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“Sie wollen ja keine Professoren werden”: Lehramtsstudium wird fachlich abgespeckt

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SCHWERIN. Weniger als die Hälfte der jungen Leute, die in Mecklenburg-Vorpommern ein Lehramtsstudium beginnen, kommt auch an den Schulen im Land an. Viele bleiben auf der Strecke. Doch das soll sich ändern.

Weniger ist (manchmal) mehr. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Mit einer Reform des Lehramtsstudiums will Mecklenburg-Vorpommern die bislang hohen Abbrecherquoten senken und so den wachsenden Bedarf an Nachwuchspädagogen sichern. Die im Bundesvergleich extrem hohen fachlichen Anforderungen an den beiden Universitäten im Land seien bislang ein Hauptgrund dafür, dass überdurchschnittlich viele angehende Lehrkräfte vorzeitig das Handtuch werfen, sagte Wissenschaftsministerin Bettina Martin (SPD) in Schwerin. «Abbrecherquoten von 70 Prozent beim Regionalschullehramt und 48 Prozent bei Lehrern für das Gymnasium sind Beleg dafür, dass die derzeitige Ausbildung nicht gut genug ist.»

Deshalb sollen der fachspezifische Anteil der Lehrerausbildung auf das Maß des bundesweiten Durchschnitts reduziert, Didaktik und Pädagogik aber ausgebaut werden. Angehende Mathematik- oder Physiklehrer etwa sollen im Studium nicht mehr wie bisher zusammen mit künftigen Mathematikern oder Physiker unterrichtet werden. «Sie wollen ja keine Professoren werden, sondern brauchen das nötige Rüstzeug, um Wissen zu vermitteln und bei Schülern Kompetenzen zu entwickeln», erklärte die Ministerin.

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«Unser Ziel ist es, die Qualität der Ausbildung zu erhöhen, die Abbrecherquote spürbar zu senken und auch neue Zielgruppen für den Lehrerberuf zu erschließen»

Zudem sei es der erklärte Wunsch der Studierenden, den Praxisbezug schon während des Studiums deutlich auszuweiten. Beidem werde mit der Reform entsprochen, betonte Martin. Die Studiengänge für Lehrkräfte an Regionalschulen und an Gymnasien sollen zusammengelegt, die bislang hohe Prüfungslast reduziert werden. «Unser Ziel ist es, die Qualität der Ausbildung zu erhöhen, die Abbrecherquote spürbar zu senken und auch neue Zielgruppen für den Lehrerberuf zu erschließen», sagte Martin. Es müssen alles dafür getan werden, dass die Schülerinnen und Schüler ausreichend Lehrer haben.

Die CDU kritisierte die Pläne der rot-roten Regierung, vor allem den gemeinsamen Studiengang für alle Lehrkräfte der Sekundarstufe. «Der Einheitslehrer kommt eben doch», sagte CDU-Landtagsfraktionschef Daniel Peters. Er äußerte die Ansicht, dass der Verzicht auf eine spezielle Ausbildung von Gymnasiallehrer zwangsläufig zur Auflösung der Gymnasien führe. «Lehrkräfte sollen dorthin zwangsabgeordnet werden, wo das Bildungsministerium sie haben will. Spezialisierung war gestern. Bildung verkommt damit zum Einheitsbrei», erklärte Peters. Martin hingegen hatte sich überzeugt gezeigt, dass die gemeinsame Ausbildung Vorteile bringt und die Einsatzmöglichkeiten der Absolventen  größer werden. Andere Bundesländer würden diesen Weg bereits beschreiten.

Die notwendigen Gesetzesänderungen werden nach Angaben der Ministerin noch vor der Sommerpause im Kabinett abschließend beraten und dann im September zur Beschlussfassung dem Landtag vorgelegt. Martin bezifferte die mit der Reform verbundenen Kosten auf insgesamt 50 Millionen Euro innerhalb der kommenden fünf Jahre. Der Großteil komme vom Land, 7,5 Millionen müssten die Universitäten in Rostock und Greifswald selbst aufbringen.

Laut Martin werden zur Deckung des Lehrerbedarfs in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 etwa 2600 zusätzliche Pädagogen benötigt. Um diese Zahl zu erreichen, sollen auch weitere Wege für sogenannte Seiteneinsteiger geöffnet werden. Derzeit würden etwa 1000 junge Leute pro Jahr in Mecklenburg-Vorpommern ein Lehramtsstudium beginnen, gut 500 erreichten das Staatsexamen, 400 davon nähmen ihre Tätigkeit an einer Schule im Land auf.

Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) hatte bereits für den Beginn des Schuljahres 2024/25 Verbesserungen im Referendariat und bei der Qualifizierung von sogenannten Seiteneinsteigern angekündigt. Da ganz Deutschland unter Lehrermangel leide, versuche Mecklenburg-Vorpommern, im Vorgriff auf die große Reform des Lehrerbildungsgesetzes im Land den Beruf attraktiver zu machen. «Wir hoffen auf eine schnelle Wirkung. Denn wir brauchen die Lehrer jetzt», betonte die Ministerin.

So können Praxiseinsätze während des Lehramtsstudiums auf das 18-monatige Referendariat angerechnet werden, das sich dann auf zwölf Monate verkürzen kann. Zudem sollen die Betreuung durch erfahrene Pädagogen verbessert und der Prüfungsaufwand reduziert werden.

Früheren Angaben zufolge scheiden in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 etwa 7000 der rund 12.600 Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen altersbedingt aus dem Dienst aus. Somit sind jährlich etwa 1000 Neueinstellungen erforderlich, um das Ausscheiden zu kompensieren und Zusatzbedarfe zu decken. Weil dies allein mit Lehramtsabsolventen nicht zu schaffen sei, sollen vermehrt auch Seiteneinsteiger in den Schuldienst übernommen und berufsbegleitend qualifiziert werden. Nach Angaben Oldenburgs wurden in den Jahren 2022 und 2023 in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 1900 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt, 700 davon als Lehrkräfte im Seiteneinstieg. News4teachers / mit Material der dpa

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