Schulsozialarbeit an Berufskollegs: Immer wichtiger, aber nach wie vor unsystematisch

1

DUISBURG. Schulsozialarbeit kann und soll heute vieles dabei leisten, junge Menschen in ihrer beruflichen Orientierung auf eine digitalisierte Arbeitswelt vorzubereiten. Die Strukturen und Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit an Berufskollegs im Land NRW unterscheiden sich je nach Kommune und Berufskolleg allerdings stark, stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen fest.

Dass Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen eigentlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt notwendig sei, ist ein Vorurteil, das sich außerhalb der Fachwelt hartnäckig hält. Die Realität freilich ist eine andere. Der Übergang von der Schule in den Beruf stellt Heranwachsende aufgrund umfassender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen vor besondere Herausforderungen. Berufsfelder, Arbeitsprozesse und Anforderungsprofile sind einem starken Wandel unterworfen und differenzieren sich immer weiter aus. Die Bedeutung einer bedarfsgerechten Übergangsbegleitung ist im Zuge dieser Entwicklungen stark gestiegen. Angesichts rasch voranschreitender Digitalisierungsprozesse in Schule, Gesellschaft und Arbeitswelt hat die Schulsozialarbeit überdies wichtige Unterstützungs-, Beratungs- und Begleitfunktionen, sowohl innerschulisch als auch im Netzwerk der Akteurinnen und Akteure im Übergang von der Schule in den Beruf.

Schulsozialarbeit kann ein Kompass für Schülerinnen und Schüler auf dem Weg in die digitalisierte Arbeitswelt sein, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, doch die Bedingungen sind nicht überall optimal. Foto: Shutterstock

Kurz gesagt: Schulsozialarbeit trägt entscheidend dazu bei, junge Menschen in ihrer beruflichen Orientierung auf eine digitalisierte Arbeitswelt vorzubereiten. In einem aktuellen Report diskutieren nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE), inwiefern die Rahmenbedingungen von Schulsozialarbeit in der beruflichen Qualifizierung an Berufskollegs in NRW ihre Wirksamkeit und ihren Erfolg beeinflussen.

„Die Schulsozialarbeit verknüpft arbeitsmarkt-, bildungs- und sozialpolitische Instrumente miteinander. Dabei geht es neben der Vermittlung von beruflichen auch um die Förderung von sozialen Kompetenzen und die Stärkung der individuellen Potenziale“, erläutert Dr. Monique Ratermann-Busse, Co-Autorin des Reports. Als zentraler Schnittstellenakteur arbeite die Schulsozialarbeit eng mit Lehrerinnen und Lehrern und außerschulischen Partnern zusammen, etwa mit der Bundesagentur für Arbeit, kooperierenden Betrieben, Kammern und sozialen Diensten in Kommunen.

Dem Report zufolge unterscheiden sich die Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit in den Kommunen und Berufskollegs zum Teil erheblich. Komplexe Zuständigkeiten und Weisungsbefugnisse auf Landes- und kommunaler Ebene führten dazu, dass klare Definitionen von Aufgaben- und Funktionsbereichen in der multiprofessionellen Begleitung fehlten. Eine zweite zentrale Erkenntnis belege überdies, dass vorhandene Digitalisierungspotenziale zur Erleichterung der Arbeit und Organisation in der Schulsozialarbeit bislang nur wenig genutzt würden.

Anhand der Befunde betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht zuletzt die Bedeutung dieser Bedingungen, unter denen Schulsozialarbeit ihre Leistung erst entfalten könne. Die Schulsozialarbeit wirke für Schülerinnen und Schüler wie ein Kompass, der sie beim Übergang in den Beruf unterstütze, etwa bei der Antragstellungen für Leistungen im eigenen Berufsorientierungsprozess und beim Bewerbungsmanagement. „Um den unterschiedlichen Bedürfnissen einer heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden, sind klare Zuständigkeiten und abgestimmte Arbeitsabläufe Erfolgsfaktoren“, so Ratermann-Busse. Eine feste Verankerung der Schulsozialarbeit in die schulische Organisationsstruktur trage zur Transparenz über ihre vielfältigen Funktionen in der Übergangsbegleitung für Eltern, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte bei.

Zweiter wichtiger Faktor ist Raterman-Busse zufolge insbesondere der Entwicklungsbedarf beim Einsatz von digitalen Medien für die Arbeitsorganisation innerhalb der Schulsozialarbeit, etwa durch eine umfassende Einbindung in die digitalen Systeme der Schulen beispielsweise digitale Klassenbücher, Lernmanagementsysteme, Datenbanken und Clouds. Eine stärkere Beteiligung der Fachkräfte am Informationsgeschehen würde die bedarfsgerechte Übergangsbegleitung einer heterogenen Schülerschaft in Schulen erleichtern. „Eine Vereinheitlichung der digitalen Ausstattung und umfassende (Weiter)-Qualifizierung der Fachkräfte ist erforderlich, um die Chancen digitaler Medien optimal zu nutzen und junge Menschen bestmöglich zu begleiten“, so Monique Ratermann-Busse abschließend.

Insgesamt konstatieren die Autorinnen und Autoren, dass in den letzten Jahren die Schulsozialarbeit als Akteur an Berufskollegs zwar gestärkt worden sei, eine Systematisierung aber nicht stattgefunden habe. Die hohe Bedeutung der Kommunen sowohl bei der Finanzierung als auch der Gestaltung der Schulsozialarbeit führe so zu ungleichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Schülerinnen und Schüler. Ihre aktuelle Studie verstehen die IAQ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler in diesem Sinne auch als praxisnahe politische Umsetzungsorientierung, nicht zuletzt im nach wie vor stark vom Strukturwandel geprägten Ruhrgebiet. (zab, pm)

Der Report ist als pdf auf den Webseiten der UDE zugänglich.

Bildungsforscher fordern mehr Berufsorientierung (auch schon in Kitas und Grundschulen)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Einer
10 Monate zuvor

Am BK sind Schüler, die mindestens 16 Jahre alt sind. Diese Schüler befinden sich mitten in ihrer Selbstfindung, in ihrer Abgrenzung von den Eltern und wollen ihre Rolle in ihrer Peer-Group finden und entdecken ihre Sexualität mit allen (manchmal ungewollten) Nebenwirkungen (Schwangerschaften). Das sind schon ausreichend Problemfälle für die Schulsozialarbeiter. Dazu kommen dann noch die beruflichen Herausforderungen. Was will ich später werden? Welche Berufe kann ich mit meiner bisherigen Bildung erreichen?
Ich bin sehr froh, dass wir drei sehr gute und engagierte Schulsozialarbeiter an unserer Schule haben.
Es sind zwar keine Lehrer, aber extrem wichtige Kollegen in der Begleitung der Jungendlichen in dieser Phase ihres Lebens und ich wüsste manchmal nicht was ich ohne sie machen würde.
Vielen Dank für eure Arbeit.

Also welche Pappnase stellt diese Arbeit denn in Frage?

Last edited 10 Monate zuvor by Einer