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Studie: Mehrzahl der Lehrkräfte ist – aufgrund von Überlastung – höherem Gesundheitsrisiko ausgesetzt

BERLIN. Bis zu zwei Drittel der Lehrkräfte sind auf Grund ihrer Arbeit einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Besonders stark betroffen sind Lehrkräfte in Grundschulen und Grundstufen. Das sind Ergebnisse einer neuen Studie der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen, bei der 2.744 Berliner Lehrkräfte befragt wurden und die heute gemeinsam mit der GEW vorgestellt wurde.

Zeitdruck, Überstunden, große Klassen: Der Druck im Lehrberuf ist groß (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

„Die aktuelle Sonderauswertung zu den Arbeits- und Gesundheitsbedingungen von Lehrkräften in Berlin fordert zum Handeln auf. Die Ergebnisse verdeutlichen nicht nur den hohen Belastungsgrad im Vergleich zu anderen Berufen, sondern zeigen auch ein höheres Risiko im Vergleich zu früheren Erhebungen in anderen Bundesländern“, erklärt Frank Mußmann, Leiter der Studie, bei der Vorstellung. „Die Analyse zeigt, dass die Arbeitsbedingungen maßgeblich zu den Gesundheitsrisiken beitragen. Hoher Zeitdruck, Überstunden, große Klassen und ein Übermaß an außerunterrichtlichen Aufgaben führen zu einer erheblichen Belastung“, so Mußmann.

Durchgeführt hat die Studie im Auftrag der Max-Träger-Stiftung die Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften, eine gemeinsame Einrichtung von Hochschulen, der DGB und der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben in Niedersachsen. Die Stiftung wurde bei der Durchführung  durch die GEW Berlin unterstützt.

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„Der nie endende Stress, die fehlende Unterstützung, das ständige Gefühl, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können – das alles macht viele von uns so müde“

Für 44 Prozent der Lehrkräfte identifiziert die Studie ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, für 23 Prozent sogar ein erhöhtes Depressionsrisiko. 38 Prozent der Lehrkräfte sehen sich sehr häufig zu einem Arbeitstempo gezwungen, das ihnen gesundheitlich nicht guttut. 24 Prozent erklären, dass sie keine Zeit mehr für private Verpflichtungen und Interessen haben. Vor allem Eltern erleben deshalb häufig häusliche Konflikte und Stress. 30 Prozent der Berliner Lehrkräfte befinden sich in einer Gratifikationskrise – einer Wahrnehmung, dass Gratifikationen wie Gehalt, beruflicher Erfolg und soziale Anerkennung („Reward“) in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu den tatsächlichen Anstrengungen („Effort“) im Schulalltag stehen. Viele Lehrkräfte befürchten eine immer weitere Verschlechterung ihrer beruflichen Situation. Auch das hat Auswirkungen auf die Resilienz.

„Ständig Zeitdruck, zu große Klassen, digitaler Stress: Die Arbeit in unseren Schulen geht für Lehrkräfte auf Kosten der Gesundheit. Die Studienergebnisse sollten die Bildungssenatorin alarmieren. Dem Land werden sehr viele weitere Lehrkräfte verloren gehen, wenn sich an diesen gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen nicht schnell etwas ändert. Der Berliner Senat ist als Arbeitgeber in der Verantwortung, zu handeln“, erklärte Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der GEW Berlin.

„Dass keine Besserung in Sicht ist, nimmt uns Hoffnung und stellt eine zusätzliche mentale Belastung dar“

Albers verwies auf eine Reihe von Maßnahmen, die das Gesundheitsrisiko von Lehrkräften im (Berliner) Schuldienst reduzieren könnten – nahegelegt sei dies durch die vorliegende Studie der Uni Göttingen: „Das Arbeitspensum von Lehrkräften muss dringend reduziert werden, um sie vor Überlastung und Burnout zu schützen. Zur Entlastung bieten sich insbesondere kleinere Klassen und die Investition in zusätzliches Personal, für multiprofessionelle Teams, an. Aber auch Korrektur- und Prüfungsentlastung oder Verbesserungen bei der Digitalisierung können den Stress und das Arbeitspensum von Lehrkräften deutlich reduzieren. Der Berliner Senat darf außerdem nicht länger die Rechtspflicht zur Arbeitszeiterfassung ignorieren und sollte umgehend ein Pilotprojekt starten. Wichtig ist, dass die Bildungssenatorin den Lehrkräften jetzt schnell wirksame Angebote zur Entlastung macht. Als GEW sind wir hierzu gesprächsbereit.“

Die GEW-Expertin machte sich zudem dafür stark, Lehrkräfte bei außerunterrichtlichen Aufgaben gezielt zu entlasten, etwa bei Verwaltungsaufgaben, bei sozialpädagogischen Themen und einer verlässlichen Bereitstellung von IT-Support.

„Die Zahlen belegen mein subjektives Empfinden und die Stimmung in den Kollegien. Dass die Bedingungen sich in den letzten Jahren spürbar verschlechtert haben und keine Besserung in Sicht ist, nimmt uns Hoffnung und stellt eine zusätzliche mentale Belastung dar“, betonte Caroline Muñoz del Rio, Lehrerin an einem Oberstufenzentrum. „Der nie endende Stress, die fehlende Unterstützung, das ständige Gefühl, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können – das alles macht viele von uns so müde. Dabei mögen die allermeisten von uns ihren Beruf eigentlich sehr gerne. Dass sich diese Situation auch negativ auf die Bildung der Kinder- und Jugendlichen auswirkt, müsste den Verantwortlichen bewusst sein“, so Muñoz del Rio weiter. News4teachers

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