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Lauterbach behauptet jetzt, dass es in Kitas und Schulen “nicht in dieser Form” zu vielen Corona-Infektionen kommt

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die lange Schließung von Schulen und Kitas während der Corona-Pandemie als einen Fehler bezeichnet. Unternehmen seien relativ geschont worden, so der SPD-Politiker im ARD-«Morgenmagazin». «Wir sind aber bei den Schulen und bei den Kindern sehr hart eingestiegen.» Das könne durchaus kritisiert werden, sagte Lauterbach – und machte «Wissenschaftler» verantwortlich. Die «Bild» nahm daraufhin ihre Hetz-Kampagne gegen Deutschlands renommiertesten Virologen, Prof. Christian Drosten, wieder auf.

Hat alle seine Positionen zu Schutzmaßnahmen in Schulen geräumt: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Foto: Shutterstock / Jürgen Nowak

Er halte es aber für schwierig, um «Verzeihung zu bitten», so Lauterbach, der zwar zur Zeit der Schließungen zwar noch nicht Gesundheitsminister, aber als SPD-Gesundheitsexperte in der gemeinsamen Regierung mit der Union an wichtigen Entscheidungen beteiligt war. «Damals wurde das aber von den Wissenschaftlern, die die Bundesregierung beraten haben, angeraten», sagte Lauterbach weiter.

Zu dem Zeitpunkt sei noch zu wenig über die Übertragung des Virus bekannt gewesen. Man habe es damals einfach nicht besser gewusst, häufig sei der Wissensstand nicht gut genug gewesen. Im Nachhinein habe sich die Annahme, dass es in Schulen und Kitas zu vielen Infektionen komme, allerdings «nicht in dieser Form als richtig erwiesen».

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«Wir sind sehr viel besser vorbereitet, wir haben viel gelernt und wir würden ganz anders herangehen.»

Um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, waren Schulen und Kitas in den ersten Corona-Wellen teils monatelang für den Präsenzunterricht geschlossen geblieben. Später lagen bei offenen Schulen die Inzidenzen bei den Schülerinnen und Schüler im Vergleich aller Altersgruppen mit Abstand am höchsten – zum Beispiel vor genau einem Jahr, am 31. Januar 2022, bayernweit bei 3.700. Am 22. Februar erreichte der Landkreis Fürstenfeldbruck bei Fünf- bis 14-Jährigen eine Inzidenz von über 11.000. «Wir haben eindeutig den Befund, dass die Übertragungen im Moment aus dem Schulbetrieb gespeist werden», erklärte seinerzeit Prof. Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité und Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung.

Mit Blick in die Zukunft gibt sich Lauterbach nun in Bezug auf eine denkbare nächste Pandemie optimistisch: «(…) Wir sind sehr viel besser vorbereitet, wir haben viel gelernt und wir würden ganz anders herangehen.» Im Vergleich mit anderen Ländern mit ähnlich alter Bevölkerung sei Deutschland noch relativ gut durchgekommen.

Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Prof. Lothar Wieler, hatte in der vergangenen Woche eine kritische Bilanz mit Blick auf die Schulen und Kitas gezogen. Auf die Wahrung der Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie angesprochen, sagte der RKI-Chef: «Wir haben immer Empfehlungen abgegeben, mit denen man den Betrieb in Schulen und Kitas hätte laufen lassen können, wenn auch unter Anstrengung.» Es habe nie nur die Alternative gegeben: entweder wenige Tote oder Schulen offen halten. Der vorhandene Spielraum sei jedoch während der Pandemie «nicht ausreichend mit der nötigen Sorgfalt, Ruhe und Sachlichkeit» betrachtet worden.

«Ich bleibe dabei, eine Durchseuchung mit der Omikron-Variante wäre für die Kinder, wie aber auch für die Erwachsenen in keiner Weise verantwortbar»

Tatsächlich hatte das RKI im Herbst 2020 Empfehlungen für den Schulbetrieb in der Pandemie herausgegeben, die Schulschließungen nicht vorsahen. Empfohlen wurde aber Wechselunterricht in kleineren Lerngruppen ab einem Inzidenzwert von 50 – und damit die Abstandsregel in den Klassenräumen – sowie eine Maskenpflicht im Unterricht aller Jahrgänge. Alle Kultusminister lehnten diese Empfehlungen ab. Lauterbach forderte die Landesregierungen seinerzeit immer wieder dazu auf, den Empfehlungen des RKI für den Schulbetrieb zu folgen – so auch nach dem Corona-Tod eines 38-jährigen Lehrers aus Berlin im Dezember 2020.

«Ich bleibe dabei, eine Durchseuchung mit der Omikron-Variante wäre für die Kinder, wie aber auch für die Erwachsenen in keiner Weise verantwortbar», erklärte er noch im Januar 2022 (News4teachers berichtete).

Mittlerweile hat Lauterbach offenbar sämtliche früheren Positionen in Bezug auf die Pandemie geräumt – ohne dass er transparent machen würde, auf welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse er seinen Schwenk stützt. Bereits im November befand er ohne weitere Erläuterung: «Das Schließen von Kitas ist definitiv medizinisch nicht angemessen und wäre auch in dem Umfang, wie wir es damals gemacht haben, nach heutigem Wissen nicht nötig gewesen. Es wird keine Schließungen dieser Art mehr geben.»

«Bild» hat unterdessen ihre Hetzkampagne gegen Prof. Drosten wieder aufleben lassen (News4teachers berichtete auch darüber). Sie interpretiert Lauterbachs Aussagen in einer Schlagzeile so: «Lauterbach stellt Drosten an den Corona-Pranger».  News4teachers / mit Material der dpa

Die seltsame Wandlung des Prof. Lauterbach: Vom „Team Wissenschaft“ ins Lager der Coronafolgen-Verharmloser

 

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