SCHWERIN. Wegen des wachsenden Lehrermangels senken die Länder die Hürden für den Einstieg in den Schuldienst. In Mecklenburg-Vorpommern wird zwar jetzt ein Mindeststandard festgelegt – nämlich eine dreimonatige Vorab-Qualifikation. Die reicht aber nach Ansicht des Deutschen Philologenverbands bei Weitem nicht aus. Die GEW, die das geplante Verfahren ebenfalls scharf kritisiert hatte, scheint hingegen eingeknickt zu sein.
Ungeachtet kritischer Stimmen hat der Bildungsausschuss des Landtags in Schwerin der neuen Landesverordnung zur Qualifizierung von Quereinsteigern in den Lehrerberuf zugestimmt. Bei der Erarbeitung seien bisherige Erfahrungen berücksichtigt und auch die Interessenvertreter einbezogen worden, hob der SPD-Abgeordnete Andreas Butzki am Donnerstag hervor. Seiteneinsteiger erhielten eine sichere Perspektive. «Mit dieser Verordnung geht unser Land in die richtige Richtung, um den Lehrkräftebedarf schnell und effektiv zu decken – und zwar mit einem realistischen Blick und auch kurzfristig», sagte Butzki.
Wie in anderen Bundesländern, können auch in Mecklenburg-Vorpommern offene Lehrerstellen immer schwerer besetzt werden. Nach Angaben des Bildungsministeriums waren im Nordosten im vergangenen Jahr ein Drittel aller neu eingestellten Lehrkräfte Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung. Diese sollen von Mai 2023 an verbindlich einen dreimonatigen Kurs in Pädagogik und Didaktik bekommen, ehe sie zum ersten Mal vor eine Klasse treten. Die neue Verordnung sieht außerdem berufsbegleitende Qualifizierungen vor.
«Ohne Abstimmung mit der Kultusministerkonferenz machen die beiden Länder einen Notfallplan zur Regel»
Nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Mecklenburg-Vorpommerns bringt die neue Verordnung deutliche Verbesserungen. «Die aus unserer Sicht wichtigsten Punkte sind die enthaltene Qualifizierungsvereinbarung, der erweiterte Qualifikationsbegriff, die Erhöhung der Mindeststandards für den Seiteneinstieg sowie der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst mit Anrechnungsstunden», heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden GEW-Landesvorsitzenden Annett Lindner und Nico Leschinski.
Nach ihren Angaben hatte das Bildungsministerium noch auf Forderungen der Gewerkschaft reagiert. Im Bildungspakt «Gute Schule 2030» solle nun bei gemeinsam festgestellten Bedarfen zeitnah über Anpassungen der Verordnung beraten werden, teilte die GEW mit, die zwischenzeitlich mit dem Verlassen des Paktes gedroht hatte, wie News4teachers berichtete. Die Kernforderung der Gewerkschaft, ein berufsbegleitendes Lehramtsstudium für Seiteneinsteiger, wird jedoch nicht erfüllt.
Nach Angaben des Beamtenbundes gibt es Gesprächsbedarf unter anderem zur Einbeziehung der Hochschulen und zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung. Für das Quereinsteiger-Programm stellt das Land den Angaben zufolge bis zu zehn Millionen Euro bereit.
Der Philologenverband als Interessenvertreter der Gymnasiallehrer warnte vor Qualitätsverlusten zulasten der Schüler, wenn in größerer Zahl Lehrer in die Klassenzimmer kommen, die kein Lehramtsstudium durchlaufen haben. Mit Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wollten die ersten Länder die 2013 von der Kultusministerkonferenz festgelegten Mindestanforderungen schleifen, wonach die neuen Lehrkräfte für den Quereinstieg zumindest einen Masterabschluss oder das Staatsexamen vorlegen müssten. «Ohne Abstimmung mit der Kultusministerkonferenz machen die beiden Länder einen Notfallplan zur Regel», sagte die Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing der «Welt».
«Wir müssen trotz der Personalnot im Sinne der Schüler dafür sorgen, dass ein grundständiges Lehramtsstudium attraktiv bleibt»
Der Landesvorsitzende des Beamtenbundes, Dietmar Knecht, räumte ein, dass die neue Verordnung für eine bessere Qualifizierung der Betroffenen sorge. Es sei aber nach wie vor möglich, sich ohne einen akademischen Abschluss für das Lehramt nachzuqualifizieren. «Wir müssen trotz der Personalnot im Sinne der Schülerinnen und Schüler dafür sorgen, dass ein grundständiges Lehramtsstudium attraktiv bleibt», sagte Knecht. News4teachers / mit Material der dpa
