BERLIN. 70 Jahre nach dem Volksaufstand in der DDR hat sich der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, für mehr DDR-Geschichte auf den Lehrplänen der Schulen ausgesprochen. Die Zeit, in der sich im Geschichts- und Sozialkunde-Unterricht mit der DDR beschäftigt wird, sei «viel zu kurz», sagte der SPD-Politiker im Interview des SWR-Hauptstadtstudios – und beklagt darüber hinaus, dass die Historie zu trocken vermittelt werde.
Schneider erzählt dabei vom Schicksal zweier Brüder aus dem thüringisch-bayerischen Dorf Mödlareuth, durch das 41 Jahre lang die innerdeutsche Grenze verlief und deshalb von in der Region stationierten amerikanischen Soldaten ‘Little Berlin’ genannt wurde. Die Geschwister – der eine lebte in Bayern, der andere in Thüringen – «die haben sich zugewinkt, aber die konnten nicht mehr miteinander sprechen». Schneider wünscht sich von den Schulen stärker die Vermittlung solcher Ost-West-Schicksale – und kritisiert, dass im Unterricht vorwiegend geschichtliche Daten abgefragt werden.
Am 17. Juni 1953 hatten in der gesamten DDR etwa eine Million Menschen gegen höhere Arbeitsnormen, aber auch gegen die Sozialistische Einheitspartei SED und die deutsche Teilung, für freie Wahlen und mehr Wohlstand demonstriert. Die sowjetische Besatzungsmacht, die DDR-Volkspolizei und die Staatssicherheit stoppten die Proteste. Mindestens 55 Menschen wurden getötet, mehr als 10.000 wurden verhaftet.
Auch in Ostdeutschland sei der Informationsbedarf über das damalige Geschehen groß: Über den Volksaufstand wurde in der Kindheit des heutigen Ostbeauftragten der Bundesregierung im Familienkreis eigentlich „überhaupt nicht“ gesprochen – in der Schule schon gar nicht.
Schneider bemängelte zudem das geringe Interesse von Menschen aus Westdeutschland am Osten. «99,5 Prozent der Ostdeutschen waren im Westen, aber 25 Prozent der Westdeutschen waren noch nie in Ostdeutschland». Wenn er offen spreche, dann spüre er keine Neugier bezüglich der Lebenserfahrung Ostdeutscher und Brüchen in ostdeutschen Biografien, sondern da herrsche «im Zweifel eine Totenstille».
Der Sozialdemokrat sieht einen klaren Bezug zwischen dem Geschehen 1953 und heute, wenn er an die Freiheitsbewegung der Ukrainer denke, die “sich eben nicht unterjochen lassen wollen”. Es sei eine Lehre aus dem Volksaufstand und dessen Niederschlagung, dass Demokratie uns nicht geschenkt wurde, sondern erkämpft wurde und dass sie auch verteidigt werden muss. News4teachers / mit Material der dpa
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