Website-Icon News4teachers

Zwei Jahre Corona: VBE und Philologen fordern von den Kultusministern, die Schulen endlich krisenfest zu machen

BERLIN. In diesen Tagen jähren sich die Corona bedingten bundesweiten Schulschließungen zum zweiten Mal. „Unsere Lehrkräfte haben mehr als einen hervorragenden Job gemacht. Sie haben ihre Schutzbefohlenen sicher und gut zu ihren Bildungsabschlüssen gebracht“, sagt Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands. Was die Politik angeht, fällt ihre Bilanz hingegen kritisch aus (“Versetzung gefährdet”). Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht deutlichen Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Umgangs der Kultusministerinnen und Kultusminister mit der Krise – er hat einen Forderungskatalog vorgelegt, was künftig besser laufen muss.

Außer Schulschließungen – hier ein Foto aus dem Mai 2020 – und offenen Fenstern ist den Kultusministern wenig eingefallen, um die Gesundheit von Schülern und Lehrkräften zu schützen. Foto: Shutterstock / franconiaphoto

„Was Kinder, Jugendliche und ihre Lehrkräfte brauchen, ist ein resilientes Schulwesen mit ausreichend Lehrpersonal für die Bildungsanliegen der Schülerinnen und Schüler sowie ausreichend Personal für Erziehung und Betreuung“, sagt Philologen-Chefin Susanne Lin-Klitzing.

Das ist das Schulwesen ihrer Meinung nach nicht: „Wir brauchen weniger Bürokratie und eine bessere Bildungsfinanzierung, die aus einem guten Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen resultiert. Wir brauchen eine Bildungsplanung und Bildungsfinanzierung, die Gesundheitsschutz für alle an Schule Beteiligte gewährleistet, die Klimaneutralität für den Schulbau anstrebt und endlich den Investitionsstau für die Sanierung maroder Schulgebäude behebt. Die Planung der Dauerfinanzierung und die rechtssichere Umsetzung einer vernünftigen, datenschutzkonformen digitalen Unterstützung von Schulverwaltung und Unterricht stehen ebenfalls noch aus.“

Anzeige

“Schulen müssen präventiv besser aufgestellt werden, damit nicht regelmäßig alle Beteiligten an ihre Belastungsgrenze kommen“

Lin-Klitzing betont: „Im Zeugnis für die Kultusminister stünde `Versetzung gefährdet´“. Sie erwartet künftig eine vorausschauende Planung und bessere Umsetzung für ein krisensicheres Schulwesen. „Die politische Aufgabe bleibt: Schulen müssen präventiv besser aufgestellt werden, damit nicht regelmäßig alle an Schule Beteiligten an ihre Belastungsgrenze kommen müssen“, mahnt die Philologen-Chefin.

Was das konkret bedeutet, hat der VBE herausgearbeitet. Zunächst stellt VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann fest: „Die Pandemie hat uns alle vor ungeahnte Herausforderungen gestellt, wie wir sie in dieser Art noch nie zuvor zu bewältigen hatten. Das gilt auch für Politikerinnen und Politiker. Auch ihnen kann man keine Perfektion abverlangen, wenn sie mit Situationen konfrontiert sind, die in diesem Rahmen noch nie da gewesen sind. Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn sprach davon, dass wir uns viel verzeihen werden müssen. Dazu sind wir bereit.“

Er betont aber auch: „Gleichfalls erwarten wir, dass die Politik jetzt, wo wir alle aus den gemachten Erfahrungen lernen mussten und lernen konnten, alles unternimmt, um auf die nächste Welle vorbereitet zu sein. Unser Ziel muss es sein, aus den Fehlern zu lernen. Wir müssen das Heft in die Hand bekommen und vor die nächste Welle kommen.“

„Ein Herbeireden von angeblicher `Normalität´ wird dazu genutzt, dass vernünftige Infektionsschutzmaßnahmen eingestellt werden”

Das erklärte Ziel müsse es sein, präventiv anstatt reaktiv zu agieren. Dies sei die beste Voraussetzung dafür, dass Schulen und Kitas nicht wieder geschlossen werden müssen, so Beckmann weiter. Dafür hat der VBE eine Liste mit zwölf Lehren aus Corona vorgelegt (siehe unten). Lin-Klitzing zeigt sich angesichts der jüngsten KMK-Beschlüsse skeptisch. „Wenn ein Herbeireden von angeblicher `Normalität´ zu Corona-Zeiten dazu genutzt wird, dass vernünftige Infektionsschutzmaßnahmen eingestellt werden, ein zukunftsweisender Schulbau nach wie vor kein prioritäres Thema ist und keine ausreichende Personalversorgung an den Schulen gewährleistet werden kann, dann haben die Kultusminister nicht genug gelernt!“, sagt sie.

Zwölf Lehren aus Corona

Mit Blick auf eine Bildungspolitik, die die Schulen krisenfest macht, erklärt der VBE: „Um hierfür Hilfestellung zu leisten, haben wir gemeinsam mit den 16 Landesverbänden des VBE unsere Erfahrungen und unsere Expertise in ‚12 Lehren aus Corona‘ zusammengefasst. Diese bündeln unsere Erkenntnisse, wie man Schulen für die Zukunft so vorbereiten kann, dass vergleichbare Herausforderungen von ihnen deutlich besser bewältigt werden können. Nach zwei Jahren wissen wir, was unbedingt beachtet werden muss und welche Maßnahmen erforderlich sind.“

Im Wortlaut fordert der VBE:

  1. „Die Politik muss für alle an Schule Beteiligten transparent und nachvollziehbar machen, auf welcher wissenschaftlichen Basis sie welche Entscheidungen getroffen hat!
  2. Die Politik muss bei ihren Entscheidungen die Lebens- und Schulrealität besser beachten. Dafür müssen auch die Interessenvertretungen von Eltern, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräften in die Beratungen einbezogen werden, bevor Maßnahmen festgelegt werden!
  3. Die Politik muss transparente Stufenpläne auf der Basis bundeseinheitlicher Kriterien entwickeln, welche Maßnahmen bei welchem Infektionsgeschehen zu ergreifen sind!
  4. Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass Vorgaben aus den Ministerien mit realistischem Vorlauf an die Schulen gegeben werden!
  5. Die Politik muss in den Schulen einen bestmöglichen Gesundheitsschutz gewährleisten, wo erforderlich auch durch den Einsatz technischer Geräte, um Präsenzunterricht zu ermöglichen!
  6. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass Lehrkräfte nur für das eingesetzt werden, für das sie ausgebildet sind!
  7. Die Politik muss die Leistung der Lehrkräfte anerkennen und sich schützend vor sie stellen.
  8. Die Politik muss Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler anerkennen, statt sich nur auf kognitive Leistung zu fokussieren.
  9. Die Politik muss das Bildungssystem dauerhaft mit Ressourcen ausstatten, sodass eine individuelle Förderung möglich wird. Sie muss zudem wirkungsvolle Strategien entwickeln, um pandemiebedingte kognitive und sozial-emotionale Defizite bei Kindern und Jugendlichen nachhaltig auszugleichen. Eine bessere Ausstattung mit Lehrkräften und multiprofessionellen Teams ist dafür unabdingbar.
  10. Die Politik muss sicherstellen, dass dem Ausstattungsschub mit digitalen Endgeräten echte Innovation beim Lehren und Lernen folgt.
  11. Die Politik muss das Kooperationsverbot durch eine in der Verfassung verankerte Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen ersetzen, um mehr Bildungsgerechtigkeit unabhängig vom Wohnort und sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler gewährleisten zu können.
  12. Die Politik muss dafür sorgen, dass so in Schulbauten investiert wird, dass in ihnen zeitgemäßes Lernen, Lehren und Schulleben zu jeder Zeit sicher möglich ist.“

Der Verharmlosungskurs der Kultusminister manövriert die Schulen in die Sackgasse – Corona ohne Ende droht

 

 

Die mobile Version verlassen