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Kita-Fachkräfte: “Wir brauchen kein Kita-Pflichtjahr, sondern eine bessere Kita-Qualität” – Demo in Hamburg

BERLIN. Aus Sicht der deutschen Kita-Fachkräfteverbände ist die aktuelle Debatte um ein Kita-Pflichtjahr für Vorschulkinder ein Scheingefecht, das von Versäumnissen der Politik ablenken soll. Denn, so meint Melanie Krause, Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands Niedersachsen und Bremen: „Nahezu jedes Kind hat bereits eine Kita besucht, bevor es in die Schule kommt.“ Die Probleme, die der IQB-Grundschülerleistungsvergleich aufgezeigt habe, hätten zwar durchaus mit den Kitas zu tun – aber… In Hamburg wird morgen wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen demonstriert.

Wer soll – angesichts des sich verschärfenden Personalmangels in den Kitas – denn für die gewünschte Sprachförderung sorgen? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

„Bei der berechtigten Frage, warum die Leistungen der Grundschüler*innen seit Jahren schwächer werden und auf einem inakzeptablen Niveau liegen, müssen die Kitas mit in den Blick genommen werden“, meint Melanie Krause. Allerdings anders, als es die CDU und die amtierende KMK-Präsidentin Karin Prien gemacht haben (News4teachers berichtete). „Wissenschaft und Fachpraxis weisen seit Jahren auf die schlechte personelle und oft auch räumliche Ausstattung unserer Kindertageseinrichtungen hin. Förderung, Bildung und bedürfnisorientierte Betreuung sind unter diesen Bedingungen nur eingeschränkt leistbar“, so Krause.

„Nur wenn ausreichend Zeit für persönliche Zuwendung und sprachliche Begleitung vorhanden ist, entwickeln sich Aussprache, Wortschatz und Grammatik altersgerecht“

Die Leiterin einer Kita im Landkreis Leer betont: „Die ersten Lebensjahre legen den Grundstein der Bildungsbiografie. Wenn Kita-Kinder mehr verwahrt als gebildet und gefördert werden, gefährdet das die kindliche Entwicklung. Auch am vieldiskutierten Thema der alltagsintegrierten Sprachförderung wird das Dilemma deutlich. Spracherwerb braucht Interaktion. Nur wenn ausreichend Zeit für persönliche Zuwendung und sprachliche Begleitung vorhanden ist, entwickeln sich Aussprache, Wortschatz und Grammatik altersgerecht.“

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Es sei auch bei der Bundesregierung unumstritten, dass die vom Bundesbildungsministerium geförderten Sprachkitas ein voller Erfolg waren. „Trotzdem soll das Programm eingestellt werden, anstatt zukünftig allen Kitas zusätzliche Mittel für sprachliche Förderung zur Verfügung zu stellen“, so moniert die Verbandsvorsitzende (News4teachers berichtete auch darüber).

„Unsere Gesellschaft sollte sich intensiv mit der Frage beschäftigen, warum die Leistungen der Grundschüler seit Jahren schlechter werden“

Sie betont: „Kinder, die mit sprachlichen, motorischen, sozialen oder emotionalen Defiziten eingeschult werden, haben es nicht leicht, diese Rückstände aufzuholen. Wir brauchen deshalb kein Kita-Pflichtjahr, sondern eine bessere Kita-Qualität. Die dafür personellen und räumlichen Mindestanforderungen liegen seit Jahren auf den Tischen oder in den Schubladen der Ministerien. Umgesetzt wurden sie bisher in keinem Bundesland.“  Weiter fordert sie: „Unsere Gesellschaft sollte sich intensiv mit der Frage beschäftigen, warum die Leistungen der Grundschüler seit Jahren schlechter werden, obwohl Kita-Kinder immer jünger und die Betreuungszeiten länger werden. Wären unsere Kitas hochwertige Bildungseinrichtungen, müssten wir gegenteilige Effekte sehen.“

Angesichts der großen Personalengpässe und starken Belastungen haben Gewerkschaften, Elternvertreter und Organisationen Hamburgs Kita-Beschäftigte für den morgigen Dienstag zu einer Demonstration aufgerufen. Der Protestzug läuft unter dem Motto «Wir sind ausgebrannt – Beschäftigte Hamburger Kitas sind am Belastungslimit».

Bereits vor zwei Jahren habe der Verdi-Kita-Personalcheck festgestellt, dass in Hamburg gut 4.000 Fachkräfte fehlten, teilte die Gewerkschaft Verdi mit. Nun habe der jüngst vorgestellte bundesweite Ländermonitor für Frühkindliche Bildungssysteme (News4teachers berichtete) für die Hansestadt konstatiert: «Damit 2023 dazu alle Plätze mit Personalschlüsseln nach wissenschaftlichen Empfehlungen ausgestattet sind – auch jene, die noch zur Erfüllung des weiterhin ungedeckten Elternbedarfs geschaffen werden müssen – fehlen rund 6.200 Fachkräfte.»

Die CDU fordert angesichts zunehmender Mathe- und Deutschprobleme bei Grundschulkindern bundesweit verbindliche Sprachstand-Tests ab einem Alter von drei Jahren in den Kitas. «Der Erwerb der deutschen Sprache muss so früh wie möglich gefördert werden, insbesondere durch verbindliche, fortlaufende und standardisierte Diagnoseverfahren», heißt es in einem vom CDU-Präsidium verabschiedeten Positionspapier. KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU) hatte zuvor ein verpflichtendes Kindergartenjahr ins Gespräch gebracht. News4teachers / mit Material der dpa

„Es geht oft nur noch darum, Kinder so früh und so lange wie möglich wegzuorganisieren“: Eine Kita-Erzieherin berichtet

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