BERLIN. Wie eine Bombe war vorletzte Woche das Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz zum Lehrermangel eingeschlagen – angesichts des explosiven Inhalts: Mehrarbeit, Einschränkung der Teilzeit. Abbau von Altersermäßigungen, Abordnungen und größere Klassen schlagen die Experten vor. Nach Sachsen-Anhalt, das schon im Vorfeld der Veröffentlichung eine höhere Unterrichtsverpflichtung angekündigt hatte, reagieren nun auch Sachsen und Nordrhein-Westfalen auf den Katalog: Beide Bundesländer schränken die Teilzeitmöglichkeiten massiv ein. Unter anderem.
„Das Land macht Ernst“, so titelt die in Düsseldorf erscheinende „Rheinische Post“ und berichtet: Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen seien ab sofort gehalten, weniger Teilzeit für Lehrkräfte zuzulassen und mehr Lehrer an notleidende Schulen abzuordnen, auch gegen ihren Willen. Verfrühte Ruhestände sollen zumindest hinausgezögert werden. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) habe eine entsprechende Handlungsanweisung herausgegeben.
Die „Sicherstellung der Unterrichtsversorgung“ sei von „zentraler Bedeutung“, heißt es in dem Papier, das der Zeitung vorliegt. Jeder Antrag auf Teilzeitbeschäftigung, sofern nicht familiär begründet, soll danach abgelehnt werden, wenn die Versorgung sonst gefährdet wäre. Rückwirkend gelte das allerdings nicht: „Bisher bewilligte Teilzeitbeschäftigungen bleiben hiervon unberührt.“
„Die Empfehlungen sind wichtig und in der dramatischen Situation folgerichtig. Sie decken sich an vielen Stellen mit unseren Überlegungen und Vorhaben“
Wenn Beamte mit 63 Jahren vorzeitig in den Ruhestand gehen wollen, sollen sie zumindest immer bis zum Schuljahresende bleiben. „Abordnungen sind unter Ausschöpfung der entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten umzusetzen“, so stelle die Anweisung weiter klar: „stärker und flächendeckender als bisher“, schulform-, schulamts- und bezirksübergreifend. Vorzugsweise laufe das mit dem Einverständnis der Betroffenen – notfalls aber auch ohne.
In Sachsen sind offenbar ähnliche Schritte geplant, teilweise auch schon verkündet. „Die Empfehlungen sind wichtig und in der dramatischen Situation folgerichtig. Sie decken sich an vielen Stellen mit unseren Überlegungen und Vorhaben“, sagt Kultusminister Christian Piwarz (CDU) mit Blick auf den Katalog der KMK-Gutachter. „Die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen zwar mitunter in gewachsene Besitzstände ein, aber wir müssen auch hier den Weg gehen, um dem Lehrkräftemangel wirksam entgegentreten zu können. Die gemachten Empfehlungen einfach abzulehnen und nur ›Nein‹ zu sagen, wird die Probleme nicht lösen“, so Piwarz.
„Es ist enttäuschend und fantasielos, wenn die Lösung des Lehrkräftemangels in Mehrarbeit besteht”
Beschlossene Sache ist bereits die Einschränkung von Teilzeitmöglichkeiten. „In Vorbereitung des kommenden Schuljahres wird Lehrkräften Teilzeit nur noch gewährt bei gleichzeitigem Nachweis gesetzlicher Gründe. Auch die Möglichkeit für Sabbatjahre wird eingeschränkt“, so verlautet aus dem Ministerium. Zur empfohlenen Mehrarbeit heißt es: „Diese Maßnahme verspricht, deutlich mehr Lehrkräfte vor die Klasse zu bringen. Sachsen wird daher die Möglichkeit einer befristeten Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung beamteter und tarifbeschäftigter Lehrkräfte (z. B. mittels Einführung sog. Arbeitszeitkontenmodelle) prüfen. Zusätzlich geleistete Stunden können in einem solchen Lebensarbeitszeitmodell in späteren Jahren entsprechend reduziert werden.“
Sachsen-Anhalt hatte als erstes Bundesland ein entsprechendes Modell bereits angekündigt (News4teachers berichtete).
Die GEW in Nordrhein-Westfalen sieht die Attraktivität des Berufsstands in Gefahr – was den Lehrermangel, wenn der Nachwuchs ausbleibe, ja noch verschärfe. „Es ist enttäuschend und fantasielos, wenn die Lösung des Lehrkräftemangels in Mehrarbeit besteht. In einem System, das bereits auf Kante genäht ist, muss man die Frage stellen, wie lange die hohe Belastung der Lehrkräfte noch ausgeblendet werden soll. Belastungen werden unter dem Gewand der Lehrkräftegewinnung versteckt. Die Umsetzung dieser Empfehlungen wird dauerhaft nicht zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels beitragen, sondern wird wie ein Bumerang zurückkommen und zu noch weniger Lehrkräften führen“, erklärt die Landesvorsitzende Ayla Çelik. News4teachers