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Lehrerverbände: Lasst die Flüchtlingskinder in diesem Schuljahr erst mal ankommen

MÜNCHEN. Viele geflüchtete Ukrainer sind Kinder und Jugendliche. Sie sollen möglichst schnell die Gelegenheit bekommen, trotz der dramatischen Erlebnisse in ihrem Land hier in den Schulen Fuß zu fassen, betonen bayerische Lehrerverbände in einer gemeinsamen Erklärung. Sie warnen allerdings das Kultusministerium davor, Druck aufzubauen – die Kinder und Jugendlichen sollten in diesem Schuljahr erst einmal ankommen.

Auf dem Weg in den Westen: Ukrainisches Flüchtlingskind, laut Bilderdienst Shutterstock am 7. März 2022 am Bahnhof Lviv. Foto: Shutterstock / Ruslan Lytvyn

Die hohe Zahl an ukrainischen Kriegsflüchtlingen erfordert nach Ansicht bayerischer Lehrerverbände eine Berücksichtigung bei künftigen Klassenbildungen. «Mit Blick auf den September ist für die gesamte Schulfamilie eine vorausschauende Planung notwendig, die eine großzügige Klassenbildung für den Schulstart 2022/23 beinhalten muss», teilten die Vorsitzenden der in der abl vertretenen Verbände am Montag in München mit. Der abl gehören der Bayerische Philologenverband (bpv), der Bayerische Realschullehrerverband (BRLV), die Katholische Erziehergemeinschaft in Bayern (KEG) und der Verband der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern (VLB) an.

«Im verbleibenden Schuljahr sollten die Menschen erst einmal ankommen und individuell Fuß fassen dürfen»

Die aktuellen politischen Geschehnisse brächten eine neue Situation an die Schulen, die nach Auffassung der Verbände «gemeinsam mit allen Beteiligten schrittweise, individuell und in pädagogischer Verantwortung bewältigt werden muss», hieß es weiter. Der zur Verfügung stehende Zeitrahmen sollte dazu «durchaus ausgeschöpft werden dürfen», um sich in Ruhe einen Überblick zu verschaffen und zur richtigen Zeit die ukrainischen Schülerinnen und Schüler behutsam in das bayerische Schulsystem einfädeln zu lassen. Nach dem bayerischen Schulgesetz beginnt die Schulpflicht drei Monate nach dem Zuzug aus dem Ausland.

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«Im verbleibenden Schuljahr sollten die Menschen erst einmal ankommen und individuell Fuß fassen dürfen. In dieser ersten Übergangsphase muss es im Kern um Orientierung, pädagogische Betreuung und Sprachförderung gehen», betont abl-Präsident Michael Schwägerl. Für das kommende Schuljahr sei es das Ziel, in pädagogischer Verantwortung in kleinen Schritten die angekommenen Kinder in die neue Heimat zu integrieren, auch wenn nicht sicher sei, ob der Aufenthalt zeitlich begrenzt ist oder dauerhaft sein werde. Zudem sollte die Bereitschaft ukrainischer Lehrkräfte genutzt werden, um diese im Rahmen von multiprofessionellen Teams als Ansprechpartner und Betreuer für ukrainische Kinder unterstützend in den Unterricht einzubeziehen.

«Hierbei helfen keine warmen Worte oder Absichtserklärungen, sondern klare politische Entscheidungen und Lösungen»

«Es ist höchste Zeit, jetzt die Voraussetzungen zu schaffen und Entscheidungen zur Bewältigung der beiden großen Aufgaben zu treffen, die auf die Bildung in unserem Land zukommen. Hierbei helfen keine warmen Worte oder Absichtserklärungen, sondern klare politische Entscheidungen und Lösungen», erklärt Jürgen Böhm, Bundes- und (bayerischer) Landesvorsitzender des Realschullehrerverbandes.

Die Menschen, die jetzt aus der Ukraine flüchten, müssten die Möglichkeit bekommen, weiter Bildung und umfassende soziale und medizinische Unterstützung zu erhalten. «Dabei gilt es, alle Möglichkeiten zu nutzen, die auch die Menschen aus der Ukraine selbst mitbringen. Dabei müssen in Deutschland die Voraussetzungen geschaffen werden, dass ukrainische Lehrkräfte die Beschulung in der Muttersprache übernehmen können und dass online-basierte Unterrichtsmittel aus der Ukraine, die natürlich vorhanden sind, genutzt werden.» Die kulturelle, sprachliche und nationale Identität, die den Menschen von den Aggressoren abgesprochen werde, müsse erhalten und gestärkt werden.

Böhm: «Die Kinder und Jugendlichen brauchen jetzt in erster Linie Rückhalt, feste Strukturen und Zuneigung. Es geht um die volle Unterstützung der jungen Menschen, die in eine freie, demokratische Ukraine zurück wollen. Eine falsch verstandene Integration und ein Überstülpen unseres Bildungswesens sind jetzt völlig fehl am Platz. Wir brauchen jetzt klare Übersicht, Unterrichtsräume und qualifiziertes Personal zur Beschulung.»

Natürlich könnten vorerst die Strukturen der Flüchtlingswelle von 2015 genutzt werden. «Auf lange Sicht muss man diesen Jugendlichen jedoch eine eigene ukrainische Perspektive bieten.» Noch einen Punkt betont der VDR-Bundesvorsitzende in diesem Zusammenhang: die Corona-Schutzmaßnahmen an den Schulen aufrechtzuerhalten. Böhm: «Wer den Maskenschutz aufhebt, der spielt mit der Gesundheit der jungen Menschen» – eben auch der Flüchtlingskinder. News4teachers / mit Material der dpa

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