Flop mit Ansage: Bundesbildungsministerin ruft zum „Bildungsgipfel“ – und kaum ein Kultusminister kommt

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BERLIN. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) fordert tiefgreifende Reformen im Schul- und Bildungssystem. «Das deutsche Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise, die uns alle betrifft» – sagt sie (ausgerechnet) in der «Bild am Sonntag». Das Interview hat einen Anlass. Für nächste Woche hat Stark-Watzinger nämlich zu einem «Bildungsgipfel» eingeladen. Klingt gut. Das Problem: Es handelt sich tatsächlich allenfalls um ein Gipfelchen. Von den Kultusministern hagelte es offenbar Absagen.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger schaut nach lilnks oben.
Besonders bei der Digitalisierung brauche es mehr Tempo, kritisiert Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Foto: Shutterstock / photocosmos 1

Bund, Länder und Kommunen müssten in der Bildung an einem Strang ziehen – meint Bettina Stark-Watzinger. Der Bund könne nicht immer weiter Geld geben. «Wir müssen endlich an die strukturellen Probleme ran. Das wird nur mit einer neuen Form und Kultur der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gehen. Wir müssen ein Team Bildung aufstellen, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen.»

In Berlin kommen am Dienstag Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zum «Bildungsgipfel» zusammen. Die Ampel hatte ein Treffen unter diesem Titel in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Nach dem Treffen soll eine neue Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Seiten und zusätzlichen Experten Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern erarbeiten.

«Von den fünf Milliarden Euro des eigentlichen Digitalpakts ist zwar schon viel verplant, aber noch zu wenig an den Schulen angekommen»

Der Haken: Diejenigen, die in Deutschland tatsächlich über die Schule entscheiden, werden gar nicht erst anwesend sein. Lediglich zwei Kultusminister – Ties Rabe (SPD) aus Hamburg und Astrid-Sabine Busse (SPD) aus Berlin – mochten zum «Gipfel» in die Hauptstadt kommen. Von den übrigen habe einer nach dem anderen abgesagt, so berichtet ZDF-«heute». Kein Wunder: Lediglich ein einstündiges «Gipfelgespräch» mit der Bundesministerin ist dabei anberaumt. Zu einer Paneldiskussion mit Stark-Watzingers Staatssekretär Jens Brandenburg sind dann die Spitzen von VBE, GEW, Deutschem Lehrerverband, Bundeselternrat und Bundesschülerkonferenz eingeladen. Angeraumte Zeit auch hier: eine Stunde. Ansonsten gibt’s ein paar Vorträge und Fachforen – das war’s.

Der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) spricht der Bundesministerin wegen der schlechten Organisation die Professionalität ab. «Wenn man so etwas wirklich so groß anlegen will, muss man das anders aufsetzen. Dann muss es Vorabsprachen geben, über die Terminfindung sowieso. Aber eben auch über die Struktur des Prozesses, über die Themen, die zu behandeln sind», so erklärt er und fragt: «Was erwartet man sich davon? Was soll da herauskommen? An alledem fehlt es mit Blick auf die Veranstaltung am Dienstag», lautet dem Bericht zufolge sein vernichtendes Urteil.

«Um die jungen Menschen auf die digitale Zukunft vorzubereiten, müssen sie verstehen, was ein Algorithmus ist und wie man programmiert»

Und was die Ideen der Bundesbildungsministerin? Die sagt gegenüber «Bild», besonders bei der Digitalisierung brauche es «mehr Tempo». «Von den fünf Milliarden Euro des eigentlichen Digitalpakts ist zwar schon viel verplant, aber noch zu wenig an den Schulen angekommen. Das liegt auch an der zu bürokratischen Umsetzung.» Die Digitalisierung soll dabei tiefer in den Lernstoff integriert werden. Digitale Bildung umfasse «mehr als Tablets, interaktive Whiteboards und WLAN an Schulen», meint Stark-Watzinger.

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«Um die jungen Menschen auf die digitale Zukunft vorzubereiten, müssen sie verstehen, was ein Algorithmus ist und wie man programmiert», ergänzt sie im «Bild»-Interview. Daher müsse KI im Schulunterricht ein Thema sein: «Diese Themen gehören in die Lehrpläne, um nächste Generationen digital fit zu machen.»

Zugleich kritisiert Stark-Watzinger, dass vielerorts Schulgebäude marode seien: «Es stimmt, dass die Schulen in Deutschland teilweise in einem schlimmen Zustand sind. Nicht nur bei der Digitalisierung gibt es Defizite, sondern auch in Bezug auf sanitäre Anlagen und Turnhallen. Der Investitionsstau muss parallel zur Digitalisierung angegangen werden.»

Darüber hinaus fordert die Ministerin eine bessere Bezahlung von Lehrkräften. Der Lehrerberuf sei nicht nur «extrem wichtig für unsere Gesellschaft», sondern dabei auch sehr fordernd. Darum müssten Lehrerinnen und Lehrer mehr Wertschätzung erfahren, auch finanziell. Es habe höchste Priorität, mehr Lehrerinnen und Lehrer in den Beruf zu bringen, die Zahl der Studienabbrecher im Lehramt zu senken und den Lehrerberuf attraktiver zu machen, so Stark-Watzinger.

Klingt nach einem umfangreichen Forderungskatalog an die Bundesländer – den sich die allermeisten nicht mal anhören werden. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum vollständigen Programm des «Bildungsgipfels».

Fast 50.000 Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss – jedes Jahr. Lehrerverbände streiten über die Ursachen

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Palim
1 Jahr zuvor

„Nach dem Treffen soll eine neue Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Seiten und zusätzlichen Experten Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit erarbeiten.“

Wie viele Lehrkräfte unterschiedlicher Schulformen wohl teilhaben werden?

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

Praktizierende Lehrer vermutlich keine oder nur sehr wenige.

Praktizierende leistungsorientierte Lehrer wurden vermutlich nicht einmal angefragt.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

Kann mal jemand die aktuellen bundesweiten Arbeitsgruppe o.ä. durchzählen. Ich glaube, das sind ungefähr = ewig genug+noch welche.

vhh
1 Jahr zuvor

Nur so als Vorschlag: Einen Teil der Digitalisierungsmilliarden umleiten und das Bundesbildungsministerium auf KI umstellen. Unverbindliche Texte können KIs ziemlich gut, Belege und konkrete Handlungen sind in der Politik ja weniger gefragt.

Konfutse
1 Jahr zuvor

Wenn die Lehrer endlich für lau die Gebäude sanieren würden, täglich Frühstück, Mittagessen, und nachmittägliche Betreuung, Sportangebote, psychologische Unterstützung, Hygieneerziehung usw. anbieten und gerne und mit Selbstverständlichkeit auf Teilzeit verzichten würden und das natürlich voller Freude und pädagogischem Impetus (für lau, versteht sich), dann ziehen endlich alle, aus politischer Sicht, an einem Strang.

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konfutse

Fertig.

Nun kann man sich die Treffen des Bildungsgipfels auch sparen.

Kritischer Dad*NRW
1 Jahr zuvor

Gerät ein Unternehmen/Konzern in Schieflage wird ein Sanierungsplan nach vorgegebenen Anforderungen entwickelt, beraten und gehandelt.

Bei Schule und Bildung sowie deren Einrichtungen bedient man sich Reformen, einem Treffen nach ampeligem Koalitionsvertrag, Team Bildung, neuer Arbeitsgruppe und dem Bildungsgipfel und das Wichtigste, man nimmt die mögliche Lösung heraus: „Der Bund könne nicht immer weiter Geld geben.“

Marode Gebäude betrifft unterlassene Unterhaltung über Jahrzehnte und abwirtschaften statt erhalten durch die Schulträger, denen die dazu notwendigen Mittel von Bund und Land nicht gewährt werden/wurden, was logischerweise nicht funktionieren kann. Das ist kein Investitionsstau oder Sanierungsstau sondern schlichtes Unterlassen der Erhaltung von Gemeingut.

Aber: Ohne Moos nix los!