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Umfrage zur Demokratie: Viele Bürgerinnen und Bürger (vor allem jüngere) stellen hohe Erwartungen an Kita und Schule

ERFURT. Die Demokratie in Deutschland stößt auf Unzufriedenheit – auch unter jungen Menschen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor. Sie zeigt auch: Die Verantwortung, dass Menschen demokratische Werte erlernen, sehen die meisten beim Bildungssystem.

Besonders jüngere Menschen sehen Demokratiebildung als Aufgabe des Bildungssystems. Symbolfoto: Shutterstock

Nicht einmal die Hälfte der Menschen zwischen 16 und 65 Jahren in Deutschland sind sehr oder zumindest eher zufrieden mit der hiesigen Demokratie (47,9 Prozent). Trotzdem ist der Erhalt dieser Staatsform der großen Mehrheit sehr wichtig oder eher wichtig (92,5 Prozent). Darauf verweist eine aktuelle Umfrage, durchgeführt von Mitte bis Ende Mai, zum Thema „Demokratie und Bildung“ der Internationalen Hochschule (IU).

Über die Vorteile, die die Demokratie mit sich bringt, herrscht der Erhebung zufolge überwiegend Einigkeit: Am häufigsten nannten die 1.213 Befragten die Förderung von Menschenrechten (87 Prozent), gefolgt von der Möglichkeit zur Mitbestimmung (85,7 Prozent), der Gewährleistung von Meinungs- und Pressefreiheit (85,1 Prozent), dem Ausbau des Friedens (82,7 Prozent) und der Anerkennung politischer Meinungsvielfalt (79 Prozent). Abnehmendes Vertrauen in die Politik gehört aus ihrer Sicht zu den zentralen Herausforderungen in einer Demokratie (83,5 Prozent).

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Bildung als Schlüssel?

Bei der Frage danach, wer hauptverantwortlich für die Vermittlung demokratischer Werte ist, nennt ein Großteil der Befragten das Bildungssystem (59 Prozent). Dabei zeigt sich allerdings ein Unterschied zwischen den Generationen: Während die Babyboomer das Elternhaus häufiger in der Hauptverantwortung sehen (57,9 Prozent), sind es für die Generation Z das Bildungssystem (60,8 Prozent) und die Medien (51,5 Prozent).

„Junge Menschen sind zufriedener mit der Demokratie, sofern sie in Bildungskontexten häufiger Demokratieerfahrungen und damit ihre eigene Wirksamkeit erleben, auch wenn es nicht direkt um große Politik geht“, sagt IU-Professorin Stefanie Kessler. Diese direkten Beteiligungsmöglichkeiten habe es bei der älteren Generation oft nicht gegeben. Im Vergleich zum allgemeinen Durchschnitt stehen die jüngeren Befragten der Demokratie in Deutschland tatsächlich häufiger positiv gegenüber: 54,6 Prozent der 16- bis 25-Jährigen äußerten ihre Zufriedenheit.

Wie genau das Bildungssystem jedoch Einfluss nehmen kann, sei eine zentrale Frage, so Kessler. Es reiche nicht aus, lediglich Fächer wie Politikunterricht, Gesellschafts- oder Sozialkunde anzubieten. „Bildungseinrichtungen müssen selbst als Erfahrungsräume gestaltet sein, die demokratische Erfahrungen und Selbstwirksamkeit unterstützen, ermöglichen und erlebbar machen“, sagt die Expertin für Demokratie-Lernen und politische Bildung. Diese Auffassung vertreten auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen, der Landesschülerrat sowie der Landeselternrat.

Mehr Demokratiebildung gefordert

In einem gemeinsamen Wahlaufruf anlässlich der im September anstehenden Landtagswahl in Sachsen appellieren die Vertretungen nicht nur an die Wahlberechtigten, ihre „Stimme für gute Bildung, Vielfalt und Demokratie abzugeben“, sondern auch „Extremismus, Rassismus, Ausgrenzung und dem Verlassen des demokratischen Diskurses in Bildungseinrichtungen entgegenzutreten und sich für eine diverse, starke und demokratiefördernde Bildung einzusetzen“.

Von der Landespolitik fordern sie zudem etwa eine Stärkung der Demokratiebildung, zum Beispiel durch politische Bildung als Querschnittsthema: „Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung und die Einbeziehung ihrer Position bei Entscheidungen. Sie haben das Recht auf Informationsfreiheit, die freie Entfaltung und die gesellschaftliche Teilhabe. Eine demokratiefördernde Bildung wendet diese Grundsätze täglich an, reflektiert sie durch den Einbezug aktueller politischer Themen sowie historischer Ereignisse und fördert damit altersgerecht die Mündigkeit.“ Gleichzeitig dürfe Bildung „nicht zentralistisch top-down sein“. Stattdessen müsse die Mitwirkung von Eltern, Schüler:innen und Beschäftigten „gestärkt und ausgebaut werden“.

Demokratie, so die Vertretungen, müsse „gelernt und eingeübt werden“. Dabei sei Bildung eine existenzielle Notwendigkeit für eine funktionierende Demokratie. Diese Auffassung findet sich auch in der IU-Umfrage wieder: Demnach sehen 79 Prozent der Befragten in fehlender Bildung eine potenzielle Bedrohung für die Demokratie. Mehr als vier von fünf Menschen in Deutschland sind darüber hinaus der Überzeugung, dass Bildung helfen kann, bei Wahlen informierte Entscheidungen zu treffen. Bildung allein ist allerdings aus Sicht der Mehrheit noch lange keine Garantie für eine funktionierende Demokratie (66,6 Prozent).

„Informierte Entscheidungen bei Wahlen zu treffen, setzt voraus, dass Menschen in der Lage sind, politische Urteile zu fällen“, sagt Professorin Kessler. Bildung sollte daher eine ganzheitliche Position einnehmen. „Das bedeutet, nicht nur Wissen über Politik und das politische System zu vermitteln, sondern auch praktische Erfahrungen zur Beteiligung zu ermöglichen, um demokratische Werte zu stärken.“

Entwicklungspotenziale

Empfehlungen, wie die Politik das Bildungssystem verändern könnte, um Kindern und Jugendlichen die demokratischen Spielregeln besser zu vermitteln, legte erst kürzlich die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) vor, das Beratergremium der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK; News4teachers berichtete). Das 76-seitige Papier der Bildungswissenschaftler:innen umfasst insgesamt sieben Maßnahmen:

„Schule“, so fasste es Felicitas Thiel, Co-Vorsitzende der SWK und Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der FU Berlin, zusammen, „hat einen besonderen Auftrag für Demokratiebildung, denn sie ist die einzige Institution, die alle Kinder und Jugendlichen erreicht.“ News4teachers

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