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Zweite Fremdsprache verzichtbar? Lin-Klitzing wirft Kretschmann “Tech-Populismus” vor

BERLIN. Die von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ins Spiel gebrachte mögliche Abschaffung der zweiten verpflichtenden Fremdsprache stößt beim Deutschen Philologenverband (DPhV) auf scharfe Ablehnung. “Zum wiederholten Male erliegt der Ministerpräsident aus Sicht des DPhV dem Irrglauben, dass KI wesentliche Kulturtechniken ersetzen könne. Vor nicht allzu langer Zeit wollte Kretschmann die Beherrschung der Rechtschreibung opfern, nun die Beherrschung von mehreren Fremdsprachen”, so heißt es in einer Pressemitteilung.

“Mein Telefon übersetzt”: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (hier auf einer Veranstaltung zur Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg). Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg / ©claudiamasur.com

Kretschmann hatte im Rahmen des Medienpolitischen Kongresses „Source“ in Stuttgart das Streichen der verpflichtenden zweiten Fremdsprache angedacht, um dafür ein Schulfach „Digitale Medienkompetenz“ einzuführen. Schon früher hatte er die Bedeutung von Rechtschreibung infrage gestellt. Philologen-Chefin Prof. Susanne Lin-Klitzing sagt: „Wer die Grundlagen einer anderen Sprache, einer anderen Kultur nicht kennt, den führt das reine Verwenden von digitalen Medien letztlich dazu, dass er von diesen abhängig ist – das hat mit Medienkompetenz rein gar nichts zu tun.“

„Natürlich sind die Möglichkeiten der KI erstaunlich und auch hilfreich, aber sie ersetzen nicht die eigene Lernleistung“

„Winfried Kretschmann opfert elementare kulturelle Errungenschaften auf dem Altar des Tech-Populismus! Wer das Verständnis einer Fremdsprache, einer anderen Kultur, eines anderen Menschen auf einen ‚Knopf im Ohr‘ reduziert, hat das Konzept der Verständigung nicht begriffen. Eine gelungene Kommunikation mit anderssprachigen Menschen zeichnet sich doch durch so viel mehr aus als durch das bloße Übersetzen einfacher Sätze. Hier wird ‚Verständigung‘ zum stumpfen ‚Verständlich-Machen‘ degradiert. Natürlich sind die Möglichkeiten der KI erstaunlich und auch hilfreich, aber sie ersetzen nicht die eigene Lernleistung, und schon gar nicht die Freude am persönlichen Fortschritt“, so Lin-Klitzing.

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Der Philologenverband setzt sich nach eigenem Bekunden „mit Vehemenz“ für den Erwerb der zweiten Fremdsprache beziehungsweise mehrerer Fremdsprachen am Gymnasium ein. Dass „ausgerechnet in Zeiten internationaler Spannungen dieses völkerverständigende Element gestrichen werden soll“, erfülle den Verband mit Sorge.

Lin-Klitzing: „Deutschlands Geschichte verpflichtet uns zum respektvollen Umgang mit anderen Kulturen. Wenn Europa, wenn Völkerverständigung gelingen soll, braucht es bei jedem Einzelnen den Blick über den eigenen Horizont hinaus. Gerade dafür bietet das Erlernen von Fremdsprachen enorme Möglichkeiten. Dieses Potenzial aus der Schule zu verbannen, auch aus dem profanen Grund, um Stunden für ein neu geschaffenes Verbundfach zu gewinnen, zeugt von erschreckender Kurzsichtigkeit.“ News4teachers

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