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Realschulen am Ende? VDR startet Volksantrag, um Schulform (mit verbindlicher Grundschul-Empfehlung) zu retten

STUTTGART. Gymnasium und dann der ganze Rest? Die Realschulen fürchten, in einem Schulsystem aus zwei Säulen unterzugehen. Das mittlere Leistungsniveau müsse erhalten bleiben.

Goldene Mitte? Illustration: Shutterstock

Der Verband der Realschullehrer pocht auf den Erhalt des mehrgliedrigen Schulsystems – und startet in Baden-Württemberg einen Volksantrag für die Einführung einer verbindlichen Grundschulempfehlung für die Realschulen. Die Empfehlung soll demnach nach den gleichen Regeln funktionieren wie die geplante verbindlichere Empfehlung für die Gymnasien: Sind sich Eltern und Grundschule nicht einig, soll ein Potenzialtest über den weiteren Werdegang des Kindes entscheiden. Ab dem 25. November soll die Sammlung von Unterschriften beginnen.

Der Realschullehrerverband VDR fürchtet den Untergang der eigenen Schulform bei Entstehen eines Zweisäulensystems in der Bildung. Eltern würden dann alles daransetzen, ihr Kind aufs Gymnasium zu bringen. Landesvorsitzende Karin Broszat sprach von einer «radikalen Zweiteilung» und einer Spaltung der akademischen und beruflichen Bildung. Mit den Realschulen und Werkrealschulen würden auch Mittelstand und Wohlstand im Land verschwinden. Wenn es nur eine einzige Säule neben dem Gymnasium gäbe, würde nicht mehr nach den Leistungsmöglichkeiten der Kinder unterschieden.

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In die gleiche Kerbe schlägt der VDR-Bundesvorsitzende Ralf Neugschwender. «Wir werden es nicht akzeptieren, dass die erfolgreiche Schulart Realschule durch eine Reform von oben
herab abgewertet und in ein zweigliedriges Schulsystem gezwungen wird”, sagt er. Mit dem Volksantrag hätten die Bürgerinnen und Bürger nun die Chance, der Landesregierung ein klares Stopp-Signal zu senden und die Degradierung der Realschule zu verhindern. Die Realschule sei seit Jahrzehnten eine anerkannte und geschätzte Schulform mit enger Bindung zur regionalen Wirtschaft. «Ein differenziertes Schulsystem bietet die besten Möglichkeiten, um Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und sie optimal auf Gesellschaft und Beruf vorzubereiten», betont Neugschwender.

Landesregierung plant Schulreformen

Die grün-schwarze Landesregierung hat mehrere Schulreformen auf den Weg gebracht, die der Landtag noch beschließen muss – darunter die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, die Einführung einer verbindlichen Sprachförderung und die Schaffung einer verbindlicheren Grundschulempfehlung für Gymnasien. Die Empfehlung soll künftig aus drei Komponenten bestehen: Lehrerempfehlung, Leistungstest und Elternwunsch. Stimmen zwei davon überein, soll das den Ausschlag geben.

Der Realschullehrerverband muss nun knapp 40.000 Unterschriften von Unterstützern in Baden-Württemberg sammeln. Lehnt der Landtag den Volksantrag ab, können die Initiatoren ein Volksbegehren beantragen. Im Erfolgsfall würde dann eine Volksabstimmung durchgeführt.

Handwerk dafür, Eltern dagegen

Die FDP im Landtag und der Philologenverband unterstützen die Forderung. Der Philologenverband sprach von «ideologischer Gleichmacherei» sowie einer «dramatischen Überforderungssituationen bei Kindern, die entgegen der Empfehlung an einer Schule angemeldet wurden, deren Niveau für sie nicht passt».

Auch das Handwerk Baden-Württemberg stellt sich hinter den Realschullehrerverband. «Die Fokussierung auf das Gymnasium führt zu einer klaren Abwertung der Sekundarschulen», sagte Rainer Reichhold, Präsident von Handwerk BW. Das Handwerk brauche qualifizierte Schulabgänger aus allen Schulformen, um den dringend benötigten Fachkräftenachwuchs zu sichern.

Ganz anders sieht das der Landeselternbeirat. Man sei gegen eine verbindliche Grundschulempfehlung – «gleich, an welcher Schulart», teilte LEB-Vorsitzender Sebastian Kölsch mit. «Grundsätzlich betonen wir die Notwendigkeit von Information und Aufklärung der Eltern unserer Viertklass-Kinder. Diese durch vorgegebene Schülerstromlenkung zu ersetzen, kann nicht im Sinne des kooperativen Bildungs- und Erziehungsauftrags von Schulen und Elternhäusern sein.»

Ministerium verspricht Stärkung der Realschulen

Das Kultusministerium betonte, dass die Realschulen im Land mit Blick auf ihr besonderes Profil gestärkt würden. Aber da Realschulen auch einen zum Hauptschulabschluss führenden Bildungsgang anbieten würden, sei eine verbindliche Grundschulempfehlung nicht notwendig. Zudem könnten die Realschulen selbst nach der Orientierungsstufe eine Differenzierung nach dem passenden Lernniveau der Kinder und Jugendlichen vornehmen.

Man sei etwas ratlos angesichts der «Aufregung» des Realschullehrerverbands, so ein Sprecher. Die Realschule sei beliebt, 33 Prozent der Schülerinnen und Schüler besuchten nach der Grundschule die Realschule. Damit sei die Realschule die Schulart, die nach dem Gymnasium am häufigsten besucht werde. News4teachers / mit Material der dpa

Umfragen: Gros der (Sek-I-)Lehrkräfte für verbindliche Grundschulempfehlung

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