BERLIN. Im Vorfeld des morgigen „Bildungsgipfels“ in Berlin hat der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Gerd Landsberg in der „Bild“-Zeitung bestritten, dass es einen Lehrermangel gibt – weil ja viele in Teilzeit arbeiteten. Die Kritik an der Veranstaltung von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) als substanzlos kocht unterdessen weiter hoch. Lediglich zwei der insgesamt 16 Kultusminister nehmen teil.

„Glauben wir Politik und Gewerkschaften, dann leiden Deutschlands Schulen an Lehrermangel – erste Schulen führen daher die Vier-Tage-Woche ein”, so behauptet “Bild” – und will vom Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes wissen: „Zu wenig Lehrer – stimmt das?“
„Nein, sagt Gerd Landsberg (70) zu Bild“, antwortet das Blatt sogleich selbst und zitiert den (O-Ton) „Städte-Boss“ so: „In vielen Bundesländern arbeitet gut die Hälfte der Lehrer nur Teilzeit.“ Landsbergs Forderung laute: „Lehrer-Beamte müssen in schwierigen Zeiten wieder in Vollzeit rein!“ Seine Begründung: Für ihren Beamtenstatus „werden die Lehrer und ihre Familien ein Leben lang alimentiert – da darf man erwarten, dass sie sich voll einbringen.“
Der Städte- und Gemeindebund ist beim „Bildungsgipfel“ von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Gestalt von Ralph Spiegler, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm (in der es insgesamt zehn Schulen gibt), vertreten. Spiegler nimmt am einstündigen „Gipfelgespräch“ teil, für das sich neben Stark-Watzinger unter anderem die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse und der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (beide SPD) sowie der Bildungsforscher Prof. Kai Maaz angesagt haben. Außer der viertelstündigen Eröffnungsrede ist das laut Programm der einzige Beitrag der Bundesbildungsministerin zum „Bildungsgipfel“.
„Leistungsprämien sind heute schon vielfach möglich. Denkbar wäre auch, absolvierte Fortbildungen und die Unterrichtsqualität zu berücksichtigen”
Sie hatte sich allerdings im Vorfeld via „Bild am Sonntag“ zu Wort gemeldet – und als höchste Priorität benannt, „mehr Lehrerinnen und Lehrer in den Beruf zu bringen, die Zahl der Studienabbrecher im Lehramt zu senken und den Lehrerberuf attraktiver zu machen“. Neue Lehrer sollen ihr zufolge mit finanziellen Zulagen gelockt werden. „Leistungsprämien sind heute schon vielfach möglich. Denkbar wäre auch, bei den Gehaltsstufen absolvierte Fortbildungen und die Unterrichtsqualität zu berücksichtigen. Das müssen die Länder entscheiden“, so Stark-Watzinger. Den Vorschlag, Leistungsprämien an Lehrkräfte auszuschütten, hatte sie bereits im Dezember gemacht (News4teachers berichtete).
Kritisch zu diesem Vorschlag – und zur Substanz des „Bildungsgipfels“ – äußerte sich die Stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag Nadine Schön: „Bisher kenne ich als einzigen Vorschlag zu den Problemen unseres Bildungssystems Leistungsprämien für Lehrkräfte. Das aber ist originäre Ländersache und lenkt nur von den wahren Problemen und Verantwortlichkeiten ab“, so erklärt sie in der „Welt“ – und bezeichnet den Gipfel als „blanken Hohn“. Sprechen könne man „allenfalls von einem unverbindlichen Treffen an der Talstation, um gemütlich über den Aufgabenberg zu reden“. Im Vorfeld seien keine klaren Ziele formuliert worden. „Es gibt weder ein klares Agendasetting, noch erwarte ich am Dienstag Lösungen für die mannigfaltigen Herausforderungen des Bildungssystems.“
In die gleiche Kerbe schlägt der Bundesvorsitzende des Verbands der Realschullehrer (VDR), Jürgen Böhm. Das Meeting wirft dem VDR-Chef zufolge mehr Fragen auf, als er Antworten bereithält: „Bildungsgipfel in Berlin? Wer diskutiert eigentlich worüber? Und wer gestaltet eigentlich Bildung in unserem Land? Es ist bedauerlich, dass es beim Thema Bildung am gemeinsamen Gestaltungswillen von Bund und Ländern fehlt.“
„Niemand weiß aktuell so recht, um was es bei diesem Bildungsgipfel konkret gehen soll”
Böhm zufolge müsse es höchste Priorität haben, dass Bund und Länder ihre Zusammenarbeit besser und verstärkt koordinieren. „Niemand weiß aktuell so recht, um was es bei diesem Bildungsgipfel konkret gehen soll. Das Fehlen einer klaren inhaltlichen Linie und das im Vorfeld angekündigte Fernbleiben einiger Bildungsplayer zeigt ein gewisses organisatorisches Durcheinander“, kritisiert Böhm und fügt an, dass dieser Gipfel eher den Eindruck einer inhaltlichen Schnellschussaktion erwecke.
Bund und Länder müssten sich zunächst über eine klare Kompetenzzuweisung einigen, bevor konkrete Maßnahmen ergriffen werden, so Böhm weiter. Zudem merkt der VDR-Bundesvorsitzende an: „Es ist verwunderlich, dass nicht alle am Bildungsprozess beteiligten Akteure wie Lehrerverbände und Lehrkräfte oder auch die Landespolitik intensiver eingebunden wurden. Außer Frage steht jedenfalls, dass die Qualität der Bildung nicht nach unten abgesenkt werden darf. Eine Diskussion um ein Prämiensystem beschädigt eher den Ruf der Lehrkräfte und ist einer Verbesserung der Situation wenig dienlich“, so meint Böhm.
Der VDR sowie der Philologenverband sind auf dem Gipfel lediglich durch ihren Dachverband, den Deutschen Lehrerverband, vertreten. News4teachers
