HAMBURG. An Schulen kommt es immer wieder zu unschönen Szenen. Gefährliche Körperverletzung, Raub und Erpressung, Sexualdelikte werden angezeigt. Im vergangenen Schuljahr mehr als im Jahr zuvor, in Hamburg jedenfalls. Die CDU in der Hansestadt fordert, eine „ehrliche Debatte“ darüber zu führen, ob die Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre vorverlegt werden sollte. Die GEW fordert eine genauere Erfassung von Gewaltvorfällen – und mehr Schulsozialarbeit.
Ob Erpressung, Raub, gefährliche Körperverletzung oder sexuelle Übergriffe – auch an Hamburgs Schulen werden solche Fälle gemeldet und die Zahl der Gewalttaten hat im Vergleich zum Vorjahr erneut zugenommen. 219 gewaltsame Vorfälle sind im Schuljahr 2023/2024 gemeldet worden, wie aus einer Antwort des Hamburger Senats auf eine kleine schriftliche Anfrage der CDU hervorgeht. Im Schuljahr zuvor waren es 18 weniger.
Verglichen mit den Schülerzahlen liegen die Zahlen der Vorfälle allerdings nach wie vor auf einem niedrigen Niveau. In Hamburg besuchen 246.000 Schülerinnen und Schüler die staatlichen Schulen in Hamburg, es gibt 27.000 Mitarbeitende. Die meisten Vorfälle wurden in Schulen der Bezirke Mitte und Wandsbek gemeldet. Dort gehen allerdings auch die meisten Kinder auf die Schulen. Straftaten gegen das Leben wurden an keiner Schule gemeldet.
„Bereits an Grundschulen kommt es zu gefährlichen Körperverletzungen und Sexualdelikten“
Die Zahl der Opfer ist deutlich höher. So seien 332 Personen als Geschädigte (Vorjahr: 261) erfasst worden, darunter vor allem Schüler (179) und Schülerinnen (128). Zudem wurden 15 weibliche und zehn männliche Beschäftigte aus dem Schulpersonal als Opfer aufgeführt. Bei allen ging es um den Verdacht der gefährlichen Körperverletzung.
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft, Dennis Thering, bezeichnete diese Entwicklung als besorgniserregend. „Die Tatverdächtigen werden dabei immer jünger. Bereits an Grundschulen kommt es zu gefährlichen Körperverletzungen und Sexualdelikten. Auch sind die Geschädigten immer häufiger weiblich.“ Die bisherigen Maßnahmen und Konzepte würden offensichtlich nicht greifen. Es brauche schnelle Konsequenzen bei Straftaten, forderte Thering. Zudem sei eine ehrliche Debatte über die Absenkung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre notwendig.
Die GEW erwartet von der Schulbehörde, dass sie die Lehrkräfte nicht allein lässt, sondern Belastungen wahrnimmt und mit Präventions- sowie Schutzmaßnahmen reagiert. „Die Tatsache, dass die Zahl der Gewaltvorfälle an Schulen zugenommen hat, unterstreicht die hohe Bedeutung von Präventions- und Schutzmaßnahmen. Erschreckend ist die hohe Zahl der registrierten Gewaltvorfälle bereits in der Grundschule. Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Landesvorsitzender Sven Quiring.
„Schulsozialarbeit muss dringend, wie von der GEW seit langem gefordert, flächendeckend vor Ort in den Grundschulen tätig sein, um Gewaltvorfälle präventiv zu verhindern bzw. systematisch pädagogisch aufzuarbeiten. Deshalb dürfen pädagogische Fachkräfte auch nur als allerletztes Mittel als ‚Vertretungskräfte‘ für den Unterricht fremd eingesetzt werden.“ Hintergrund: Die GEW hatte unlängst kritisiert, dass die Schulbehörde den Einsatz von pädagogischen und therapeutischen Fachkräften als Vertretungslehrkräfte statistisch nicht mehr erfassen will – womit der Praxis Tür und Tor geöffnet werde.
„Die Strategie, Gewalt gegen Beschäftigte nur dann zu erfassen, wenn es zur Anzeige kommt, verharmlost und vernachlässigt die alltäglich belastenden Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffe“
Andererseits, so Quiring, werde anhand der aktuellen Zahlen auch deutlich, dass sich allein die polizeilich gemeldeten Übergriffe gegen Beschäftigte seit 2018 mehr als verdoppelt haben. Dabei sei von einer beachtenswerten Dunkelziffer stark belastender Situationen auszugehen.
„Die Strategie, Gewalt gegen Beschäftigte anders als in anderen Hamburger Behörden nur dann zu erfassen, wenn es zur Anzeige kommt, verharmlost und vernachlässigt die alltäglich belastenden Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffe. Ein klares Zeichen wäre es für die Beschäftigten an Schule, wenn diese den gleichen Schutzanspruch wie Beschäftigte anderer Behörden hätten. Aktuell wird durch die Haltung der Behörde zum Arbeits- und Gesundheitsschutz eher der Eindruck erweckt, an den Schulen seien Beschäftigte 2.Klasse tätig! Durch eine separate Gefährdungsanalyse an den Schulen könnten diese gewaltförmigen Belastungen aufgedeckt werden“, so Yvonne Heimbüchel, Vize-Vorsitzende der GEW Hamburg.
Haltung gegen Gewalt und für die Beschäftigten zeige die Schulbehörde nicht, „indem sie die Augen verschließt“. News4teachers / mit Material der dpa