STUTTGART. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat sich für ein «Sondervermögen für die Bildung» ausgesprochen und will dafür die Besitzer großer Vermögen zur Kasse bitten. «Wir müssen auf jeden Fall mehr in Bildung investieren», sagte Esken in einem Interview für mehrere Zeitungen in Baden-Württemberg. «Ich habe als Elternvertreterin – die meisten Mütter und Väter wissen, wovon ich spreche – zu viele Schulgebäude gesehen, in die man seine Kinder nicht zum Lernen schicken möchte.» Einige Aussagen der SPD-Chefin ärgern allerdings den VBE.
Ein «Sondervermögen» für die Bildung meint eine ähnlich hohe Summe wie die 100 Milliarden Euro, die nach Russlands Überfall auf Ukraine – über Kredite finanziert – für die Modernisierung der Bundeswehr auf den Weg gebracht wurden. Dafür wurde auch das Grundgesetz geändert. Esken schwebt für die Bildung eine andere Art der Finanzierung vor: «Diejenigen, die sehr große Vermögen haben in unserer Gesellschaft, müssen mehr zum Allgemeinwohl beitragen», forderte die SPD-Chefin. «Sie werden umso leichter zu überzeugen sein, wenn unsere eindeutige Botschaft lautet: Das Geld investieren wir in unsere Zukunft, in die Kinder.»
Zudem sprach sich die SPD-Vorsitzende für eine Grundgesetzänderung aus, die dem Bund mehr Mitwirkung bei der Bildung ermöglichen würde. «Eigentlich muss es in der Grundschule gelingen, die Nachteile der Kinder mit schlechteren Startchancen auszugleichen. Stattdessen wachsen diese Nachteile in der Grundschule an. Das ist eine Katastrophe.» Bund, Länder und Kommunen müssten so gut wie möglich kooperieren, damit alle die besten Bildungschancen bekämen.
«Ich warne davor, mit brachialen Methoden dafür zu sorgen, dass die vorhandenen Lehrkräfte noch ein paar Stunden mehr unterrichten»
Die derzeitigen Vorschläge, etwa über Arbeitszeiterhöhungen oder die Einschränkung der Teilzeit den Lehrermangel zu beseitigen, kritisierte Esken: «Ich warne davor, mit brachialen Methoden dafür zu sorgen, dass die vorhandenen Lehrkräfte noch ein paar Stunden mehr unterrichten. Wir wollen guten Unterricht – und dafür brauchen wir motivierte und leistungsfähige Lehrkräfte.»
Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Lehrerverbände sein. Einige der Aussagen von Esken stoßen beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) trotzdem für Empörung. «Die Grundschule versagt», so zitiert die „Badische Zeitung» Esken. «Würde die Grundschule versagen, wäre es finster in Deutschland», entgegnet der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand. Er fügt hinzu: «Das Gegenteil ist der Fall. Die Kolleginnen und Kollegen an der Grundschule machen unter widrigen Bedingungen einen hervorragenden Job. Wenn wir die Bildung verbessern wollen, sollten wir damit beginnen, die Arbeitsbedingungen dieser Kolleginnen und Kollegen zu verbessern und nicht damit die Schulen schlecht zu reden.»
«Wir Lehrkräfte schauen sehr genau hin, welche Kinder bei uns in der Klasse sitzen und schneiden den Unterricht methodisch-didaktisch passgenau auf diese Kinder zu»
Zum Vorwurf Eskens, dass die Lehrerinnen und Lehrer nur Vorgefertigtes aufwärmten und der Schulbetrieb unter Bulimie-Lernen leide, sagt Brand: «Das ist eine unhaltbare Unterstellung. Wir Lehrkräfte schauen sehr genau hin, welche Kinder bei uns in der Klasse sitzen und schneiden den Unterricht methodisch-didaktisch passgenau auf diese Kinder zu.» Zu den pädagogischen Ratschlägen Eskens, weniger Inhalte und dafür mehr Kompetenzen zu vermitteln, erklärt Brand: «Kompetenzen ohne Inhalte sind leer. Die Vermittlung von Kompetenzen erfolgt über die Erarbeitung von Inhalten. Saskia Esken unterliegt offenbar dem Irrglauben, aus ihrer Zeit als Elternvertreterin die Schulen auch aus pädagogischer Sicht beurteilen zu können.» News4teachers / mit Material der dpa
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