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Zerschlagen Eltern ein funktionierendes Schulsystem? Initiative will Volksbegehren für Rückkehr zum G9-Abitur

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HAMBURG. In Hamburg haben Schüler an Stadtteilschulen die Möglichkeit, in neun Jahren Abitur zu machen. Einer Elterninitiative reicht das aber nicht – sie will, dass G9 bald auch wieder an Gymnasien möglich ist. Ein Volksbegehren startet bald. Wird damit ein Schulsystem, das sich in 15 Jahren ruhiger, pragmatischer Arbeit nach oben gekämpft hat, zerschlagen?

Schmeckt nicht. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

«Von Hamburg lernen…“, so titelte unlängst die GEW Baden-Württemberg (als Antwort auf die Frage, wie das Ländle in der Bildung wieder erfolgreich werden könne). Kein Wunder: Die Hansestadt hat sich in Leistungsvergleichen stetig nach oben gearbeitet. Laut IQB-Studie hat sich kein anderes Bundesland im Ranking in den vergangenen 14 Jahren so stark verbessert wie die Hansestadt. Zuletzt festgestellte Leistungseinbrüche fielen in Hamburg noch am wenigsten schlimm aus. Auch unter den Kultusministerinnen und Kultusministern gilt die Stadt mittlerweile als schulpolitisches Vorbild – eine Rolle, die im vergangenen Jahr das gute Abschneiden im Bildungsmonitor (Dynamikranking: Platz zwei hinter dem Saarland) bestätigt wurde.

Ein Geheimnis des Erfolgs: der Hamburger «Schulfrieden», der 2010 zwischen SPD, Grünen und der CDU geschlossen und 2019 verlängert wurde. Die Rahmenvereinbarung sieht vor, dass an der bestehenden Struktur aus Grundschule, Stadtteilschule und Gymnasium bis 2025 nichts verändert wird – unabhängig davon, wer künftig die Regierung stellt. Die Folge: Es gibt keine fruchtlosen Schulstruktur-Debatten mehr – und die Bildungspolitik kann sich pragmatisch darauf konzentrieren, die konkreten Probleme anzugehen.

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Das könnte sich bald ändern. Ein Volksbegehren zur Rückkehr der Gymnasien zum Abitur nach neun Jahren soll am 10. September starten. Damit es erfolgreich ist, werden die Stimmen von mindestens einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Hamburgerinnen und Hamburger gebraucht. Nach Angaben der Elterninitiative G9 Hamburg wären das knapp 66.000 Stimmen. Ziel sei ein bindender Volksentscheid, der am Tag der Wahl zur Bürgerschaft oder zum Deutschen Bundestag stattfinden könnte, sagte Sammar Rath, eine Sprecherin der Initiative.

Wiedereinführung zum nächstmöglichen Zeitpunkt

Drei Wochen haben die Initiatoren Zeit, um auf Listen genügend Unterschriften von Hamburgerinnen und Hamburgern ab 16 Jahren zu sammeln. Dokumente zur Briefwahl können bereits ab 20. August abgerufen werden. Die Elterninitiative möchte an den Hamburger Gymnasien zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder das Abitur nach neun Jahren einführen.

Warum denn überhaupt? «Gute Bildung braucht Zeit», heißt es vonseiten der Initiative. «Hamburg ist eines der letzten alten Bundesländer, das an der (…) G8-Reform festhält – alle anderen Bundesländer haben nach anhaltender Kritik an G8 diese Umstellung teilweise oder ganz wieder zurückgenommen.» Es sei keine Chancengleichheit, wenn Hamburger Gymnasiasten bereits nach zwölf Jahren ihr Abitur schreiben müssten und Gymnasiasten in anderen Bundesländern erst nach 13 Jahren.

Viele Eltern sind unglücklich – sagen die Initiatoren

Hamburg hat das achtstufige Gymnasium im Schuljahr 2002/2003 eingeführt, 2010 war dann das Jahr des Doppelabiturs. Zudem gingen die Stadtteilschulen als Ersatz der Haupt- und Realschulen an den Start. In ihnen kann seither das Abitur nach neun Jahren abgelegt werden. Der Hamburger Senat ignoriere einfach, dass viele Eltern mit dieser Wahl nur zwischen diesen beiden Möglichkeiten unglücklich seien, betont Rath. Warum Eltern, die G9 favorisieren, ihr Kind denn nicht auf einer Stadtteilschule anmelden möchten – bleibt offen.

Auf der Homepage der Initiative heißt es dazu lediglich: «Die Hamburger Stadtteilschulen, die in 9 Jahren zum Abitur führen, zeichnen sich durch ein anderes Bildungskonzept als Gymnasien aus: Aufgrund kleinerer Klassengrößen und eines höheren Personalschlüssels können Schülerinnen und Schüler hier in einem heterogenen Lernumfeld intensiver lernen, gezielt gefördert werden und ihr Wissen festigen. Auch die Durchlässigkeit zu allen Abschlüssen ist hier hervorzuheben, es droht kein Verlust des sozialen Umfeldes durch Abschulung.» Der Verdacht liegt nahe, dass es schlicht sozialer Dünkel ist, die die Eltern zum Gymnasium treibt.

Es gab bereits eine Volksinitiative mit dem vollständigen Namen «G9 Hamburg – mehr Zeit zum Lernen!». Die Mindestanzahl von 10.000 gültigen Unterschriften kam zusammen, wie die Innenbehörde im Januar mitgeteilt hatte. Nach Angaben eines Sprechers der Bürgerschaft erhielten die Initiatoren im Februar Gelegenheit, ihr Anliegen im Schulausschuss vorzutragen.

Letzter Schritt: bindender Volksentscheid

Nun will die Initiative mit dem Volksbegehren den nächsten Schritt gehen. Sollten dabei die notwendigen Unterschriften erreicht werden und die Bürgerschaft den Wünschen der Initiative nicht folgen, kann sie in einem letzten Schritt einen bindenden Volksentscheid anstreben. Es ist bereits der zweite Anlauf für eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren: 2014 war die Initiative «G9-Jetzt-HH» jedoch beim Volksbegehren gescheitert. Statt der damals notwendigen 63.000 Unterschriften waren nur etwa 45.000 zusammengekommen. News4teachers / mit Material der dpa

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