Lehrer nach drei Monaten Schnellkurs: Philologen schlagen Alarm, GEW knickt ein

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SCHWERIN. Wegen des wachsenden Lehrermangels senken die Länder die Hürden für den Einstieg in den Schuldienst. In Mecklenburg-Vorpommern wird zwar jetzt ein Mindeststandard festgelegt – nämlich eine dreimonatige Vorab-Qualifikation. Die reicht aber nach Ansicht des Deutschen Philologenverbands bei Weitem nicht aus. Die GEW, die das geplante Verfahren ebenfalls scharf kritisiert hatte, scheint hingegen eingeknickt zu sein.

Fix in den Schuldienst: Der Seiteneinstieg macht’s möglich. Foto: Shutterstock

Ungeachtet kritischer Stimmen hat der Bildungsausschuss des Landtags in Schwerin der neuen Landesverordnung zur Qualifizierung von Quereinsteigern in den Lehrerberuf zugestimmt. Bei der Erarbeitung seien bisherige Erfahrungen berücksichtigt und auch die Interessenvertreter einbezogen worden, hob der SPD-Abgeordnete Andreas Butzki am Donnerstag hervor. Seiteneinsteiger erhielten eine sichere Perspektive. «Mit dieser Verordnung geht unser Land in die richtige Richtung, um den Lehrkräftebedarf schnell und effektiv zu decken – und zwar mit einem realistischen Blick und auch kurzfristig», sagte Butzki.

Wie in anderen Bundesländern, können auch in Mecklenburg-Vorpommern offene Lehrerstellen immer schwerer besetzt werden. Nach Angaben des Bildungsministeriums waren im Nordosten im vergangenen Jahr ein Drittel aller neu eingestellten Lehrkräfte Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung. Diese sollen von Mai 2023 an verbindlich einen dreimonatigen Kurs in Pädagogik und Didaktik bekommen, ehe sie zum ersten Mal vor eine Klasse treten. Die neue Verordnung sieht außerdem berufsbegleitende Qualifizierungen vor.

«Ohne Abstimmung mit der Kultusministerkonferenz machen die beiden Länder einen Notfallplan zur Regel»

Nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Mecklenburg-Vorpommerns bringt die neue Verordnung deutliche Verbesserungen. «Die aus unserer Sicht wichtigsten Punkte sind die enthaltene Qualifizierungsvereinbarung, der erweiterte Qualifikationsbegriff, die Erhöhung der Mindeststandards für den Seiteneinstieg sowie der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst mit Anrechnungsstunden», heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden GEW-Landesvorsitzenden Annett Lindner und Nico Leschinski.

Nach ihren Angaben hatte das Bildungsministerium noch auf Forderungen der Gewerkschaft reagiert. Im Bildungspakt «Gute Schule 2030» solle nun bei gemeinsam festgestellten Bedarfen zeitnah über Anpassungen der Verordnung beraten werden, teilte die GEW mit, die zwischenzeitlich mit dem Verlassen des Paktes gedroht hatte, wie News4teachers berichtete. Die Kernforderung der Gewerkschaft, ein berufsbegleitendes Lehramtsstudium für Seiteneinsteiger, wird jedoch nicht erfüllt.

Nach Angaben des Beamtenbundes gibt es Gesprächsbedarf unter anderem zur Einbeziehung der Hochschulen und zur berufsbegleitenden Nachqualifizierung. Für das Quereinsteiger-Programm stellt das Land den Angaben zufolge bis zu zehn Millionen Euro bereit.

Der Philologenverband als Interessenvertreter der Gymnasiallehrer warnte vor Qualitätsverlusten zulasten der Schüler, wenn in größerer Zahl Lehrer in die Klassenzimmer kommen, die kein Lehramtsstudium durchlaufen haben. Mit Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wollten die ersten Länder die 2013 von der Kultusministerkonferenz festgelegten Mindestanforderungen schleifen, wonach die neuen Lehrkräfte für den Quereinstieg zumindest einen Masterabschluss oder das Staatsexamen vorlegen müssten. «Ohne Abstimmung mit der Kultusministerkonferenz machen die beiden Länder einen Notfallplan zur Regel», sagte die Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing der «Welt».

«Wir müssen trotz der Personalnot im Sinne der Schüler dafür sorgen, dass ein grundständiges Lehramtsstudium attraktiv bleibt»

Der Landesvorsitzende des Beamtenbundes, Dietmar Knecht, räumte ein, dass die neue Verordnung für eine bessere Qualifizierung der Betroffenen sorge. Es sei aber nach wie vor möglich, sich ohne einen akademischen Abschluss für das Lehramt nachzuqualifizieren. «Wir müssen trotz der Personalnot im Sinne der Schülerinnen und Schüler dafür sorgen, dass ein grundständiges Lehramtsstudium attraktiv bleibt», sagte Knecht. News4teachers / mit Material der dpa

Warum noch auf Lehramt studieren? Blitzkurs in Pädagogik reicht für den Seiteneinstieg in den Schuldienst

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26 Kommentare
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Dirk Z
1 Jahr zuvor

Man kann es nicht verallgemeinern, ob eine dreimonatige Qualifikationsausbildung nur unzureichend ist oder nicht. Es gibt genügend Personen, die nach einigen Jahren Berufstätigkeit einen Wechsel in den Schuldienst anstreben. Viele Ingenieure und weitere Akademiker z.B. im Informatikbereich dürften locker die fachlichen Qualifikationen erfüllen. Und das Lehramtsstudium geht oft auch nicht direkt auf eine pädagogischen Umgang mit Schülern ein. Viele mit einem abgeschlossenen Lehramtsstudium verzweifeln später, weil Schüler ihnen auf der Nase rumtanzen. Eine akademische oder akademischähnliche Vorbildung kann ja als Bedingung gesetzt werden. Dann hätten die betreffenden Quereinsteiger vielleicht noch eine höhere Qualifikation als ein Lehramtsstudent, der direkt im Rahmen der Uni seinen abschluss macht. Eine Praxiserfahrung in einem „fremden“ Berufsumfeld kann sogar sehr nützlich sein insbesondere im Umgang mit Schülern. Man muss sich jeden Fall einzeln anschauen und nicht starr auf althergebrachte Strukturen bestehen.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Z

„Eine akademische oder akademischähnliche Vorbildung kann ja als Bedingung gesetzt werden.“

Diese Bedingung wird doch gerade mit abgeschafft. Und selbst wenn sie noch existieren würde: Lehramtsstudium lohnt nicht mehr, wenn man mit einem anderen x-beliebigen Studium + 3 Monate Crashkurs statt aufwändigem Referendariat (1,5 bis 2 Jahre) dasselbe erreichen kann. Dann ist Lehramt eine berufliche Sackgasse, während die Alternative (Studium + 3 Monate Crashkurs) einem alle Möglichkeiten auch außerhalb der Schule offenhält.

Wenn am Ende sogar nur „drei Monate Crashkurs + irgendwas anderes (Studium / Ausbildung) reichen, dann man man schon ziemlich besch… sein, um noch auf Lehramt zu studieren:

„Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“

Wambo
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Ja. Alle die sich noch für wenig Geld zwei Jahre lang als „Streflinge“ demütigen lassen, sind dann die gelackmeierten.

Noch 5 Jahre
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Z

Nein, man kann es nie verallgemeinern- auch hier nicht. Aber nur weil es Alltag pragmatisch klappt, darf es nicht zum Standard werden. Und die Erfahrung in anderen (beruflichen) Zusammenhängen ist wichtig und richtig für Lehrkräfte- Stichwort Tellerrand.
Aber damit schreitet die Deprofessionalisierung und Abwertung eines akademischen Berufs weiter voran. Dann nützt auch ein A in NRW mehr nichts.

lehrer002
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Z

Fakt ist aber, dass ein Quereinsteiger, auch wenn er tatsächlich zwei Fächer auf Masterniveau abgeschlossen hat, pädagogisch und didaktisch unqualifiziert ist, d.h. er hat keine spezielle universitäre und schulpraktische Ausbildung durchlaufen – im Gegensatz zur Lehrkraft.

Dirk Z
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

@lehrer002: Ich denke dass ist eine Unterstellung wegen der Unqualifizierung. Am Ende des Tages soll ja sichergestellt werden, dass die Qualifikation der betreffenden Person stimmt, um Schüler in einer angemessenen Qualität zu unterrichten, sie pädagogisch weiterzuentwickeln. Leider hat nicht jeder mit einer universitären und schulpraktischen Ausbildung auch wirklich das Zeug, als Lehrer zu bestehen. Das liegt auch am Fehler im System dass solche Sachen erst im Referendariat auffallen, wenn man weit im Lehramtsstudium fortgeschritten ist. Wenn dann einer feststellt, dass er mit Problemschülern nicht umgehen kann, dann ist das Lehramtsstudium vertanene Zeit. In sofern finde ich pragmatische Lösungen schon wichtig. Ob ein dreimonatiger Aufgleiskurs ausreichend ist mag zu überprüfen sein. Aber warum soll jemand, der an anderer Stelle entsprechende Qualifikationen erworben hat zwingend ein komplettes Lehramtsstudium ablegen. In anderen Berufszweigen ist es längst Standard, dass Leute entsprechend Qualifikationen und sei diese durch Berufserfahrungen erworben eingestellt werden. Und da kann man mit einem Techniker oder jemand mit einer Meisterausbildung besser gebrauchen als einen mit einem akademischen Titel, der zwar sehr viel Wissen hat, aber vielleicht nicht mit anderen Zusammenarbeiten kann.

Noch 5 Jahre
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Z

Mein Nachbar puzzelt durchaus gut als Heimwerker…..wozu brauch‘ ich da eine Fachfirma?

Defence
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dirk Z

So viele Pauschalisierungen in nur einem Beitrag. Respekt. Das muss man erst einmal hinkriegen.

Das ganze System kollabiert und nur diejenigen, die darin stecken erkennen es. Deprofessionialisierung hat noch keinem Beruf genutzt, aber hier geht es um unsere Kinder. Man sollte sich wirklich gut überlegen, wen man auf sie loslässt.

Didaktik, Methodik, Pädagogik, Kommunikation etc. erlernt man ganz sicher nicht in einem 3 monatigen Crashkurs. Da werden 95% überfordert sein. Kompensieren müssen es wieder einmal die Profis vor Ort.

Die Titanic ist erst ganz langsam gesunken und plötzlich ging es ganz schnell.
Ich sichere mir mal einen der Logenplätze.

Realist
1 Jahr zuvor

Früher:
„Mit Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wollten die ersten Länder die 2013 von der Kultusministerkonferenz festgelegten Mindestanforderungen schleifen, wonach die neuen Lehrkräfte für den Quereinstieg zumindest einen Masterabschluss oder das Staatsexamen vorlegen müssten. “

Jetzt:
„dreimonatigen Kurs in Pädagogik und Didaktik “

Landesvorsitzende des Beamtenbundes:
„«Wir müssen trotz der Personalnot im Sinne der Schülerinnen und Schüler dafür sorgen, dass ein grundständiges Lehramtsstudium attraktiv bleibt»“

Sorry, zu spät. Wenn drei Monate „Pädagogik und Didaktik“ reichen (und nicht einmal mehr Master oder Staatsexamen verlangt werden):

Wer ist so verrückt, und studiert dann noch auf Lehramt?

„Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Faustdick:

Habe nun, ach,
Lehramt erst und Staasex dann
durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Und zieh schon über zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
die Schüler an der Nase rum.

Fast ist mir alle Freud entrissen.
Bild mir nicht ein, was Rechts zu wissen.
Bild mir nicht ein, ich könnt was lehren,
die Menschen bessern und bekehren.

Da steh ich nun, offizieller Tor,
mag sein kein Lehrer, wie zuvor.

Hofnarr Ihrer Majestät, gnädiglichst zu Diensten

Last edited 1 Jahr zuvor by Dil Uhlenspiegel
Honigkuchenpferd
1 Jahr zuvor

Wie ja schon neulich bei einem ähnlichen Artikel mehrere schrieben, soll nicht, wie hier manche uns weismachen wollen, jemand in 3 Monaten eine vollständige Lehrerausbildung absolvieren, sprich Fachstudium und alles das, sondern in 3 Monaten sollen ihm/ihr didaktisch-methodisch-pädagogische Grundkenntnisse vermittelt werden, damit er/sie sein bereits vorhandenes Fachwissen an den Mann bzw. an den Schüler zu bringen versteht.

Denn DARAN hapert es bei Seiteneinsteigern ganz oft. Nicht am nötigen Fachwissen!

Pet
1 Jahr zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

Ich bin Seiteneinsteiger und meine SuS erhalten in der Oberstufe besonderen Lob. Diese erreichen mich und bedanken sich für den Unterricht. Sie bedanken sich dafür, dass die Unterrichtsstunden „chillig“ und trotzdem lehrreich waren.
Wenn ich „Lehramtler“ vertrete und den SuS einige Aufgaben erkläre. Bitten sie mich jedes Mal die Klasse zu übernehmen.

Besorgniserregend ist es, dass hier einige sehr leicht irgendwelche Behauptungen verbreiten. Nicht nur die Leistungen der Seiteneinsteiger sind schwach! Es gibt genauso viele verbeamtete Menschen, die sich alles erlauben.

Th.S.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pet

-7???

Wofür, weil jemand die Wahrheit spricht? Diese ach so tollen Volllehrer – können was? Mir sitzt als Seiteneinsteiger einer gegenüber – Unterrichtsvorbereitung – 5 Minuten vor Start – Arbeitsblatt aus dem Netz gezogen – tolle Pädagogik und Lehrdidaltik. Da ich als Seiteneinseitiger auch für den Digitalpakt unterwegs bin in MV – sehe ich die Plan und Ratlosigkeit der sogenannten studierten Volllehrer. Digitale Didaktik -gleich Fehlanzeige – denn mit einer unkündbaren A 13+ reißt sich keiner mehr den Arsch auf – (wobei es auch genug Ausnahmen davon gibt – insb. in der beruflichen Bildung!). Jeden Lehramtsstudent, den ich Frage was er zu Didaktik oder Pädagogik in MV lernt (um mich weiterzubilden) – gibt mir die gleiche Antwort – welche Didaktik oder Pädagogik? – wir lernen Fachstoff – Mathe, Physik, Deutsch.
 
Es wird mal Zeit aufzuwachen – was Volllehrer meinen zu können ist kein Zauberwerk – das steht tatsächlich alles in Büchern und kann nachgelesen werden.
 
Zu Guter Letzt – noch der Kommentar eines Volllehrer hier: „Wir dürfen es dann richten“ – das sehe ich genau andersherum. Die Schüler sind in keiner Weise auf die Herausforderungen der Wirtschaft und des beruflichen Lebens vorbereitet – warum auch – die meisten Volllehrer haben in Ihrem Leben niemals in der Wirtschaft gearbeitet oder kennen Ihre Bedürfnisse. Mit echter Innovation haben doch Volllehrer nichts mehr zu tun — wozu auch – Staatsexamen fertig – Beamter – unkündbar – genug Geld auf dem Konto.
 
P.S. Ich bin Seiteneinsteiger in der beruflichen Bildung und betrachte dies auch aus diesen Blickwinkel!
P.P.S. Seiteneinsteiger haben nichts in Grundschulen verloren – denn nur weil ich eigene Kinder habe, heißt das nicht das ich die Bedürfnisse anderer Kinder richtig einschätzen und steuern kann.

Andre Hog
1 Jahr zuvor

„Die GEW, die das geplante Verfahren ebenfalls scharf kritisiert hatte, scheint hingegen eingeknickt zu sein.“

War etwas anderes zu erwarten???

Jetzt mal ehrlich, liebe KuK… kurzes Aufjammern bei unerträglichen politischen Beschlüsssen aus den KuMis…dann schläfriges Einlenken … gerne noch mit der Betonung, dass man sich in ausgedehnten Debatten gegen diese Pläne gewehrt habe und immerhin dies oder das zur Abmilderung des kultusministeriellen Unfugs durchgedrückt habe ( i.d.R. nicht an der Basis spürbar) … wichtig für die Berufsverbände ist es, weiterhin an der KuMi-Kaffeetafel mit Cappuchino und Keksen versorgt zu werden. Man kann ja schließlich nicht so dermaßen auf die Sahne hauen, dass die zuständigen Ministerien ggf. verschnupft sind und sich in einen Schmollwinkel zurückziehen.

„Lasst uns im Gespräch bleiben“ heißt es dann und denkt sich im Hinterköpfchen “ bloss nicht unangenehm auffallen und anecken … man will ja vielleicht noch was werden in diesem System“

GEW- nee!
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Genau so ist es! Habe es selbst oft genug in Rlp erlebt, wie Verbandsvertreter in Presse und bei Veranstaltungen den wilden Max des Aufstands machten. Und dann saßen diese in den Sitzungen Herrn im Ministerium mit in der großen Runde und waren gaaaanz brav und handzahm- nein, konstruktiv 😉

Britta Kuntz
1 Jahr zuvor
Antwortet  GEW- nee!

Ganz genau so ist es, alle fürchten um ihre Pöstchen und die Funktionäre wollen alles, aber nur nicht in die Schule zurück.
Bin sehr froh darüber, ausgetreten zu sein. Dieser Verein unterstützt die Kultusminister, Elternverbände und Schüler – Lehrer und Lehrerinnen dagegen nicht, dabei zahlen diese die (heftigen) Beiträge!

Schattenläufer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Die GEW muss das halt noch üben.
Wenn man bisher noch nie einen Standpunkt hatte, sondern immer nur brav mit dem Kopf genickt hat, dann fehlt es an Erfahrung.

Wahrscheinlich sind sie so über sich selbst erschrocken, dass sie ihre Forderungen schon vor der Erwiderung des Ministerium zurückgezogen haben.
Ein Entschuldigungsbrief, nicht an die Beiträge zahlenden Mitglieder, sondern an die Bildungsministerien wird wohl noch folgen.

D. Orie
1 Jahr zuvor

Eine schlimme Entwicklung, die sich sicherlich bei der jahrelangen Untätigkeit in der Bildungspolitik noch verschärfen wird. Es ist besonders tragisch (!), wenn man an die Grundbildung im Lesen und Schreiben denkt. In drei Monaten ist hier z. B. eine Ausbildung in die Phonem-Graphem-Beziehungen des Deutschen und eine entsprechend solide Fachdidaktik nicht möglich (im Germanistikstudium wird das auch nur ansatzweise gelehrt).

Mathe macht glücklich.
1 Jahr zuvor

Ich habe noch die wenigsten Bedenken an einem Oberstufengymnasium in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie und eventuell auch in Biologie mit Diplom bzw. Master als Grundvoraussetzung.
In der Grundschule sind doch die pädagogischen und didaktischen am stärksten gefragt. Aber da scheint der Bedarf am größten zu sein.

Pet
1 Jahr zuvor

Das sehe ich genauso!
Fraglich ist auch, ob wirklich ein Studium zum Unterrichten in der Grundschule nötig ist?
Eine schulische Ausbildung und zwei Jahre Referendariat ist höchstwahrscheinlich nicht verkehrt.

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pet

Ja. Ist es. Ich bin ausgebildete Gymnasiallehrkraft unter anderem für Mathematik, und ich traue mir NICHT zu, mal fix rüber in die Grundschule zu wechseln und dort den Mathematikunterricht zu übernehmen. Die Methodik und Didaktik für den Rechenerwerb (Schriftspracherwerb ganz genauso) erlernen Sie nicht berufsbegleitend im Referendariat. Wenn Sie ohne profunde Kenntnisse der Mengenlehre oder auch der Zusammenhänge der einzelnen mathematischen Themenfelder Kinder, gerade in der Phase des Erwerbs von Zahlenverständnis, unterrichten wollen, fehlt Ihnen der Weitblick, warum Kinder welche Inhalte erlernen sollen und was für den weiterführenden Unterricht in welcher Tiefe an Wissen vorhanden sein muss. Das lässt sich nicht so schnell mit „schulischer Ausbildung“ (Schulische Ausbildung – die bereits unterrichtenden Lehrer machen das fix nebenbei?) kompensieren.
Meine KollegInnen und ich merken im Regelfall sehr schnell, ob der Deutsch- oder der Mathematikunterricht an der Grundschule von einer grundständig ausgebildeten Lehrkraft erteilt wurde, oder ob ein ins kalte Wasser geworfener Quer/Seiteneinsteiger mit der Erteilung des Unterrichts allein gelassen wurde. Sowohl fachlich (regelmäßig müssen wir den fest eingeprägten Satz „Irgendwas geteilt durch Null ist Null“ aus den Köpfen wieder rausbekommen) als auch in der von der Lehrkraft erzeugten Erwartungshaltung in Bezug auf die eigene Leistung ( es scheint in unseren „zuliefernden“ Grundschulen so zu sein, dass Quer/Seiteneinsteiger deutlich bessere Noten für eine erbracht Leistung erteilen als grundständig ausgebildete Lehrkräfte) gibt es hier deutliche Unterschiede.
Ja, es gibt einen Grund, warum man für das Lehramt und ganz besonders für das Grundschullehramt, studieren muss. Ich habe höchsten Respekt vor meinen Kolleginnen und Kollegen in den Grundschulen, welche die Grundlagen für die schulische Bildung und Entwicklung der Kinder legen. Ich wünschte mir, dass die KultusministerInnen deren und auch meine Profession durch solche Entscheidungen nicht auf das Niveau „ war doch jeder auf ner Schule, kann also jeder“ befördern würden. Deprofessionalisierung macht nichts besser. In Bezug auf sich selbst würde sich wohl niemand auf einen Zahnarztstuhl legen, wenn der Typ mit dem Bohrer in der Hand seine Erfahrung daher hat, dass er regelmäßig zum ausgebildeten Zahnarzt geht und einen dreimonatigen Crashkurs belegt hat. Und ich behaupte, dass eine Lehrkraft, insbesondere in der Grundschule, einen erheblich größeren Einfluss auf den weiteren Lebensweg eines Kindes hat als ein Zahnarzt auf den meinen. Bei Zahnärzten habe ich als Patient eine Wahlmöglichkeit, Kinder haben diese in Bezug auf ihre LehrerInnen nicht.

Realist
1 Jahr zuvor

Was die ganzen Schlaumeier von der KMK und Co. nicht kapiert haben:

Bei einem allgemeinen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften muss man die Berufsbedingungen MASSIV verbesseren, wenn man noch intelligente und leistungsbereite Leute für das Lehramt gewinnen will, d.h.

Arbeitsbelastung senken
Reallöhne deutlich erhöhen
Gesellschaftliches Ansehen steigern

Der Nachwuchs für die an den Schulen Beschäftigten „fischt“ aus demselben Pool wie Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Naturwissenschaftler. Die haben mittlerweile ganz andere Möglichkeiten bezüglich Verdienst, sind deutlich besser angesehen und bieten deutlich mehr Flexbilität (Wechsel des AG, Teilzeit, Homeoffice, „Incentives“, Arbeiten im Ausland, …)

So wie es jetzt aussieht, wird das Lehramt zur „Resterampe“ für geringer Qualifizierte, „Flüchtlinge“ aus der „freien Wirtschaft“, hoffnungslose Idealisten sowie Dauerkranke…

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Wenn uns die Pandemie eines gelehrt hat dann folgendes:
Wer sich als Lehrer auf die GEW verlässt ist verloren.
Das gilt auch für jegliches andere Themengebiet.

Angelo
1 Jahr zuvor

Billige Klientelpolitik, machen wir uns nichts vor. Letztlich geht es dem Philologenverband vor allem darum, die Privilegien der Lehrer an den Gymnasien und Berufsschulen nicht zu gefährden. Dahinter steckt das einfache Kalkül, dass jede Steuereuro für Pensionen und Besoldungen nur einmal ausgegeben werden kann. Das große Ganze ist dem PhV demgegenüber zweitrangig. Wie es für den Philologenverband auch völlig in Ordnung geht, dass es Bildung 1. , 2. und 3. Klasse und dementsprechend unterschiedlich alimentierte Lehrer gibt. Hauptsache, der Rubel für die „1. Klasse“ rollt. Sorry, dass ich die Sache mal so drastisch formulieren muss. Aber ich denke, nur darum geht es dem PhV letztlich, um die Aufrechterhaltung des Status Quo.

Exref.
1 Jahr zuvor

Vielleicht einfach erst einmal die Referendariatr grundsätzlich überarbeiten? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es kaum ein dermaßen altbackenes, willkürliches, völlig subjektives, nicht nachzuvollziehendes und menschenberachtendes wie dieses Referendariat gibt. Etliche Lehrämtler geben hier auf und suchen sich was anderes. Zweiter Punkt wären die übermäßigen Regelungen und bürokratischen Anforderungen im Job, die den Unterricht nur noch zur Nebensache machen. Von den Eltern ganz zu schweigen, die oft gar nicht engagiert, viel zu sehr oder eine Mischung aus beidem sind (die Schlimmsten, nur Forderungen aber keine eigene Beteiligung)

Carsten60
1 Jahr zuvor

Auch in der Schweiz hat man das Durchlauferhitzerverfahren entdeckt, um mehr Lehrer zu gewinnen:
https://condorcet.ch/2022/06/irrlichternde-signale-der-bildungspolitik/
Warum eigentlich mag es einen Lehrermangel auch in der Schweiz geben? Die dortigen Gehälter sind nicht schlecht, daran kann es kaum liegen. Ob es wohl an den vielen, vielen Schulreformen liegen könnte?
Ach ja: weil Lehrer dort keine Beamten sind, sondern wie andere auch in die Pensionskassen einzahlen, können sie in die Wirtschaft wechseln, ohne dass sich ihre Altersversorgung verschlechtert. Irgendwo las ich, dass dann immer bei guter Konjunktur die Lehrer der MINT-Fächer weglaufen.