BERLIN. Die Kernforderung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes für die bevorstehende Länder-Tarifrunde lautet 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr Gehalt monatlich für die Beschäftigten (News4teachers berichtete). Ist das zu wenig? In den Lehrerkollegien wird darüber diskutiert – im Leserforum von News4teachers überwiegt die Kritik. „10,5 als Forderung sind definitiv zu wenig. Wenn man sich die Inflationsraten der letzten Jahre, die Nullrunde 2021 und das letzte Jahr mit 2,8 Prozent anschaut, dann ist das immer noch ein kräftiger Reallohn-Verlust“, so schreibt dort eine Lehrkraft. Die Verbände rechtfertigen hingegen die Forderung.
„Der VBE sieht 10,5 Prozent mehr als absolut angemessen an‘“, so betont die Tarifzuständige des VBE, Rita Mölders – mit Blick auf die Arbeitgeber. „Es gilt, dem immer weiter um sich greifenden Personalmangel an Schulen entgegenzutreten. Denn es ist eine Frage des Marktes, für welche Tätigkeit sich zum Beispiel jene entscheiden, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben. Wenn der Öffentliche Dienst nicht liefert, können sie genauso gut und für besseres Geld in der Wirtschaft arbeiten. Nicht zuletzt muss sich die Wertschätzung für die verantwortungsvolle und engagierte Arbeit der Lehrkräfte, des pädagogischen Personals und der Leitungen muss sich in der Bezahlung widerspiegeln. Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren! Dafür muss die TdL sorgen.“
Nach wie vor gebe es einen großen Nachholbedarf im Länderbereich. Und dieser werde immer weiter ansteigen, wenn jetzt nichts passiert. Eine volumengleiche Erhöhung, analog zur Höhe des Ergebnisses der Einkommensrunde Bund und Kommunen, welche die Rückstände zum TV-öD ausgleicht und die weitere Teilnahme an der Einkommensentwicklung sichert, ist zwingend notwendig, um hier weiteren Ungerechtigkeiten begegnen zu können.
„Wir werden uns auf eine schwierige Einkommensrunde einstellen müssen, die Vertreterinnen und Vertreter der TdL werden uns nichts schenken“
Mölders betont allerdings auch die angespannte Ausgangslage: „Wir werden uns auf eine schwierige Einkommensrunde einstellen müssen, die Vertreterinnen und Vertreter der TdL werden uns nichts schenken. Es gibt viele Argumente, die für eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sprechen, darunter die hohe Arbeitsbelastung, der eklatante Personalmangel an Schulen und nicht zuletzt die Reallohnverluste durch die hohe Inflation der vergangenen zwei Jahre. Doch all die Argumente allein werden erwartungsgemäß nicht ausreichen, um faire Bedingungen für die Beschäftigten sicherzustellen und erfolgreich zu sein. Für ein gutes Verhandlungsergebnis in Potsdam braucht es eine starke Geschlossenheit der Mitglieder im VBE. Wir müssen zusammenhalten und zeigen, dass wir die Stärke und die Kraft haben, unsere Themen gemeinsam nach vorne zu bringen, wenn notwendig, auch auf der Straße.“
Sie macht außerdem deutlich, dass selbst eine bessere Bezahlung das Problem des immensen Lehrkräftemangels nicht wird lösen können. Was es auch brauche, seien Absprachen mit der TdL zur Verhandlung einer zeitgemäßen Anpassung der Entgeltordnung für Lehrkräfte und endlich bessere Rahmenbedingungen an Schule. Weitere Forderungen des VBE lauten:
- stufengleiche Höhergruppierung unter Mitnahme der Stufenlaufzeit,
- deutliche Anhebung der Jahressonderzahlung,
- § 16,17 TV-L: Stufenregelungen (u.a. schädliche Unterbrechungen abmildern, Anerkennung von einschlägigen, förderlichen Berufserfahrungen, klare Entfristungsregeln)
„Das Aufholen der Einkommensrückstände im Länderbereich ist für die Gewerkschaften die große Herausforderung der Tarifrunde 2023, um den Anschluss an Bund und Kommunen nicht zu verlieren“, konstatiert Michael Jung, Landesvorsitzender des Sächsischen Lehrerverbandes.
Der Tarifabschluss im Frühjahr 2023 für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen (ab 1. März 2024 Erhöhung der Tabellenentgelte um 200 Euro (Sockelbetrag) und zeitgleich um 5,5 Prozent; steuer- und sozialabgabenfreies Inflationsausgleichsgeld in Höhe von 3.000 Euro) sei eine Steilvorlage für die Tarifverhandlungen im Länderbereich.
Die Forderungen der Beschäftigten gingen aber über die Anhebung der Tabellenentgelte hinaus. Jung: „Die sächsischen Lehrerinnen und Lehrer fordern zudem die vollständige Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro (bis 31.12.2024). Eine große Rolle spielt auch die Realisierung der ‚Paralleltabelle‘, d. h. die Zuordnung von Entgeltgruppen im TV-L zu Besoldungsgruppen des Sächsischen Besoldungsgesetzes. Wie bereits in der Einkommensrunde 2019 erwarten die Beschäftigten die ‚stufengleiche Höhergruppierung‘ als Ergebnis dieser Tarifrunde. Nach dem derzeit geltenden Tarifrecht benachteiligt eine absurde Konstellation eine Vielzahl von Beschäftigten bestimmter Erfahrungsstufen, weil sie bei einer Höhergruppierung zwar eine Entgeltgruppe nach oben steigen, dort aber eine Erfahrungsstufe nach unten fallen. Im Tarifrecht bei Bund und Kommunen wurde die stufengleiche Höhergruppierung längst realisiert.“
Die Forderung nach Arbeitsentlastungen sei für die sächsischen Lehrkräfte weiterhin ein großes Thema, könne aber in einer bundesweiten Einkommensrunde für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in allen Bundesländern der TdL nicht verhandelt werden. „Der SLV wird die berechtigten Forderungen unserer Kolleginnen und Kollegen, wie zum Beispiel eine bessere MAU-Vergütung, den Zugang zu Teilzeitmodellen, die Bindungszulage für ältere Lehrkräfte und die Verbesserung weiterer Arbeitsbedingungen in die Gespräche mit den Verantwortlichen im Freistaat Sachsen einbringen“, verspricht Jung.
Hintergrund: Für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst Länder sind drei Verhandlungsrunden geplant. Hier die Termine: 26. Oktober 2023 in Berlin, 2./3. November 2023 und 7./8. Dezember 2023 jeweils in Potsdam. Die Gewerkschaften verhandeln für rund 2,5 Millionen Beschäftigte. Im Organisationsbereich der GEW wird beispielsweise für Beschäftigte an Schulen wie Lehrkräfte, im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder wie Erzieherinnen sowie für Hochschullehrende und studentische Beschäftigte verhandelt. News4teachers