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Streit um KMK-Gutachten: Lehrerverbände wehren sich gegen mehr Diagnosetests

BERLIN. Die GEW hat zwar begrüßt, dass mit dem Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) den Grundschulen und Kitas „die längst überfällige Aufmerksamkeit und Unterstützung” zuteil wird. Die am Freitag von der SWK vorgelegten Empfehlungen erfordern allerdings massive Investitionen in das Bildungssystem, so betont die Gewerkschaft – aber kein Mehr von Leistungstests, wie die Wissenschaftler meinen. Der VBE schlägt in die gleiche Kerbe. 

Müssen Grundschülerinnen und Grundschüler öfter getestet werden? Darüber entbrennt ein Streit (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Die SWK schlägt in ihrem Gutachten 20 Maßnahmen vor, um den Negativtrend bei den Mathematik- und Deutschkompetenzen der vergangenen Jahre umzukehren und der Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten von Schülern entgegenzuwirken. Dazu gehören Maßnahmen bereits in der Kita. Unter anderem wird eine stärkere Ausrichtung auf die Förderung sprachlicher, mathematischer und sozialer Kompetenzen in der Kita-Erzieher-Ausbildung und -Fortbildung empfohlen sowie eine flächendeckende frühe Diagnostik im Alter von drei bis vier Jahren. In den Grundschulen sollen im Schnitt mindestens sechs Stunden Deutsch und fünf Stunden Mathematik pro Woche unterrichtet – sowie mehrmals pro Schuljahr anhand standardisierter Diagnoseverfahren überprüft werden, ob Mindeststandards erreicht werden.

„Wir brauchen Mindeststandards, die ein Recht auf Bildung für alle begründen und nicht Hürden darstellen, an denen Kinder scheitern“

„Das Bildungssystem in Deutschland ist seit Jahrzehnten deutlich unterfinanziert. In allen Bildungsbereichen, insbesondere in Kitas und den Schulen, herrscht ein riesiger Fachkräftemangel“, so die GEW-Vorsitzende Maike Finnern am Freitag in Frankfurt am Main mit Blick auf das SWK-Gutachten. Empfehlungen der SWK wie etwa ein verbesserter Fachkraft-Kind-Schlüssel in den Kitas oder eine bessere Unterstützung von Schulen in sozial problematischen Lagen seien nur mit höheren staatlichen Bildungsausgaben zu erreichen. Die GEW schlage daher ein 100-Milliarden-Euro-Programm für Investitionen in die Bildung vor. Dieses solle über ein Sondervermögen finanziert werden.

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Begrüßenswert sei auch die Empfehlung des Gutachtens, sich an Mindeststandards statt – wie bisher – an Regelstandards zu orientieren. „Wir brauchen Mindeststandards, die ein Recht auf Bildung für alle begründen und nicht Hürden darstellen, an denen Kinder scheitern“, so Finnern.

Die Orientierung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf standardisierte Diagnoseverfahren und Leistungstests aber sieht die GEW kritisch. „Die Kultusministerkonferenz darf nicht weiterhin einseitig auf die gemessenen Kompetenzen, also den Output, setzen. Dieser wird nicht besser, wenn der Input nicht stimmt“, erläuterte Finnern.

Bildungsmonitoring darauf zu reduzieren, ob Bildungsstandards erreicht werden, reiche nicht. „Eine regelmäßige Kontrolle der Kompetenzen macht noch lange keine Schulqualität aus. Die quantitative Forschung muss durch qualitative Methoden der Unterrichtsforschung ergänzt werden, bei Problemen sind gut evaluierte Unterstützungsmaßnahmen einzusetzen und nicht nur weitere standardisierte Leistungstests und -diagnosen“, mahnte die GEW-Vorsitzende an.

Der Bundesvorsitzende des VBE, Udo Beckmann, erklärt zum SWK-Gutachten: „Es beschreibt das, was Lehrerinnen und Lehrer längst wissen. Es hilft wenig, wenn die Defizite immer wieder beschrieben werden, aber die Wurzel des Übels, der Lehrkräftemangel, nicht beseitigt wird. Was nützt die Ausweitung von Diagnosen, wenn das Personal fehlt, um auf die Ergebnisse der Diagnosen reagieren zu können.”

„Wir befinden uns zurzeit in einem Bildungssystem, in dem die Kinder von einem Mangelbereich in den nächsten weitergegeben werden“

Die Probleme begännen aber bereits in der Kita. Mit Blick auf eine unlängst veröffentlichte Studie (News4teachers berichtete) betont Beckmann: „Nicht mal ein Drittel der Kitas erreicht den geforderten Betreuungsschlüssel – beispielsweise bei den unter Dreijährigen – und wenn die Fachkräfte bei den über Dreijährigen oft 12 Kinder oder mehr betreuen müssen, dann brauchen wir über individuelle Förderung nicht zu sprechen. Wir befinden uns zurzeit in einem Bildungssystem, in dem die Kinder von einem Mangelbereich in den nächsten weitergegeben werden, weil es schlichtweg überall an personellen Ressourcen fehlt. Ich erwarte, dass die Politik die Verantwortung für die aktuelle desolate Situation übernimmt und sie nicht den Schulen und Kitas zuweist und endlich ins Handeln kommt, anstatt immer wieder zu beschreiben, was wir längst wissen.“ News4teachers

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