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Nach tödlichem Angriff auf einen Transmann: Kitas und Schulen sollen sich verstärkt gegen Queerfeindlichkeit engagieren

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MÜNSTER. Queerfeindliche Einstellungen werden nach Einschätzung des Lesben- und Schwulenverbands durch soziale Medien verstärkt. Schon seit vielen Jahren gebe es in der Gesellschaft solche menschenfeindlichen Einstellungen, die durch die „Echokammern“ im Internet noch angeheizt würden, kritisierte René Mertens vom Lesben- und Schwulenbundesverband (LSVD) auf WDR 5. Hintergrund ist der Tod eines 25-Jährigen, der bei einer Christopher-Street-Day-Versammlung in Münster vor einer Woche niedergeschlagen worden war. Der LSVD sieht auch die Kitas und Schulen in der Pflicht, die sich – nach Plänen der Bundesregierung – tatsächlich dem Thema stärker widmen sollen.

Der Entwurf für einen Aktionsplan der Bundesregierung sieht vor, die Aufklärung gegen Queerfeindlichkeit in Bildungseinrichtungen zu verstärken. Foto: Shutterstock

Mertens sagte zu dem tödlichen Angriff auf einen 25-Jährigen: „Das war wirklich eine queerfeindliche Gewalttat.“ Auch bei CSD-Veranstaltungen in Berlin, Jena oder Bielefeld sei es zu Anfeindungen gekommen – Menschen seien attackiert, Regenbogenfahnen zerrissen worden. „Wir brauchen die Solidarität der gesamten Gesellschaft“, mahnte Mertens. „Queerfeindlichkeit geht uns alle an.“ Jeder Mensch könne ins Fadenkreuz geraten. Soziale Medien tragen nach seiner Einschätzung dazu bei, dass „homophobe Sprüche und queerfeindliche Ideologien“ in Hass und Gewalt umschlagen.

Im rechtlichen und politischen Bereich habe es in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gegeben. Aber bei den gesellschaftlichen Einstellungen und im Bildungsbereich sei noch viel zu tun. Man müsse auch jungen Menschen in den Schulen und über Jugendarbeit stärker vermitteln, wie man sich gegen Abwertungen zur Wehr setzen könne, forderte der LSVD-Referent. Dem WDR-Bericht zufolge werden den Behörden in Durchschnitt täglich bundesweit etwa drei queerfeindliche Gewalttaten bekannt. Eine hohe Dunkelziffer komme hinzu – vieles werde nicht angezeigt.

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„Wir haben auch in Deutschland ein großes Problem mit Hass gegen queere Menschen”

Der Tatverdächtige im Fall Münster war am Freitag festgenommen worden. Er sollte am Samstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft in Münster will einen Haftbefehl wegen Körperverletzung mit Todesfolge beantragen. Der 20-Jährige soll laut Ermittlern mehrere Frauen beim CSD unter anderem mit den Worten „lesbische Hure“ beschimpft und drohend auf sie zugegangen sein. Der 25-Jährige habe den Mann gebeten, die Beleidigungen zu unterlassen. Doch dieser soll unvermittelt zugeschlagen haben. Der 25-Jährige sei zu Boden gegangen und mit dem Kopf unglücklich auf dem Asphalt aufgeprallt. Er starb am Freitag in einer Klinik.

Auch der Verein Trans*Inter*-Münster hatte betont, es handele sich um einen queerfeindlichen Angriff, beim Getöteten um einen Transmann. Mertens vom LSVD betonte, bei solchen menschenfeindlichen Angriffen dürfe man nicht wegschauen, solle sich aber selbst zugleich nicht in Gefahr bringen. Auch die Polizei zu rufen, sei Zivilcourage.

Der Fall und die Todesnachricht sorgten weit über Münster hinaus für Bestürzung. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), teilte mit: „Wir haben auch in Deutschland ein großes Problem mit Hass gegen queere Menschen. Queerfeindliche Gewalt ist eine Bedrohung, die tödlich enden kann. Wir alle müssen uns jeden Tag gegen diese Gewalt stellen.“

Mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog will die Bundesregierung gegen Queerfeindlichkeit vorgehen. Lehmann hatte dazu in dieser Woche den Entwurf für einen „Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ an Verbände und Ministerien der Bundesregierung zur weiteren Abstimmung.

In dem Papier werden die unterschiedlichen Vorhaben der Ampel zum Thema zusammengefasst und Vorschläge zur Umsetzung gemacht. Es geht dabei etwa um „Rechtliche Anerkennung“, „Teilhabe“ oder „Sicherheit“. In Schulen und im Sport sollen Projekte gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit gefördert werden. Geplant ist auch eine Regelung zur Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen, falls unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare einen Kinderwunsch haben.

„Hier braucht es schon früh mehr Erziehung und Bildung für Vielfalt in der Kita, in der Jugendarbeit und in den Schulen“

Beim Punkt „Geschlechtergerechte Sprache“ wird die „Einrichtung eines Gremiums zur Formulierung von Empfehlungen für den Öffentlichen Dienst“ vorgeschlagen. Die Ampel hat im Koalitionsvertrag vereinbart, den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität zu ergänzen. Für eine solche Änderung bräuchte es allerdings Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat.

Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien festgehalten, einen solchen Aktionsplan zu erarbeiten. Er soll nach dpa-Informationen noch in diesem Jahr beschlossen werden. Anschließend sollen eine Priorisierung und die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen erfolgen. „‚Schwule Sau‘ ist beispielsweise immer noch eins der häufigsten Schimpfwörter auf Schulhöfen“, beklagte Lehmann unlängst in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Hier braucht es schon früh mehr Erziehung und Bildung für Vielfalt in der Kita, in der Jugendarbeit und in den Schulen.“ News4teachers / mit Material der dpa

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