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Gegen zunehmenden Lehrkräftemangel: Verstärkt Migranten, Menschen mit Behinderungen und Männer rekrutieren!

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BERLIN. In Deutschland herrscht in allen Bildungsbereichen ein Mangel an Fachkräften, der sich in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter verschärfen wird. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Leibniz-Forschungsnetzwerk Bildungspotenziale (LERN) haben nun in einem Positionspapier konkrete Vorschläge erarbeitet, um dieser Problemlage entgegenzuwirken – in den Bereichen der frühen Bildung, der Schule, der Erwachsenen- und Weiterbildung sowie in Bezug auf das Thema Diversität.

Auf der Jagd… (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

„Wenn wir dem Fachkräftemangel in weiten Teilen des Bildungssystems begegnen wollen, reicht die langfristig angelegte Neuqualifizierung von Personal alleine nicht aus. Wir brauchen kreative Lösungen, um jetzt und unmittelbar auf die Entwicklung reagieren zu können“, so die Autorinnen und Autoren des Positionspapiers. Die Forschenden unterstreichen die Dringlichkeit dieses Anliegens: „Eine anhaltende Unterbesetzung im Bildungswesen erfolgt auf Kosten aller Lehrenden und Lernenden. Zum einen erhöht sie den Druck auf die bestehenden Beschäftigten und verschlechtert deren Arbeitsbedingungen. Zum anderen sinkt die Qualität der Bildungsangebote und damit die Gesamtqualifizierung der Bevölkerung. Insgesamt verschlechtern sich die Chancen durch Bildung.“

In dem Positionspapier stellen die Expert*innen des LERN-Forschungsnetzwerks unterschiedliche Vorschläge vor. Im Bereich der frühen Bildung sehen sie beispielsweise Potenzial für multiprofessionelle Teams, ältere Menschen vermehrt für Aufgaben in den Kitas zu gewinnen und Betreuungsumfänge, die von Kindern nicht genutzt werden, umzuverteilen.

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„Um den Aufgaben von Schulen gerecht zu werden, braucht es gut qualifizierte und multiprofessionelle Teams“

Für die Schule fordern sie unter anderem einen digital ganzheitlich weiterentwickelten Unterricht, der das Lehren und Lernen klug unterstützt, verstärkte professionsübergreifende Kooperationen und eine Entlastung der Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben. „Fachkräftemangel an Schulen ist zu einem langfristigen Merkmal von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen geworden und betrifft mehr als nur das Lehrpersonal“, so heißt es wörtlich in dem Papier. „Um den Aufgaben von Schulen gerecht zu werden, braucht es gut qualifizierte und multiprofessionelle Teams, die vernetzt, kooperativ und mit den Möglichkeiten der digitalen Transformation arbeiten.“

Beschäftigungsreserven sollten vor allem bei qualifizierten Lehrkräften erschlossen werden, so fordern die Autorinnen und Autoren. „Dabei gilt es beispielsweise, Lehrkräfte im oder kurz vor dem Ruhestand zu gewinnen, die Anerkennung von Lehrkräften mit ausländischen Abschlüssen zu erleichtern oder auch auf ein zweites Unterrichtsfach zu verzichten.“ Durch die Entlastung der Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben oder den Abbau von Überlastungserleben durch fachliche Unterstützung und begleitende Gesundheitsförderung könne die Attraktivität des Lehrerberufs gesteigert werden. „Dabei geht es auch um Unterstützungsleistungen durch Studierende und andere, formal nicht (vollständig) qualifizierte Personen für ausgewählte Aufgaben.“ Last but not least: „Studienanfängerzahlen sollten über den prognostizierten Bedarf hinaus geplant werden und das Personal dem System auch zur Verfügung stehen.“

Wie sieht es mit der personell möglicherweise entlastenden Wirkung der zunehmenden Digitalisierung aus? Hier zeigen sich die Autorinnen und Autoren offensichtlich skeptisch, dass hier schnell Ressourcen zu gewinnen sind. „Statt den Unterricht durch die Anwendung einzelner Tools zu digitalisieren, sollte er unter den Bedingungen einer digitalen Welt neu gedacht werden. Das bezieht sich u.a. auf Formen der Unterrichtsgestaltung, der kognitiven Aktivierung oder der Kompetenzvermittlung und -überprüfung. Im Zuge dieser Transformation ist auch die Rolle der Lehrkraft und des Personals an Schulen insgesamt weiterzuentwickeln“, so heißt es dazu lediglich – klingt nicht nach kurzfristig wirksamen Lösungen.

Im Weiterbildungsbereich betonen sie die Dringlichkeit, die Beschäftigungsbedingungen von Lehrkräften – was Bezahlung und Sicherheit angeht – zu verbessern. Das gelte vor allem für Bildungsbereiche von besonderem öffentlichem Interesse wie der sprachlichen Grundbildung von Zugewanderten. Zudem brauche es neue, übergreifende Strategien und Strukturen zur Rekrutierung und Fortbildung des Personals.

„Während der Ausbildung kann eine besondere Unterstützung für Personen aus unterrepräsentierten Gruppen helfen, Studiums- oder Ausbildungsabbrüche zu vermeiden”

In Bezug auf das Thema Diversität sehen die Forschenden einen von den Bildungsabschnitten unabhängigen Weg, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. So sei es vielversprechend, „vermehrt Personen aus bisher unterrepräsentierten Gruppen zu gewinnen und in der Berufsausübung verstärkt zu unterstützen“ – konkret: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Menschen mit Behinderung und (besonders in der frühen Bildung und im Grundschulbereich) Männer.

„Unterstützt werden sollten Initiativen zur Rekrutierung von Personen aus unterrepräsentierten Gruppen in die jeweiligen Ausbildungen oder in den Beruf. Während die Wirksamkeit von gezielten Anwerbemaßnahmen empirisch ungeklärt ist, erscheinen Maßnahmen zur Verringerung von Zugangsbarrieren durch etwa eine kultursensible Berufsberatung auf verschiedenen Sprachen und eine Erleichterung der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen als hilfreich“, so heißt es. „Während der Ausbildung kann eine besondere Unterstützung für Personen aus unterrepräsentierten Gruppen helfen, Studiums- oder Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Ein besonders relevanter Faktor ist die oft gering erlebte soziale Integration.“

Empfohlen werden auch Maßnahmen, um den Verbleib von Angehörigen unterrepräsentierter Gruppen im Bildungssystem zu sichern. „Eine diversitätssensible Organisationskultur und vor allem eine insgesamt diversere Zusammensetzung des Fachpersonals können hier unterstützend wirken.“

Im Leibniz-Forschungsnetzwerk Bildungspotenziale (Leibniz Educational Research Network, LERN) haben sich Wissenschaftler*innen aus Erziehungswissenschaft, Fachdidaktiken, Linguistik, Kultur-, Medien- und Neurowissenschaften, Ökonomie, Politikwissenschaft, Psychologie, Soziologie, Sprachwissenschaft sowie Informationswissenschaft und Informatik an 27 Einrichtungen zusammengeschlossen, um ihre Expertise zu bündeln und Entscheidungsträger in der Bildungsadministration zu beraten. Gemeinsam arbeiten sie daran, wie die Potenziale von Bildung und für Bildung besser nutzbar gemacht werden können. Ziel ist es, auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene Ansatzpunkte für tragfähige Konzepte und erfolgversprechende Reformen zu finden. News4teachers

Hier geht es zum vollständigen Positionspapier.

Kultusministerium lässt Verträge von pädagogischen Mitarbeitern auslaufen (trotz Lehrermangels)

 

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