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Pädagogik-Professor: Lehramtsstudierende zur Assistenz in den Unterricht

KARLSRUHE. Angesichts von rund einem Fünftel der Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die nicht die notwendigen Grundkompetenzen erreichen, fordert der Karlsruher Pädagogik-Professor Christian Gleser einen großen Wurf: nämlich alle Lehramtsstudierenden als Assistenzkräfte in Schulen zu schicken.

„Die aktuelle Schule kann das ihr gesetzte Ziel, den größten Teil der Kinder und Jugendlichen gut zu bilden, nicht erreichen“, sagt Prof. Christian Gleser, Leiter des Instituts für Schul- und Unterrichtsentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA). Noch immer erreichten rund 20 Prozent der Schülerschaft sowohl in den Grundschulen als auch in den Sekundarstufenschulen laut internationalen Vergleichsstudien wie IGLU und PISA nicht die notwendigen Grundkompetenzen.

Sind Lehramtsstudierende ein “enormes Potenzial” zur besseren Förderung von Schülerinnen und Schülern? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock.

Noch immer herrsche überdies starker Lehrkräftemangel und vor dem Hintergrund, dass in Deutschland alle Kinder im Grundschulalter ab 2026 das Anrecht auf achtstündige Förderung an Werktagen haben, steige der Bedarf an pädagogischen Fachkräften noch. Christian Glesers Prognose klingt so beinahe düster: „Es ist unwahrscheinlich, dass wir die in den Studien festgestellten Defizite reduzieren können, wenn wir an dem Prinzip ‚Eine Lehrkraft pro Klasse‘ festhalten“, so der Pädagoge. Benötigt würden neue Überlegungen, um die Bildungskrise zu lindern oder gar zu bewältigen.

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Gleser schlägt deshalb vor, das Potenzial der vielen tausend angehenden Lehrkräfte an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten zu nutzen und ein oder zwei Lehramtsstudentinnen und -studenten pro Schulklasse einzusetzen, um Lehrerinnen und Lehrern zu assistieren. Denkbar sei etwa eine wöchentlich eintägige Schulpraxisassistenz für die Studierenden.

„Wie Befragungen aus meinen eigenen Erstsemestervorlesungen zeigen, möchten diese jungen, hoch motivierten Menschen überwiegend dazu beitragen, Verantwortung für Schülerinnen und Schüler und deren Entwicklung zu übernehmen. Sie möchten Schülerinnen und Schüler fördern, damit mehr Bildungsgerechtigkeit in der Gesellschaft entsteht“, berichtet Gleser. Es könne für Lehrkräfte ebenso wie für Schülerinnen und Schüler sehr gewinnbringend sein, wenn ein oder zwei Lehramtsstudierende im Unterricht assistieren. Denn Schülerinnen und Schülern könne in konkreten Verständnissituationen direkt geholfen werden. „Das zeigen Erfahrungen aus den durch Hochschullehrende begleiteten Schulpraktika“, so der Professor für Schulpädagogik.

Erforderlich für eine solche Erweiterung der lehramtsstudentischen Kompetenzen seien sowohl eine Erweiterung der Studienprogramme als auch eine Offenheit der Schulen zur Integration der Studierenden in die schulischen Unterrichtsprozesse. „Dabei müsste die Schulpraxisassistenz eng zwischen Hochschulen und Kultusbereich geregelt werden, und auch eine angemessene, für die Studierenden attraktive Vergütung wäre erforderlich“, beschreibt Gleser. Diesen Kosten stehe aber ein enormer gesellschaftlicher Nutzen einer solchen Maßnahme gegenüber.

Die Aktivierung des Potenzials der Lehramtsstudierenden für den schulischen Unterricht könne das Eis brechen und vielen tausend Schülerinnen und Schülern dabei helfen, notwendige Kulturtechniken auf einem guten Mindestniveau zu entwickeln. Mit den derzeit angewandten Lehr-Lern-Konzepten gelinge das nachgewiesenermaßen bei einem Teil der Schülerinnen und Schüler nicht. „Selbstverständlich würde eine solche Reform erhebliche Anstrengungen erfordern. Ohne ein grundlegendes Umdenken werden wir die aktuelle Bildungskrise in Deutschland aber nicht bewältigen können“, mahnt Gleser. (zab, pm)

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