Die Siebtklässler im Saarland starteten mit einem neuen Fach auf dem Stundenplan ins aktuelle Schuljahr: An allen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen des Landes steht nun Informatik verpflichtend auf dem Programm (News4teachers berichtete). Gleiches galt für die Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe in Niedersachsen und ab 2025 will auch Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) nachziehen. Er will Informatik als Pflichtfach in allen Stadtteilschulen und Gymnasien verankern (News4teachers berichtete). „Digitale Technik bestimmt die Berufswelt, die Welt von Bildung und Wissenschaft und unser Alltagsleben. Wer digitale Techniken nicht versteht, droht schnell in der digitalen Welt abgehängt zu werden“, so Rabe. „Wir wollen Hamburgs Schülerinnen und Schüler mit den Herausforderungen nicht allein lassen, sondern bereits in der Schule gut auf das Leben vorbereiten.“ Die ersten Pilotschulen sollen mit dem Unterricht bereits im kommenden Schuljahr beginnen.
SWK-Empfehlung: sechs Wochenstunden in der SEK I
„Es ist ermutigend zu sehen, dass die Bundesländer nach und nach dazu übergehen, Informatik als Allgemeinbildung zu begreifen“, sagt Volker Meyer-Guckel, Generalssekretär des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Dennoch gebe es in verschiedenen Bundesländern Lücken in den Lehrplänen. Diese Lücken finden sich nicht nur in den Bundesländern ohne Informatik als Pflichtfach, sondern teilweise auch in denen, die das Fach verpflichtend in die Stundentafel aufgenommen haben. Denn nicht alle erreichen den empfohlenen Umfang von mittelfristig sechs Wochenstunden, für den sich die ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) in der Sekundarstufe I ausspricht. Das entspricht beispielsweise einer Schulstunde von der fünften bis zur zehnten Klasse. „Der Informatik-Monitor zeigt: Dieses Ziel liegt noch in weiter Ferne“, kommentiert Christine Regitz, Präsidentin der Gesellschaft für Informatik.
Bislang bieten nur Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland Informatikunterricht im empfohlenen Umfang an, in Sachsen existiert das Pflichtfach von der Klassenstufe 7 bis 10 mit vier Wochenstunden. In deutlich geringerem Ausmaß findet das Fach in Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen statt (je 2 Wochenstunden in der SEK I) sowie in Baden-Württemberg (eine Wochenstunde in der SEK I).
Durch eine stärkere Verankerung in den Lehrplänen der Sekundarstufe leisten die Bundesländer „einen wirksamen Beitrag zur Chancengleichheit“, so Volker Meyer-Guckel, Generalssekretär des Stifterverbandes. Hängt doch der Erwerb grundlegender digitaler und informatischer Schlüsselkompetenzen dann nicht mehr von den eigenen Interessen und dem Angebot des Wahlpflicht- oder Wahlbereichs in der Schule ab. So weisen Analysen des Stifterverbandes darauf hin, dass verpflichtender Informatikunterricht in der Sekundarstufe I eine zentrale Rolle spielt, um insbesondere Mädchen für die Informatik zu begeistern: Während in Bundesländern ohne Pflichtfach Informatik Mädchen Kompetenznachteile gegenüber Jungen zeigen, sind diese in Bundesländern mit Pflichtfach Informatik ausgeglichen. In Bundesländern mit einem umfangreichen Pflichtfach Informatik in der Sekundarstufe I wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen belegen auch deutlich mehr Frauen Informatik in der Oberstufe. Der Frauenanteil beträgt dort durchschnittlich 40 Prozent; in Bundesländern ohne Pflichtfach sind es 26 Prozent.
Rund 22.700 fehlende Fachlehrkräfte
„Die jüngsten Entwicklungen im Bereich des verpflichtenden Informatikunterrichts zeigen, dass die Bundesländer zunehmend Wege finden, neue Unterrichtsinhalte in die Stundentafeln zu integrieren“, sagt Horst Nasko, Vorstand der Heinz Nixdorf Stiftung. Ein wesentliches Hindernis für die Umsetzung sei allerdings der Mangel an Fachlehrkräften in diesem Bereich. Um Informatikunterricht im Umfang von sechs Wochenstunden über die gesamte Sekundarstufe I anbieten zu können, würden bundesweit mindestens 32.400 Informatiklehrkräfte benötigt, heißt es im Informatik-Monitor. Derzeit sind jedoch nur etwas weniger als 9.700 Lehrkräfte mit der benötigten Lehrbefähigung an deutschen Schulen beschäftigt. „Die künftigen Lehramtsabsolventinnen und -absolventen werden den wachsenden Bedarf nicht decken können“, sagt Nasko und plädiert für „kreative Lösungen für die Weiterbildung vorhandener Lehrkräfte, zum Beispiel durch den Ausbau von ortsunabhängigen Weiterbildungskursen“.
Um den Ausbau des Pflichtfachs Informatik weiter voranzutreiben, empfehlen die Herausgeber des Monitors den Bundesländern, die noch Nachholbedarf haben, sich an den Bundesländern zu orientieren, deren Entwicklung die in diesem Punkt bereits weiter fortgeschritten ist. Zur Unterstützung bietet der Informatik-Monitor eine Aufstellung der Stundentafeln der Gymnasien aller Bundesländer, aus der hervorgeht, wie sich die Stundentafeln der Bundesländer unterscheiden und wie einzelne den Informatikunterricht integriert haben. Mit Blick auf den Mangel an Fachlehrkräften raten sie, Informatik als Pflichtfach einzuführen, um angehenden Lehrkräften Planungssicherheit zu geben, sowie Möglichkeiten der ortsunabhängigen Qualifizierung über Onlinekurse zu schaffen. News4teachers (ach)
Deutschland im internationalen Vergleich hinten: Forderung nach Informatikunterricht wird lauter