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In Deutschland fehlen Tausende Grundschullehrer – Bundesland pocht auf Numerus clausus

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ERFURT. In Deutschland fehlen Zig-Tausende von Grundschullehrkräften – und die Personalnot wird auf lange Sicht schlimmer, wie unlängst ein Gutachten im Auftrag der KMK ergab. Gleichzeitig gibt es an vielen Unis noch immer Zulassungsbeschränkungen fürs Studium auf das Grundschullehramt. So auch in Thüringen. Die CDU würde das gerne ändern. Doch Wissenschaftsminister Tiefensee nennt Gründe für die Beschränkung – die womöglich erklären, warum es in Deutschland beim Lehrernachwuchs hapert: Offensichtlich denkt jedes Bundesland nur an sich.

Freie Fahrt? Von wegen. Foto: Shutterstock

Für das Grundschullehramtsstudium sollte es nach Ansicht der Thüringer CDU-Fraktion keine Zulassungsbeschränkung geben. «Lehramtsstudenten brauchen eine Willkommenskultur und keine Abfuhr», sagte CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner laut Mitteilung vom Mittwoch. Er forderte eine Aufhebung des Numerus Clausus-Verfahrens. Jedes Jahr gebe es deutlich mehr Bewerber, als Lehramtsstudierende zugelassen würden. «Wenn wir wirklich mehr junge Lehrer in den Beruf bringen und den Unterrichtsausfall bekämpfen wollen, müssen die Zulassungsbeschränkungen fallen.»

Das Thüringer Wissenschaftsministerium wies darauf hin, dass es für Lehramtsstudiengänge an Regelschulen, Gymnasien und Berufsschulen keine Zulassungsbeschränkungen gibt – mit Ausnahme Biologie am Gymnasium. Einen Numerus Clausus gebe es aber im Bachelorstudium für den Grundschul- und Förderschullehramtsbereich, weil die Nachfrage den Bedarf an Lehrkräften deutlich übersteige.

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«Hier orientieren wir uns deshalb an den Prognosen, die dem Bildungsministerium vorliegen», sagte Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Dabei gebe es einen Steuerungsprozess. «Sollte die erwartete Nachfrage steigen, können die Studienplatzkapazitäten entsprechend angepasst werden.»

Das ist skurril: «Das Problem des Lehrkräftemangels wird aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben», heißt es in einer unlängst vorgestellten Stellungnahme von Bildungswissenschaftlern für die Kultusministerkonferenz (News4teachers berichtete). Der Mangel bedrohe die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung und beeinträchtige auch die Qualität des Unterrichts. Vorgeschlagen wird eine ganze Liste von Maßnahmen, von denen jede einzelne höchst umstritten sein dürfte: von der Mehrarbeit für Lehrkräfte über Hybridunterricht bis hin zu größeren Klassen. Betroffen von der Personalnot sind insbesondere die Grundschulen.

«Es ist auch eine Frage der richtigen Ressourcenverteilung, wenn sich das Land hier gewisse Steuerungsmöglichkeiten vorbehält»

Aber offenbar ist das Problem in Thüringen noch nicht angekommen. Nach Angaben der Universität Erfurt gab es zum Wintersemester 2022/2023 insgesamt 310 Plätze für das Grundschullehramt – bei 807 Bewerbungen. 594 seien zugelassen worden, am Ende hätten 312 die Zulassung auch angenommen. Die letzten in der Rangliste, die noch zum Zuge gekommen sind, hätten demnach einen Abi-Schnitt von 2,6 gehabt. Den Angaben nach wurden rund 80 Prozent der Studienplätze über dieses Verfahren vergeben, bei dem der Abiturschnitt eine Rolle spielt. Mitunter ist es aber auch möglich, seine Chancen etwa über Wartesemester zu erhöhen.

Laut Wissenschaftsministerium war der Bedarf an Grundschullehrkräften zuletzt leicht ansteigend. «Deshalb haben wir bereits 2018 die Ausbildungskapazitäten in diesem Bereich von 250 auf 310 deutlich angehoben», sagte Tiefensee. Eine weitere Anhebung werde derzeit geprüft. Ganz soll die Zulassungsbeschränkung aber nicht fallen. Es nütze nichts, wenn in Thüringen Grundschullehrer weit über dem tatsächlichen Bedarf ausgebildet würden – während an den Thüringer Regel- oder Berufsschulen Lehrer fehlten und die Nachfrage dort immer weiterwachse.

«Es ist auch eine Frage der richtigen Ressourcenverteilung, wenn sich das Land hier gewisse Steuerungsmöglichkeiten vorbehält», sagte Tiefensee. So müsse man für jeweils 50 weitere Studienplätze im Lehramt Grundschule von zusätzlichen Kosten von rund einer Million Euro ausgehen. SPD-Hochschulpolitiker Lutz Liebscher nannte die CDU-Forderung krude. Man werde der Nachfrage nach Regel- und Berufsschullehrern nicht begegnen, indem die Zulassungsbeschränkung für das Grundschullehramt aufgehoben werde, sagte er. «Thüringen bildet in diesem Bereich für den im Land tatsächlich vorhandenen Bedarf aus.»

Der Thüringer Lehrerverband dagegen teilte die CDU-Position und sprach sich für eine Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen aus. «Es kann doch nicht sein, dass wir einerseits junge Menschen daran hindern, das Studium aufzunehmen, und gleichzeitig mit viel Aufwand Seiteneinsteiger nachqualifizieren, weil der Personalmangel einfach nicht in den Griff zu kriegen ist», teilte der Lehrerverband mit. Auch Beschränkungen wie ein fächerbezogener Numerus clausus oder die Vorgabe zugelassener Fächerkombinationen seien angesichts der «katastrophalen personellen Zustände in unseren Schulen nicht mehr akzeptabel». News4teachers / mit Material der dpa

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