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Grundschüler demonstrieren auf dem Schulhof gegen die AfD – die (ausgerechnet!) spricht von einer “Hass- und Lügenkampagne”

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HAMBURG. Wenn es um Rechtsradikalismus geht, geriert sich die – vom Verfassungsschutz offiziell als «rechtsextremistischer Verdachtsfall» geführte – AfD als Vorkämpferin für die Meinungsfreiheit. Wenn sich Meinungen aber gegen die Partei richten, zeigt sie sich als Mimose. AfD-Abgeordnete haben in der Hamburger Bürgerschaft eine Demonstration von Grundschülern auf einem Pausenhof kritisiert. Wie aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Fraktion hervorgeht, hatten am 17. April 40 Kinder einer Hamburger Grundschule spontan auf ihrem Schulhof gegen die Rechtsaußen-Partei demonstriert. 

Im Frühjahr demonstrierten bundesweit Hunderttausende von Menschen – auch Schülerinnen und Schüler – gegen die AfD, hier am 30. Januar in Bad Kreuznach. Foto: PhotoBatta / Shutterstock

Bei der Aktion versammelten sich die Kinder demnach in der ersten großen Pause und zogen in einer Formation mit selbst gestalteten Plakaten über den sehr weitläufigen und verwinkelten Hof. Wie der Senat weiter bestätigte, zeigten die Plakate den Spruch «Ganz Hamburg hasst die AfD». Hintergrund: Im Januar waren in der Hansestadt gleich zwei Mal binnen zwei Wochen Zehntausende Menschen gegen die AfD auf die Straße gegangen, nachdem rechtsextreme «Remigrationspläne» – also das Herausdrängen von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland – bekannt geworden waren. «Ganz Hamburg hasst die AfD» war der prägende Slogan der Kundgebungen.

Als die Pausenaufsicht die Schülergruppe bemerkte, sei diese unverzüglich aufgefordert worden, sich aufzulösen, so berichtete nun die Bildungsbehörde. Der Schulleiter sei schriftlich über das Vorkommnis informiert worden.

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Anwohner der Schule hatten der AfD-Fraktion ein Video von der Aktion zugetragen. Nach Angaben der AfD skandierten die Schüler auch die Parole. «In diesem Land läuft gewaltig etwas schief, wenn 8- und 9-jährige Kinder manipuliert und zu Hass gegen eine politische Partei aufgehetzt werden», sagte der Fraktionsvize und schulpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Alexander Wolf. Er spricht im Zusammenhang mit dem Treffen in Potsdam von «Auswüchsen der wochenlangen Hetz- und Lügenkampagne gegen die AfD, die von ‚Correctiv‘ losgetreten und von einem Großteil der Medien und der etablierten Politik unkritisch, ja bereitwillig übernommen wurde.»

Hintergrund: Laut Rechercheergebnissen des Medienhauses Correctiv zu einem vertraulichen Treffen radikaler Rechter mit einzelnen Politikern von AfD, CDU und Werteunion im November in Potsdam hatte der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, nach eigenen Angaben über das Konzept der sogenannten Remigration gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Die AfD hat sich von diesen Plänen, die auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke in einem Buch vertreten hat, nie ernsthaft distanziert – im Gegenteil: «Remigration ist kein Geheimplan, sondern ein Versprechen», erklärte der Brandenburgische AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt (News4teachers berichtete). Beschwerden von Teilnehmern an dem Treffen gegen die Correctiv-Berichterstattung scheiterten weitgehend vor Gericht (hier geht es zu dem Correctiv-Artikel).

Zurück zum aktuellen Fall: Die Schulleitung wies nach Angaben des Senats das pädagogische Personal an, das Gebot der staatlichen Neutralität von Schulen im Unterricht zu thematisieren und darauf zu achten, dass sich der Vorgang nicht wiederholt. «Dem Schulleiter liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Plakate im Unterricht gestaltet worden wären und wie es zu dieser spontanen Versammlung der Schülerinnen und Schüler gekommen ist», erklärte der Senat. Der Schulaufsicht wurde der Vorfall von der Schulleitung nicht gemeldet. Die Schulbehörde habe erst durch die Anfrage der AfD-Fraktion davon erfahren, hieß es. Die Ganztagsschule im Stadtteil Altona-Altstadt wird von 512 Kindern besucht. Rund ein Drittel der Schülerschaft hat einen Migrationshintergrund – ist also von den AfD-Plänen zur «Remigration» direkt betroffen.

Die AfD-Fraktion veröffentlichte übrigens den Namen der Grundschule – wohlwissend, dass sie damit einen Shitstorm von Rechtsaußen lostreten dürfte. Einen solchen hatte unlängst auch ein Gymnasial-Schulleiter aus Mecklenburg-Vorpommern erfahren. Aufgrund zahlreicher beschimpfender und beleidigender E-Mails und sogar Drohanrufe an der Schule ermittelt dort der polizeiliche Staatsschutz, wie das dortige Landesbildungsministerium erklärte. Hetz- und Hasskampagnen in sozialen Medien, die sich gezielt gegen bestimmte Menschen richten, sind ein wesentlicher Bestandteil rechter Internet-Kampagnen und können in Gewalttaten münden.

Hintergrund des Geschehens in Mecklenburg-Vorpommern: Die Polizei war Ende Februar wegen des Verdachts an das Gymnasium in Schwerin gerufen worden, eine 16-Jährige habe möglicherweise staatsschutzrelevante Inhalte über Social-Media-Kanäle verbreitet (News4teachers berichtete). In Berichten rechtsoffener Medien war die Rede davon, dass es dabei um ein auf Social Media geteiltes Schlumpf-Video mit Bezug zur AfD gegangen sei. Später stellten die Behörden jedoch klar, der Anlass seien mehrere Screenshots von einem Social-Media-Account der Schülerin bei TikTok gewesen, die rechtsradikale Bezüge aufwiesen. Strafbar waren die Posts, wie sich dann herausstellte, aber nicht. Mit der Schülerin wurde ein Gespräch im Büro des Schulleiters geführt. Die AfD geriert sich in diesem Fall als Vorkämpferin für die Meinungsfreiheit: «Opfer ist eindeutig das Mädchen, das vorgeführt wurde von Schulleiter und Polizei», so behauptete sie im Landtag.

In Hamburg hat es die AfD mit der Meinungsfreiheit von Schülerinnen und Schülern dagegen nicht so. «Ganz offenkundig leiden bereits unsere Grundschulen an einem bedenklichen Demokratiedefizit. Wir müssen dringend gegensteuern», droht AfD-Fraktionsvize Wolf. News4teachers / mit Material der dpa

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