Der folgende Artikel erschien ursprünglich am 25. November – und war mit 738 Kommentaren (Stand 30. Dezember) der meistkommentierte Beitrag auf News4teachers im Jahr 2024.
DÜSSELDORF. Seit Jahren steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in NRW nahezu jährlich. So auch im vergangenen Schuljahr. Der VBE schlägt Alarm. Und fordert endlich gute Bedingungen für die Inklusion. Vor allem: zwei Lehrkräfte pro betroffener Klasse.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen hat in Nordrhein-Westfalen erneut zugenommen. Mit 152.630 Kindern waren es im Schuljahr 2023/24 rund 3,3 Prozent mehr als im Schuljahr zuvor, wie das Statistische Landesamt IT.NRW mitteilte. Mehr als die Hälfte von ihnen (84.310 Kinder) wurde an Förderschulen unterrichtet. Die übrigen 68.320 Jungen und Mädchen mit besonderem Förderbedarf – etwa mit starken Beeinträchtigungen beim Lernen oder körperlichem Handicap – lernten an allgemeinen Schulen zusammen mit Kindern ohne Behinderung.
Die sogenannte Inklusionsquote – also der Anteil von Förderbedarf-Kindern, die an allgemeinbildenden Schulen sind, an der Gesamtzahl der Förderbedarf-Kinder – lag damit im Schuljahr 2023/24 bei 44,8 Prozent und damit um 0,2 Prozentpunkte höher als im Schuljahr zuvor. Entscheidend für die Entwicklung der gesetzlich geforderten Inklusion ist allerdings die sogenannte Exklusionsquote, also der Anteil von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen an der Gesamtschülerzahl. Dieser Anteil betrug im Schuljahr 2023/2024 rund 4,2 Prozent. Vor 15 Jahren, als die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft trat, lag die Exklusionsquote in Nordrhein-Westfalen bei 5,1 Prozent.
“Wir müssen die Rahmenbedingungen in den Schulen jetzt verbessern, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden”
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Land allerdings nahezu jährlich gestiegen. Ein im Mai veröffentlichtes Gutachten, das von einem Dutzend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Auftrag des NRW-Schulministeriums erstellt worden war, hatte vor allem „systemische Problemlagen als zentrale Ursachen“ ausgemacht: nämlich „Bedarf nach Entlastung in allgemeinen Schulen“, „prekäre Ressourcensituation im Regelsystem und Gemeinsamen Lernen, „Homogenitätsdruck/geringe Flexibilität im Regelsystem”. Kritisiert wird darin auch die Konzeption der Feststellungsverfahren im Schul- und Bildungssystem (News4teachers berichtete).
Anne Deimel, Vorsitzende des VBE NRW, erklärt nun mit Blick auf die aktuelle Statistik: „Der Blick auf die Zahlen stimmt bedenklich, vor allem, wenn einem bewusst wird, dass sich hinter den Zahlen Schülerinnen und Schüler verbergen. Es geht um jeden einzelnen Schüler und jede einzelne Schülerin und es geht darum, ihnen in unseren Schulen gerecht zu werden. Gut, dass die Landesregierung mehr Menschen in die Schulen bringt, aber letztlich benötigen wir dringend mehr ausgebildete Lehrkräfte, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, sozialpädagogische Fachkräfte und Schulsozialarbeit, wenn individuelle Förderung, Integration und Inklusion gelingen sollen.“
Der VBE fordert dringend Maßnahmen zur Verbesserung der personellen Ausstattung, darunter:
- Doppelbesetzung in inklusiven Klassen, um eine umfassende Betreuung sicherzustellen.
- Niederschwellig erreichbare schulpsychologische Unterstützung, um präventiv und akut helfen zu können.
- Schulsozialarbeit an jeder Schule, um Schülerinnen und Schüler bei sozialen und emotionalen Herausforderungen zu unterstützen.
- Stärkung multiprofessioneller Teams, die Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden.
- Kleinere Klassen, um individuellere Förderung zu ermöglichen.
„Die steigenden Zahlen machen deutlich: Wir müssen die Rahmenbedingungen in den Schulen jetzt verbessern, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Kinder und Jugendliche dürfen nicht die Leidtragenden sein“, fordert die Landesvorsitzende des VBE. News4teachers / mit Material der dpa