Augen der Leute”, so Mertens. “Das wird keiner Schule über den Winter helfen. Wir werden erleben, dass keine Mittel abgerufen werden.”

Auch der Brandenburger Pädagogenverband (BPV) blickt angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie mit Sorge auf die kühlere Jahreszeit. «Das wird ein harter Winter», sagte Präsident Hartmut Stäker. Die Ständige Impfkommission kritisierte er für ihre unklaren Empfehlungen, was das Impfen von Kindern angehe. Das verunsichere Eltern und Schüler. Er appellierte, die Teststrategie an den Schulen fortzusetzen. Das stehe allerdings konträr dazu, wie die Lage sich außerhalb der Schulen darstelle. Stäker befürchtet deshalb, dass die Infektionszahlen in den Einrichtungen weiter ansteigen – egal, wie politisch über die pandemische Lage entschieden werde und was das für Maßnahmen nach sich ziehe.

Schülervertreterin Swinka sieht angesichts der Pandemie noch ein anderes Problem. Lernende, die vor dem Abitur stünden seien derzeit klar überlastet. «Wir sind ausgeburnt», sagte die 19-Jährige. Es sei nach der langen Zeit des Online-Unterrichts und Selbststudiums sehr viel Lernstoff aufzuholen. Sie sehe mit Sorge, dass das von den vor Prüfungen Stehenden kaum zu leisten sei. «Man muss jetzt alles daran setzen, den Schülern nicht noch mehr aufzubürden sondern sie zu entlasten.»

Stäker berichtete, dass die Schulen die Unterstützung des Landes für die Schulen zum Aufholen von Lerndefiziten gut angenommen hätten. Was die einzelnen Einrichtungen genau für Projekte durchführten, darüber hatte er zunächst keinen Überblick.

Das Programm «Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche» des Bildungsministeriums soll beim Abbau fachlicher Defizite und im sozialen Miteinander unterstützen. Dafür stehen nach Angaben des Bildungsministeriums in den kommenden zwei Jahren insgesamt 68,7 Millionen Euro zur Verfügung, der Bund beteiligt sich demnach mit 38,7 Millionen Euro. In dem Programm sind unter anderem ergänzende Lernangebote, individuelle Lernbegleitung und schulergänzende Förderangebote enthalten.

“Die unterbesetzten Kollegien sollen nun auch noch Sonderförderung gewährleisten?”

Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann hatte sich vor Kurzem noch kritisch gegenüber den “Aufholprogrammen” von Bund und Ländern gezeigt. Schulleitungen und Lehrkräfte würden mit der Umsetzung alleingelassen. «Nicht zuletzt können die meisten Schülerinnen und Schüler eben nicht von ‚vielfältigen zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen‘ profitieren, da hierfür Ressourcen und Personal fehlen. Die sowieso schon aufgrund des Lehrkräftemangels unterbesetzten Kollegien sollen nun nicht nur zum Alltagsgeschäft zurückkehren, sondern auch noch Sonderförderung gewährleisten?! Wie soll das ohne zusätzliches Personal, vor allem in multiprofessionellen Teams, gelingen?»

In Sachen multiprofessionelle Teams an Schulen geht Brandenburg sogar noch einen Schritt zurück. Dort gab es einen Modellversuch, in dessen Rahmen 18 Gesundheitsfachkräfte an 27 Schulen tätig waren – ein höchst erfolgreiches Projekt, wie eine wissenschaftliche Evaluation ergab. Trotzdem wird es nun eingestellt, aus Kostengründen, wie News4teachers aktuell berichtet. Beckmann sprach von einem «fatalen Signal». Jetzt – mitten in der Corona-Pandemie – an der Gesundheit von Kindern einzusparen, «hinterlässt uns fassungslos». News4teachers / mit Material der dpa

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