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Ministerin “glaubt” nicht, dass Lehrer und Schüler Heizdecken brauchen – aber: (noch) kälter wird’s im Klassenraum schon

STUTTGART. Was passiert, wenn es im Winter hart auf hart kommt? Werden wegen Gasmangels die Schulen geschlossen? Die baden-württembergische Kultusministerin sagt: Mit ihr nicht. Und eine Heizdecke bräuchten Schüler und Lehrkräfte im Klassenraum auch nicht (glaubt sie), obwohl mit einer Drosselung der Temperaturen in Schulen zu rechnen sei. Dabei hatte schon in den vergangenen beiden Heizperioden Unterricht bei Kälte stattfinden müssen, weil die Corona-Lüftungsregeln häufiges Lüften vorsahen.

Bei Eiseskälte im Klassenraum zu lernen, ist kein Spaß. Foto: Shutterstock

Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper will Schulschließungen wegen Gasmangels oder Corona im Winter unter allen Umständen vermeiden. Die Grünen-Politikerin sagte im Interview in Stuttgart: «Der Lebensraum Schule ist für unsere Kinder und Jugendlichen unendlich wichtig, das hat Corona gezeigt. Deshalb würde ich auch bei einer Gasmangellage nicht mein Okay für Schulschließungen geben.» Zuletzt hatte die Ministerin schon klargestellt, wegen der Pandemie dürften Schulschließungen nicht mehr vorkommen.

«Wir haben beim Gasgipfel festgehalten, dass Schulen und Kindergärten zur kritischen Infrastruktur dazugezählt werden»

Schopper geht davon aus, dass es in Baden-Württemberg auch keine Handhabe mehr gibt, bei einer Energiekrise Schulen zu schließen. Zwar gehörten «nach der reinen Lehre» Schulen und Kindergärten nicht zur kritischen Infrastruktur, die auch in einer Notlage weiter betrieben werden muss. Aber: «Wir haben beim Gasgipfel festgehalten, dass Schulen und Kindergärten zur kritischen Infrastruktur dazugezählt werden», sagte die Ministerin mit Blick auf das Krisentreffen der Landesregierung am vergangenen Montag.

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Schopper betonte die Bedeutung von Schule und Betreuung für das Funktionieren der Gesellschaft. «Wenn Kinder nicht in der Schule sind, wenn Kinder nicht im Kindergarten betreut werden, dann hat man das Problem, dass Eltern nicht zur Arbeit gehen können.» Aber auch so seien Schulen und Kindergärten «eine kritische, weil eminent wichtige Infrastruktur per se». Dort seien Kinder zusammen, lernten wichtige Inhalte und erlebten etwas, was für die soziale Entwicklung unglaublich wichtig sei. Diese Erkenntnis hat allerdings nicht dazu geführt, dass das Land Baden-Württemberg in mobile Luftfilter für Klassenräume und Kita-Gruppenräume investiert hätte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fordert die Länder aktuell dazu auf, wie News4teachers berichtet.

Die Ministerin stellte klar, Schulschließungen wie im Corona-Lockdown dürften sich nicht wiederholen. «Kinder- und Jugendpsychiater und Kinder- und Jugendärzte haben uns noch mal drastisch vor Augen geführt, was für einen hohen Anteil an essgestörten Jugendlichen wir haben, an Suizidgefährdeten und an psychischen Störungen.» Es sei völlig klar, woran das liege: «Ursache ist, dass viele Kinder und Jugendliche plötzlich während Corona das Gefühl hatten, weil die Schule als Institution fehlt, dass sie alleine sind und das Leben ein stückweit aus der Bahn geraten ist.»

Schopper zu Schulschließungen: «Ich möchte das nicht.» Auch Turnhallen sollen offen bleiben

Schopper sagte aber auch, es gebe Schulen, die Fernunterricht gut könnten. «Ich kann es mir unter bestimmten Bedingungen vorstellen, zum Beispiel in den Berufsschulklassen, dass man dort den Schulunterricht im Onlinemodus machen kann. Aber auch für die schon älteren Schülerinnen und Schüler ist es wichtig, dass sie als Berufsschulklasse zusammenkommen.» Die Ministerin ergänzte: «Ich sehe für Schüler in den Grundschulen, aber auch in der Sekundarstufe eins und auch in den Oberstufen, die ja für die Abschlüsse vorbereiten, keinerlei Spielraum für Schulschließungen.» Schopper versicherte: «Ich bin bei der Frage der Schulschließungen ganz klar: Ich möchte das nicht.»

In der Frage, ob bei Energie-Knappheit Turnhallen geschlossen werden könnten, zeigte sich die Ministerin ebenfalls ablehnend. «Wir wissen, dass die Kinder im Schnitt in Corona dicker geworden sind. Mangelnde Bewegung hat natürlich auch etwas damit zu tun.» Schopper erklärte: «Es ist so, dass Sport immens wichtig ist, auch als Ausgleich für die Kinder. Auch daher war es ein dringendes Anliegen der Experten aus Schule und Medizin, den Sportunterricht nicht mehr einzuschränken.» Turnhallen brauchen wegen ihrer Größe und Höhe viel Energie zum Heizen.

Stoßlüften ist auch diesen Winter das Gebot der Stunde in Klassenräumen – aber übermäßig kalt wird es laut Ministerin nicht

Gleichwohl müsse auch in Schulen darauf geachtet werden, sparsam mit Energie umzugehen. «Es dürfen in den Schulen natürlich nicht die Heizkörper dampfen, während ansonsten überall die Wolldecke liegt», sagte Schopper. Hinzu komme, dass die Pandemie nicht vorbei sei. «Wir werden auch weiterhin Corona im nächsten Jahr an den Schulen haben und Corona bedeutet auch, dass man wieder stoßlüften muss. Man sollte stoßlüften, das ist der Punkt, das sagen die Experten. Und nicht heizen und generell die Fenster immer offen haben oder auf Kipp stellen.»

Die Kultusministerin geht aber nicht davon aus, dass Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte im Winter in der Schule frieren müssen. «Wenn wir einen Winter haben, wo es richtig knackig kalt ist, und in den Räumen ist es 18 Grad, kann ich nicht kurzärmlig mit dem T-Shirt in die Schule kommen. Da ist ein Pulli und ein T-Shirt drunter sicherlich nicht die verkehrte Wahl.» Derzeit liegt die offizielle Untergrenze noch bei 20 Grad, doch es sei absehbar, dass diese wegen der drohenden Gasmangel-Lage noch gesenkt werde. Schopper sieht trotzdem keinen Grund zur Sorge: «Aber ob man jetzt die Heizdecke schon mitbringen muss, das glaube ich nicht.»

Lehrkräfte berichteten in den vergangenen beiden Wintern auf News4teachers von ihren Erfahrungen mit dem geforderten Stoßlüften alle 20 Minuten und während der Pausen – nämlich: dass die Temperaturen in den Klassenräumen kaum jemals ein akzeptables Niveau erreichten (die Arbeitsstättenrichtlinie ASR A3.5 schreibt für Büros – vergleichbar zu Klassenräumen – 20 Grad vor). Und seinerzeit liefen die Heizungen auf Hochtouren… News4teachers / mit Material der dpa

Kultusminister, stellt Euch doch selbst bei Minustemperaturen stundenlang in den Durchzug!

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