Auf Einladung der Bundesschülerkonferenz kamen vom 20. bis 22. Oktober 2023 rund 300 Lernende aus ganz Deutschland zum Bildungskongress 2023 nach Berlin. Drei Tage lang vernetzten sie sich und tauschten sich in Workshops, Debatten und Diskussionen über ihre Vision von Schule aus. Mit dabei waren Politiker, Bildungsverbände und Jugendorganisationen, um ihre Perspektiven einzubringen. Das Ergebnis der tagelangen Diskussionen: ein überparteiliches Forderungspapier, das sich an Bund und Länder, Eltern und Lehrkräfte richtet. „Jahrzehntelang hat die Politik es verpennt, die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen. Wir sind die Generation, die die Rechnung bezahlt. Es darf keine Ausreden mehr geben. Wir wollen eine echte Bildungswende. Jetzt. Und zwar gemeinsam“, sagt die Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, Wiebke Maibaum.
„Steigender Rechtsextremismus ist an Schulen deutlich sichtbar“
Das Ergebnispapier umfasst sieben Forderungen: Die Schülerinnen und Schüler wollen eine effektivere Digitalisierung, pragmatische Lösungen gegen den Lehrkräftemangel, modernen Unterricht, eine starke Berufsbildung, vollumfängliche Inklusion und Chancengerechtigkeit, weniger Lernstress sowie Finanzierungsreformen, um „allen Lernenden gute Bildung zu ermöglichen“ (eine Übersicht bietet der Infokasten am Ende des Beitrags). Dabei findet sich eine Forderung in unterschiedlicher Form mehrfach im Dokument: der Wunsch nach politischer Bildung. „Die politische Aufklärungsarbeit ist momentan so notwendig wie lange nicht mehr. Steigender Rechtsextremismus ist an Schulen deutlich sichtbar“, zitiert die Tagesschau Nedjmije Bajrami, Innenkoordinatorin der Bundesschülerkonferenz. Dem zunehmenden Antisemitismus an Schulen müsse ebenfalls mit Aufklärungsarbeit begegnet werden.
Politik soll daher ab der Sekundarstufe I zum Pflichtfach werden und sich inhaltlich nicht nur mit politischen Theorien auseinandersetzen, sondern „sich auch mit aktuellen Ereignissen in gerechter Art und Weise“ befassen. Die Lernenden wünschen sich zudem die Chance, Partizipation und Demokratie praktisch zu erfahren – in der Schule sowie außerhalb. „Deshalb soll es eine flächendeckende Einführung eines drittelparitätisch besetzten Schulparlamentes oder einer Schulkonferenz geben.“ Vermutlich mit Blick auf die Fridays for Future-Demos, die immer wieder für Kritik sorgen, weil sie während der Schulzeit stattfinden, fordern die Jugendlichen darüber hinaus, dass die Teilnahme an Demonstrationen zu bildungspolitischen Themen möglich sein muss, inner- und außerhalb der Schulzeit. Schülerinnen sollten in diesen Fällen keine negativen Konsequenzen von Seiten der für Bildung und Schule zuständigen Behörden und Institutionen fürchten müssen.
Forderung nach mehr Bundesmitteln zur Demokratieförderung
Verbesserungsbedarf sehen die Jugendlichen auch bei den Bildungsfinanzen. Eine Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen in Bildungsfragen sei unabdingbar. Spezifisch wünschen sie sich unter anderem mehr Bundesmittel für demokratiefördernde Projekte in Schulen sowie „zur Förderung und Unterhaltung von Gedenkstätten […], damit diese mehr Ressourcen in Bildungsarbeit investieren können“. Bildung sei ein grundlegender Pfeiler einer starken demokratischen Gesellschaft, sie dürfe nicht an der Ressourcenfrage scheitern. „Daher ist eine Investition in Bildung zwangsläufig eine Investition in einen starken demokratischen Staat.“ News4teachers (ach)
- Effektive Digitalisierung: Der Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen muss drastisch beschleunigt werden. Mehr Tempo geht nur mit weniger Bürokratie. Vor allem regionale Ungleichheiten und Standortunterschiede müssen behoben werden. Zeitgleich muss digitale Kompetenz gleichwohl von Lehrkräften, Lernenden, aber auch Eltern erlernt werden.
- Konsequent gegen Lehrkräftemangel: Guter Unterricht braucht ausreichend Lehrkräfte. Die Bundesländer sollten nicht um Personal konkurrieren, sondern gemeinsam an einer pragmatischen Lösung arbeiten: Neben Übergangslösungen muss dazu der Beruf attraktiver gestaltet, das Lehramtsstudium reformiert und die Entlastung von Verwaltungsaufgaben umgesetzt werden.
- Unterricht grundlegend neu denken: Schulen brauchen die notwendige Freiheit, moderne Unterrichtsmethoden einzusetzen. Hier fordern wir vor allem weniger Frontalunterricht, andere Unterrichtszeiten und politische Bildung, die Demokratie stärkt und erlebbar macht.
- Schule für alle – Inklusion und Chancengerechtigkeit: Barrierefreie Zugänge, inklusiver Unterricht und Chancen unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund: Bildungspolitik muss unterschiedliche Voraussetzungen ausgleichen. Heute mehr denn je muss Bildung für jeden ermöglicht werden – klar ausgerichtet gegen jegliche Form der Diskriminierung und des politischen Extremismus.
- Lernen fürs echte Leben: Berufsbildung ist ein zentraler Bestandteil lebensvorbereitender Schule. Das gelingt insbesondere durch aktive Informationsveranstaltungen, hochqualitative Praktika und integrierte Berufsberatung. Dafür braucht es viel stärkere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Respekt vor allen Abschlüssen sowie Berufswegen.
- Stärkerer Fokus auf mentale Gesundheit: Durch Pandemie und weitere Krisen sind Lernende hoher psychischer Belastung ausgesetzt. Schule darf vor diesem Hintergrund kein weiterer Belastungsfaktor werden – sondern sollte bei der Bewältigung unterstützen. Die Schulpsychologie muss weiter institutionalisiert und mit neuen Stellen ausgestattet werden. Auch hier muss der Fachkräftemangel angegangen werden.
- Gemeinsam für die Zukunft der Bildung: Wir fordern Bund und Länder auf, Bildung als parteiübergreifende Gemeinschaftsaufgabe zu betrachten, neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um allen Lernenden Deutschlands den Zugang zu bester Bildung zu ermöglichen. Die Politik muss das Versprechen vom Aufstieg durch Bildung verwirklichen und bundesweit gerechte Voraussetzungen schaffen.
Rechtsextremismus auf dem Vormarsch: Wie ist es um die Demokratie-Bildung an den Schulen bestellt?