
Nach Rassismusvorwürfen hat die Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu dem Fall vorgestellt. «Die persönliche Erfahrung und das Erleben des Betroffenen bestätigen wir aus seiner Sicht als real», erklärte Rektorin Bettina Erzgräber am Montag auf Anfrage. Die Untersuchungen der Senatskommission hätten jedoch «kein absichtliches rassistisch-diskriminierendes Verhalten seitens der Professorin» ergeben, hieß es. «Uns ist bewusst, dass auch Äußerungen, die nicht beabsichtigt waren, als diskriminierend wahrgenommen werden können», so die Rektorin.
Ausgelöst wurde die Debatte im Januar durch ein Schreiben des 31 Jahre alten Studierenden Andrew Moussa. Dieser gab an, von einer Professorin unter anderem wegen seiner Herkunft diskriminiert worden zu sein. «Es wurde eine Aufgabe ausgeteilt, die Professorin fragte mich, ob ich in meinem Leben schon mal gezeichnet habe», berichtete der Deutsch-Ägypter im Gespräch. «Das fand ich schon sehr übergriffig. Als ich sie darauf ansprach, sagte sie, ich hätte sie falsch verstanden. Bei einer anderen Gelegenheit behauptete sie, ich zeichne von rechts nach links, weil ich ein Araber bin. Damit war ich dann endgültig überfordert.» Er wisse von mindestens fünf anderen Burg-Studierenden, denen bei der Professorin ähnliches passiert sei.
«Die Diskussionen mit der Hochschule waren geprägt von Abwehr und nicht im Interesse der Studierenden»
Die Hochschule stehe weiterhin in engem Kontakt mit den beteiligten Parteien, hieß es. Außerdem arbeite sie fortlaufend daran, Formate zur Sensibilisierung und Prävention von Diskriminierung weiterzuentwickeln und auf den Weg zu bringen, sagte Erzgräber. So solle im April bei einer Vollversammlung und unter Beteiligung von Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden über den Umgang mit Diversität, Diskriminierung und Rassismus diskutiert werden. Zudem bestehe eine Arbeitsgruppe, die Fortbildungsprogramme entwickeln soll. Im Sommersemester seien öffentliche Veranstaltung zu der Thematik geplant.
Das Ergebnis der Untersuchungen sei nicht zufriedenstellend, sagte Moussa auf Anfrage. «Die Diskussionen mit der Hochschule waren geprägt von Abwehr und nicht im Interesse der Studierenden. Ich bin nicht optimistisch, dass sich etwas verbessert. Die Hochschule scheint handlungs- und kritikunfähig.»
Unabhängig von dem Fall: Rassistische Mikroaggressionen sind vor allem in den USA ein heißes und kontroverses Thema, besonders an Universitäten. Auf der einen Seite befinden sich die Verteidiger der Redefreiheit, auf der anderen diejenigen, die vor Diskriminierung schützen wollen. Als Mikroaggressionen gelten subtile, alltägliche Demütigungen und Herabsetzungen von Menschen. Das können verbale Äußerungen sein, aber auch Verhaltensweisen, etwa wenn Minderheiten ignoriert werden. Mikroaggressionen können absichtlich sein oder unbeabsichtigt auftreten.
Die Folgen sind für Betroffene real. «Mikroaggressionen belasten Körper und Psyche», sagt der Sozialpsychologe Prof. Andreas Zick, der das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld leitet und unter anderem die sogenannte Mitte-Studie zum Rechtsextremismus leitet, gegenüber dem Wissenschaftsmagazin «Spektrum». Das geschehe meist zwar nicht unmittelbar, aber auf lange Sicht – vor allem dann, wenn es nicht gelinge, die Erfahrungen zu bewältigen. «Wenn man die Betroffenen von der Gesellschaft ausschließt, ziehen sie sich zurück und können vereinsamen.» Häufig würden Menschen, die viel mit Mikroaggressionen zu tun haben, irgendwann hypersensibel. «Man erwartet dann regelrecht, dass man von anderen herabgewürdigt wird», erklärt Zick.
Die Kunsthochschule beschloss unterdessen, eine unabhängige Anlaufstelle für Fälle von Diskriminierung einzurichten, wie der MDR berichtet. Daneben sollen in Zukunft Arbeitsgruppen gebildet werden, in der neue Formate der Sensibilisierung geschaffen werden. Ein Austausch mit den Studierenden habe ergeben, dass «nachhaltigere Strukturen» geschaffen werden müssten, um die Sensibilisierung für Antirassismus, Antidiskriminierung und Diversität zu fördern, so Rektorin Erzgräber. Es solle eine «neue Kultur des Miteinanders» etabliert werden, sagte sie. News4teachers / mit Material der dpa