„Für Millionen von Euch ist die Europawahl die erste Wahl in Eurem Leben. Für viele von uns könnte es die Letzte sein“, mit diesen Worten beginnt der offene Brief der Holocaustüberlebenden und Weltkriegszeugen, der auf der Kampagnenplattform Avaaz veröffentlicht wurde. Unterschrieben hat ihn auch Eva Umlauf, die als Zweijährige Auschwitz überlebt hat. Mit ihren 81 Jahren ist sie die Jüngste der zehn Erstunterzeichnenden des Schreibens; die anderen sind 88 Jahre und älter.
Gemeinsam mit ihren Mitstreiter*innen will Umlauf an die Schrecken des Nationalsozialismus erinnern – und an die Anfänge, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. „Die Rechten sind damals nicht durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen, sondern auf demokratischem Wege. Zu viele haben sie unterschätzt, sie nicht ernst genommen“, heißt es mahnend in dem Schreiben. Und: „Sie versprachen, dieses Land wieder groß zu machen. Sie versprachen, dass die Deutschen zuerst kämen. Und sie fanden Schuldige für alles, was nicht funktionierte: Die Juden, die Sinti und Roma, die Homosexuellen, die Menschen mit Behinderungen, die engagierten Demokraten. Schritt für Schritt wurden Millionen Menschen ihre Rechte entzogen, bis zu ihrem Recht auf Leben.“ In ihrem Brief appellieren Umlauf und die anderen Zeitzeugen daher an die Erstwähler*innen: „Gebt der Demokratie eine Chance. Geht wählen. Zeigen wir gemeinsam, dass ‚Nie wieder‘ nicht nur eine Phrase ist, sondern ein Versprechen. Ein Versprechen das auch heute gilt. Und morgen. Und für immer.“
Jugendstudie: Demokratie besitzt hohen Stellenwert
Die Chance, dass die jungen Wähler*innen dem Zeitzeugen-Aufruf nachkommen, scheint gut zu stehen. Das lässt zumindest die aktuelle Studie „Junges Europa 2024“ der TUI Stiftung vermuten, für die das Meinungsforschungsinstitut YouGov vom 6. bis zum 19. März 2024 fast 6.000 Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen befragt hat. Demnach besitzt die Demokratie auch bei vielen jungen Menschen einen hohen Stellenwert. 58 Prozent aller Befragten gaben an, dass es ihnen nicht egal ist, ob sie in einem Land leben, in der die Regierungsform demokratisch ist oder nicht. In Deutschland waren es 63 Prozent.
Gleichzeitig scheint unter ihnen auch bereits ein Bewusst zu bestehen, wie fragil die Demokratie sein kann. Rund zwei von fünf Befragten stimmten der Aussage eher oder voll und ganz zu, dass die Demokratie in ihrem Land gefährdet ist (42 Prozent). Knapp jeder zweite beobachte im eigenen Land vermehrt demokratiefeindliches Verhalten (49 Prozent). In Deutschland gaben dies 55 Prozent der Befragten an, überdurchschnittlich viele antworteten zudem, dass sie die Demokratie hierzulande als gefährdet ansehen (48 Prozent).
Positiv stimmt vor diesem Hintergrund allerdings, dass unter den jungen Befragten Wahlen zu den Top-3 der wirkungsvollsten Maßnahmen zählen, um politisch Einfluss zu nehmen. Etwas mehr als zwei Drittel sieht sie als effektives Mittel, Dinge zu verändern (68 Prozent). In Deutschland sind es 75 Prozent. Wählen zu gehen beschreiben drei Viertel der jungen Europäer*innen sogar als Bürgerpflicht. Entsprechend viele wollen ihre Stimme auch bei der anstehenden Europawahl abgeben beziehungsweise würden sich beteiligen, wenn sie zum Wahltermin bereits wahlberechtigt wären. News4teachers
Gegen einen möglichen Rechtsruck: Wie ein Europaaktivist um Erstwähler kämpft
