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Referendariat verweigert: Wie kapitalismuskritisch darf eine Lehrkraft sein?

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MÜNCHEN. Lisa Poettinger, Aktivistin der Klimabewegung, darf ihr Referendariat in Bayern nicht antreten. Das Kultusministerium des Freistaats wirft ihr vor, ihre politische Haltung und ihre Aktionen seien mit den Pflichten einer Beamtin unvereinbar. Während Poettinger auf ihre Verfassungstreue pocht, sorgt der Fall für eine hitzige Debatte über politische Meinungsfreiheit und demokratische Werte im öffentlichen Dienst.

Wir müssen draußen bleiben. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Sie selbst bezeichnet sich auf „X“ als „Kinderpflegerin. Lehramtsanwärterin. Klimaaktivistin. Marxistin, nicht Grüne” und gibt dann noch den Slogan hinzu: „Klimaschutz = Klassenkampf“: Lisa Poettinger, eine 28-jährige Lehramtsabsolventin aus Bayern, darf ihr Referendariat an einem Gymnasium Mitte Februar nicht antreten. Das bayerische Kultusministerium verweigert ihr den „Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien“, da ihre politische Betätigung nach Auffassung der Behörde mit den Pflichten einer Beamtin unvereinbar sei. Dies berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ).

Poettinger ist eine prominente Stimme der Klimabewegung in Bayern und war maßgeblich an Demonstrationen wie „Gemeinsam gegen rechts“ beteiligt. Ihr Fall wirft die Frage auf, inwieweit eine Lehrkraft kapitalismuskritische Positionen vertreten darf, ohne ihre berufliche Eignung in Frage zu stellen.

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„Folglich muss eine Ablehnung des Kapitalismus mindestens in Teilen unter Achtung des Grundgesetzes möglich sein“

Das bayerische Kultusministerium, geleitet von der Freie-Wähler-Politikerin Anna Stolz, argumentiert in einem Schreiben, aus dem die SZ zitiert: „Die Tätigkeit und Mitgliedschaft [Poettingers] in extremistischen Organisationen verträgt sich nicht mit den Pflichten einer Beamtin.“ Zudem müsse sich eine Lehrkraft „auch im außerdienstlichen Bereich so verhalten, dass eine Beeinträchtigung des Ansehens ihres Berufsstands sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Führung des Amts vermieden wird.“

Besonders kritisch bewertet die Behörde Poettingers Proteste gegen die Münchener Automesse IAA, bei denen sie öffentlich von „Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima“ sprach. Nach Ansicht des Ministeriums sei der Begriff „Profitmaximierung“ der „kommunistischen Ideologie zuzuordnen“ und daher mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar. Poettinger selbst weist diese Darstellung zurück und argumentierte, dass das Grundgesetz keine spezifische Wirtschaftsordnung vorschreibe: „Folglich muss eine Ablehnung des Kapitalismus mindestens in Teilen unter Achtung des Grundgesetzes möglich sein“, erklärt sie laut SZ.

Das Kultusministerium hält dem entgegen, dass Poettingers Ideologie nicht nur die Marktwirtschaft, sondern auch die liberale Demokratie ablehne. Der von ihr genutzte Slogan „System change not climate change“ werde daher als Aufruf zum politischen Umsturz verstanden.

„Mit der strafrechtlichen Unschuldsvermutung korrespondiert keine beamtenrechtliche Eignungsvermutung“

Die Entscheidung, Poettinger den Eintritt ins Referendariat zu verweigern, begründet die Behörde auch mit Vorwürfen, sie habe bewusst Gesetze gebrochen. In einem Fall wird ihr Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei den Protesten gegen den Braunkohleabbau in Lützerath vorgeworfen. In einem anderen Fall geht es um die Zerstörung von AfD-Wahlplakaten. Poettinger verteidigte ihr Handeln mit Verweis auf die demokratischen Werte: „Das Plakat nutzte klar antisemitische Bildsprache. Ganz im Sinne von ‚Wehret den Anfängen‘ halte ich es für erforderlich, solche Bedrohungen für die Demokratie ernst zu nehmen.“

Obwohl in beiden Fällen noch Ermittlungsverfahren laufen und Poettinger nicht verurteilt wurde, sieht das Kultusministerium die Unschuldsvermutung als nicht maßgeblich an. Es erklärte: „Mit der strafrechtlichen Unschuldsvermutung korrespondiert keine beamtenrechtliche Eignungsvermutung.“

Poettinger kündigte an, rechtlich gegen die Entscheidung vorzugehen: „Ich werde dagegen vorgehen und mich nicht einschüchtern lassen“, erklärte sie über X (ehemals Twitter). Sie sieht ihre Aktivitäten als Ausdruck ihrer Pflicht, sich für den Schutz der Lebensgrundlagen einzusetzen. Eine Pressekonferenz ist für den 6. Februar angekündigt, bei der sie ihre nächsten Schritte erläutern will.

Sie postet: „#Berufsverbot – jetzt auch gegen Klimaaktive. Die Kriminalisierung gegen uns hält an. Wir wollen eine lebenswerte Zukunft ohne eskalierende #Klimakrise, aber bekommen dafür Polizeigewalt, (Präventions-)Haft & nun Angriffe gegen die individuelle Zukunft.“ News4teachers

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