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Zu schwierig, zu viel Druck, nicht aussagekräftig: Grundschullehrkräfte kritisieren (gerade eingeführten) Übergangstest

STUTTGART. Als sinnloses „Grundschul-Abi“ bezeichnet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den neuen Leistungstest für Viertklässler:innen in Baden-Württemberg. Mit ihrer Kritik fasst die Bildungsgewerkschaft die Stimmen einer Umfrage unter Mitgliedern aus dem Primarbereich zusammen – und fordert von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne): „Hören Sie auf tausende pädagogische Profis in Ihren Grundschulen!“

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Vor dem Übergang auf das Gymnasium müssen Grundschulkinder in Baden-Württemberg seit diesem Schuljahr zunächst einen mehrteiligen Leistungstest absolvieren. Symbolfoto: Shutterstock/TravnikovStudio

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Baden-Württemberg hat die neu eingeführten Leistungstests für Viertklässler:innen als unnötig kritisiert. „Wir brauchen kein neues Grundschul-Abi, das Kinder und Eltern mit fragwürdigen Inhalten unnötig unter Druck setzt“, erklärte GEW-Landeschefin Monika Stein und forderte die Abschaffung von „Kompass 4“. Der Test demotiviere die Kinder und führe zu Versagensängsten. Zuvor hatte der Südwestrundfunk (SWR) darüber berichtet.

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Umfrage unter Lehrkräften gibt Rückendeckung

Seit diesem Schuljahr entscheidet der Leistungstest mit darüber, ob ein Kind aufs Gymnasium wechseln darf oder nicht. Laut einer aktuellen GEW-Umfrage im Nachhinein der ersten landesweiten Durchführung von „Kompass 4“ halten zwei Drittel der befragten Grundschullehrkräfte die zugehörigen Prüfungen für überflüssig und wenig sinnvoll. Teilgenommen hatten 1.131 Lehrkräfte, die auch GEW-Mitglieder sind.

Lehrer:innen sagten, die Testergebnisse stimmten überhaupt nicht mit ihrer Einschätzung der Kinder überein, berichtet die GEW. «Was soll ein Test am Anfang der 4. Klasse mehr aussagen als 3 Jahre und ein paar Monate Grundschule?» Große Kritik gab es etwa an den Mathe-Aufgaben, die zu schwierig gewesen seien. Es habe zu wenig Zeit zum Bearbeiten gegeben, hieß es laut GEW von Lehrkräften. Zudem seien die Textaufgaben für Kinder mit Sprachdefiziten kaum zu bewältigen gewesen. Vor diesem Hintergrund appellierte GEW-Landeschefin Monika Stein dem SWR zufolge an Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), der Expertise tausender pädagogischer Profis zu folgen. „Vertrauen Sie in deren Beratungskompetenz und stoppen Sie dieses übereilt eingeführte Verfahren.“

Leistungstest soll Zugang zum Gymnasium besser steuern

Der Leistungstest in der Grundschule ist Teil der verbindlicheren Grundschulempfehlung, auf die sich die grün-schwarzen Regierung im Zuge der Bildungsreform geeinigt hatte (News4teachers berichtete). Dadurch entscheiden nicht mehr nur die Eltern, ob ihr Kind nach der Grundschule auf das Gymnasium wechselt. Eine zentrale Rolle spielen daneben die Lehrerempfehlung und der nun eingeführte Leistungstest. Stimmen zwei dieser drei Komponenten überein, steht der Weg zum Gymnasium frei. Wenn nicht kann das Kind einen weiteren Test absolvieren, um seine Eignung für die Schulform zu beweisen. Das Ergebnis dieses Potenzialtests müssen die Eltern dann akzeptieren. Verbindlich ist die Empfehlung allerdings nur für das Gymnasium.

Der Grund für die Wiedereinführung der strengeren Grundschulempfehlung sei das Comeback des neunjährigen Gymnasiums und die Sorge, dass G9 überlaufen werden könnte, schreibt der SWR. Internen Prognosen zufolge könnten nach der geplanten G9-Einführung, die ebenfalls zur Bildungsreform gehört, im Schuljahr 2025/2026 etwa 60 Prozent der Schüler:innen auf ein Gymnasium wollen. Bisher seien es nur 45 Prozent, da viele vor dem achtjährigen „Turbo-Abi“ zurückgeschreckt seien. Mit einer verbindlicheren Grundschulempfehlung will die Koalition den Zugang zum Gymnasium besser steuern.

Kritik am Verfahren

Schon im Mai gab es Kritik an den Plänen der Regierung. Die Schülervertretung Baden-Württemberg hatte sich deutlich gegen eine verbindlichere Grundschulempfehlung ausgesprochen. Der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, Joshua Meisel, sprach von einem „Rückschritt“, durch den die Bildungsgerechtigkeit eher behindert als gefördert werde. In vielen Fällen beruhe die Empfehlung nicht auf dem tatsächlichen Potenzial der Kinder, sondern auf anderen Faktoren, etwa der Herkunft.

Dagegen sprechen sich die Berufsverbände der Lehrkräfte weiterführender Schulen deutlich für eine verbindliche Grundschulempfehlung aus. Doch auch sie zeigten sich zuletzt unzufrieden mit der baden-württembergischen Lösung. So kritisierte der Philologenverband Baden-Württemberg im Sommer das nun geltende Vorgehen als nicht verbindlich genug, während der Realschullehrerverband bemängelte, dass die Verbindlichkeit nur für den Übergang auf das Gymnasium gilt.

Im Kultusministerium wird der nun veröffentlichten Umfrage der GEW wenig Aussagekraft beigemessen. Ein Sprecher sagte dem SWR, «die Einstellung der GEW zur neuen Grundschulempfehlung und analog zum Instrument Kompass 4 ist bekannt. Das Meinungsbild ist insofern keine Überraschung». Das Ministerium werde den gesamten Rücklauf aller Schulen abwarten und diese auswerten. News4teachers / mit Material der dpa

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