DRESDEN. Schulsozialarbeit kann in der Schule große Potenziale entfalten. Ein Forschungsteam aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Praktikerinnen und Praktikern hat in einem dreijährigen Forschungszyklus die Schulsozialarbeit in Sachsen untersucht.
Mit der vierten Befragungsrunde ist jetzt das Forschungsprojekt Schulsozialarbeit in Sachsen in Zeiten der Corona-Pandemie“ zu Ende gegangen. Dabei beantworteten über 100 Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter Fragen zu ihren Arbeitsbedingungen und beruflichen Belastungsfaktoren, zur Qualität der Kooperation mit der Schule sowie zur Lern- und Entwicklungssituation junger Menschen. Das Projekt solle, so die Autorinnen und Autoren, nicht zuletzt Impulse zur Weiterentwicklung des Handlungsfeldes geben.
Insgesamt zeigen die Daten der Abschlussbefragung eine Diskrepanz zwischen den Aufgaben und professionellen Selbstverständnissen der Fachkräfte und den real gegebenen Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten an den Schulstandorten. Wenngleich sich bestimmte konkrete Bedingungen tendenziell verbessert hätten, beispielsweise die Ausstattung mit digitaler Infrastruktur und mit Sachmitteln, arbeiteten Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter häufig unter mehrfach belastenden Bedingungen.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. So seien etwa schulische und sozialpsychologische Unterstützungsbedarfe der jungen Menschen konstant hoch. Ein deutlicher Teil der Fachkräfte sehe sich angesichts der Notwendigkeit der Bewältigung tagesaktueller Anforderungen in einem „defensiven Modus“. Eine Arbeit, die über Schadensbegrenzungen hinausgeht und die es erlaubt, das eigene Tätigkeitsfeld aktiv und kreativ zu gestalten, sei kaum möglich. Die Fachleute seien im Zuge einer defizitären personellen Besetzung meist nicht in der Lage, erweiterte sozialpädagogische Angebote im Bereich non-formaler Bildung und Prävention zu unterbreiten.
Die Kooperation mit Schulleitungen und Lehrpersonen habe sich im Vergleich zur vorpandemischen Zeit tendenziell weiter verbessert. Allerdings agierten auch Lehrerinnen und Lehrer angesichts des personellen Mangels häufig im Krisenmodus, der die Schulsozialarbeit direkt oder indirekt berühre. Noch immer seien Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in deutlichem Umfang in genuin schulische, also für sie fachfremde Aufgabenbereiche einbezogen. Noch immer scheint es der Untersuchung zufolge stark von Ressourcen und der Offenheit von Schulpädagoginnen und -pädagogen abzuhängen, ob und wie mit der Schulsozialarbeit kooperiert wird. Verbindliche und praxisgestaltende Vereinbarungen seien vorfindbar, aber noch immer nicht die Regel.
Zudem wird von den Fachkräften eine gravierende Mangelsituation in Bezug auf weiterführende psychotherapeutische und psychiatrische Hilfen beschrieben, wodurch Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter trotz dringender Notlagen junge Menschen oft nicht weiter vermitteln könnten. Angesichts der Tatsache, dass es sich zumeist um akute und alle Lebensbereiche umfassende Problematiken handele, sei die gegenwärtige Situation des Mangels für betroffene Kinder und Jugendliche ausgesprochen prekär.
Constanze Berndt, Professorin für Soziale Arbeit und Schule an der Evangelischen Hochschule Dresden, schlussfolgert aus den Ergebnissen der Studie: „Unsere Befunde verweisen nicht nur auf die Notwendigkeit, die Schulsozialarbeit qualitativ und quantitativ auszubauen, damit derzeit häufig stark belastete Fachkräfte gehalten und die sozialpädagogische Arbeit aufgabengemäß und entsprechend dem professionellen Anspruch der Fachkräfte geleistet werden kann. Im Zuge der Gesamtsituation an Schulen braucht es zudem ressortübergreifende Lösungsansätze und eine stärkere Anerkennung sozialpädagogischer Arbeit als komplementärem, nonformalem Bildungs- und Erziehungsangebot für junge Menschen. Schulsozialarbeit kann und will mehr leisten und gestalten, als Kinder und Jugendliche in krisenhaften Einzelfallsituationen zu unterstützen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sie als sozialpädagogische Profession diese Anerkennung und Unterstützung selbst erfährt.“ (zab, pm)
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