
Um den Anforderungen der Schüler gerecht zu werden und sie möglichst gut auf ihr späteres Leben vorzubereiten, muss nach Ansicht der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin auch über die Gestaltung von Unterricht gesprochen werden. Helfen könnten an vielen Stellen digitale Medien und Künstliche Intelligenz (KI), sagte Stefanie Hubig in Mainz. Für die SPD-Politikerin, sie ist auch Sprecherin der SPD-geführten Kultusministerien in Deutschland, sind viele Lehrkräfte offen dafür.
Schülerinnen und Schüler hätten sich in der PISA-Studie etwa über die Qualität des Mathematik-Unterrichts beklagt, empfänden ihn als zu langweilig, sagte Hubig. «Sie sehen nicht den Lebensbezug.» Kinder und Jugendliche wollten wissen, wofür sie lernen. «Die Welt ist viel komplexer geworden und wir kennen die Berufe überhaupt noch nicht, die Schülerinnen und Schüler ausüben werden, die jetzt noch in der Schule sind.»
Hubig setzt auch auf kollegiale Beratung
Das Thema Unterrichtsqualität sei sicher eines, an das herangegangen werden müsse. «Da kann man viel mit Fortbildungen machen, aber auch viel mit Best Practice-Beispielen und mit kollegialer Beratung», sagte Hubig. Es brauche eine Methodenvielfalt – einen Mix aus digitalen Medien und klassischen Formaten.
Wie Technik von Lehrkräften eingesetzt wird, variiert nach Einschätzung der Ministerin stark. Es reiche vom Verwenden einer Word-Datei bis hin zu Lehrstanderhebungen und einer datengestützten individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern. «Bei der Qualität des Einsatzes digitaler Medien gibt es eine große Spannbreite.» Klar sei aber auch, Fortbildungen würden von Lehrerinnen und Lehrern gut angenommen. Im vergangenen Jahr habe jede Lehrkraft in Rheinland-Pfalz statistisch gesehen zwei Fortbildungen gemacht, allein im Bereich KI und Digitale Medien habe es rund 45.000 Teilnahmen gegeben.
«Es gibt ein hohes Interesse, eine hohe Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen.» Den größten Bedarf gebe es erwartungsgemäß bei Lehrkräften an weiterbildenden Schulen. Ziel müsse sein, im Rahmen der Kultusministerkonferenz gemeinsam mehr Fortbildungen zu entwickeln.
Plattform bietet digitale Tools
In der gesamten Thematik sei eine hohe Dynamik, betont auch der Landeschef der GEW, Stefan Jakobs, mit Blick auf die Nutzung von KI und digitalen Medien in der Schule. Es werde sehr viel ausprobiert, verworfen oder vertieft. «KI verändert schon jetzt all die Prüfungsformate, bei denen eine häusliche Bearbeitung im Vordergrund steht.»
Viele kommerzielle Anbieter digitaler Lösungen drängten in den öffentlichen schulischen Markt, sagte Jakobs weiter. Europäische Datenschutzkonformitäten müssten im Blick bleiben. Das pädagogische Landesinstitut müsse als staatliches Institut der Fort- und Weiterbildung auch in diesem Bereich weiter gestärkt werden, mahnte der Gewerkschafter.
Hubig verweist auf eine in Rheinland-Pfalz verfügbare Plattform mit einem Zugang zu vielen digitalen Tools. Das reiche vom Schulverwaltungsprogramm Schulcampus über einen Bereich, in dem Unterrichtsmaterialien geteilt werden könnten, und einen Schulchat, mit dem die Kommunikation mit Schülern und Eltern erleichtert werde, bis hin zur KI-Lernplattform «fobizz». Letztere stelle datengestützt und kostenfrei Tools, die es auf dem freien Markt gibt, zur Verfügung, wie etwa das Sprachmodell ChatGPT.
Seit der Pandemie hat sich viel getan
Letztlich sei Schule ein Abbild der Gesellschaft, betonte Hubig. Insofern gebe es auch unter Lehrkräften Menschen, die digitalen Medien und KI sehr kritisch gegenüberstehen. «Ich stelle aber fest, dass wirklich ein Paradigmenwechsel in den Schulen stattgefunden hat.» Nun müsse noch mehr für einen optimalen, spezifischen Einsatz digitaler Medien getan werden. Helfen könne eine Plattform, in der Unterrichtsmaterialien ausgetauscht werden können, sagte Hubig. «Ich glaube, man muss gucken, dass man Synergien besser einsetzt.»
Für GEW-Vertreter Jakobs haben Lehrkräfte seit den Corona-Jahren viel dazu gelernt. Sie würden seither auch immer besser mit Fort- und Weiterbildung versorgt. Für ihn ist eine Offenheit von Lehrern, KI und digitale Medien im Unterricht und zur Vorbereitung einzusetzen, überall zu spüren.
Befragung gibt Einblick in konkrete Nutzung von KI
Bundesweit haben einer Befragung des Branchenverbands Bitkom von Oktober unter rund 502 Lehrerinnen und Lehrern der Sekundarstufen I und II zufolge 51 Prozent bereits Erfahrungen mit KI und Anwendungen wie ChatGPT gesammelt. Allerdings wollen nur 28 Prozent auch künftig darauf setzen. Elf Prozent der befragten Lehrkräfte schließen demnach KI-Einsatz kategorisch aus.
Von den Lehrern, die KI schon in der Schule genutzt haben, wird diese zur Wissensvermittlung eingesetzt, um Schülern KI zu erklären oder um mit Tools individuelle Feedbacks zu geben. Teils werden Prüfungsaufgaben von KI erstellt, teils Prüfungen oder Aufgaben mit KI-Unterstützung kontrolliert.
GEW-Landeschef Jakobs sieht auch Grenzen. Die Entwicklung dürfe nicht in die Richtung gehen, dass Algorithmen Vorschläge entwickeln dürften, was im nächsten Schritt gelernt werden solle. Die fachlich ausgebildete Lehrkraft müsse auch weiterhin entscheiden, welche Verfahren und welche Schritte der weiteren Förderung beschritten werden.
Das Schreiben mit Stift auf Papier bleibt wichtig
Eine Befürchtung der GEW ist auch, dass das analoge Lernen mit Stift und Papier immer mehr aus den Klassenzimmern verschwindet. «Es bleibt an allen Stellen der Lernbiographie, aber besonders am Anfang in der Primarstufe dringend notwendig, dass das Schreiben auf Papier und der sichere Erwerb einer verbundenen Schrift erlernt wird», betonte Jakobs.
Auch Ministerin Hubig sagt: «Als jemand, der wahnsinnig gerne liest und ehrlich gesagt auch am liebsten in analogen Büchern liest, finde ich es total wichtig, dass wir den Schülerinnen und Schülern diese Möglichkeiten eröffnen.» Es sei etwas anderes, mit der Hand zu schreiben, als das mit dem Stift auf dem Tablet zu tun oder nur zu tippen. «Das sind Kulturtechniken, die müssen Schülerinnen und Schüler lernen und die müssen sie auch beherrschen.»
Das Hauptaugenmerk will sie darauf in der Bildungspolitik aber nicht legen. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland im Digitalen anderen Ländern nach wie vor hinterherhinke, müsse der Fokus darauf gelegt werden, vor allem digitale Medien voranzubringen. «Digital ist jetzt bei uns das Thema.»
Der kürzlich von Bund und Ländern vereinbarte Digitalpakt 2.0 (News4teachers berichtete) dürfte dabei helfen. Von Christian Schultz und Bernd Glebe, dpa