MÜNCHEN. Immerhin: Der Lehrkräftemangel werde inzwischen auch von der bayerischen Kultusministerin anerkannt – was der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) ausdrücklich begrüßt. Was Anna Stolz (Freie Wähler) als Gegenmaßnahmen vorsieht, betrachtet der Verband allerdings mit gemischten Gefühlen.
Im Kampf gegen den teils eklatanten Lehrermangel will Bayerns Kultusministerin Anna Stolz den Schulen vor Ort mehr Eigenverantwortung und Handlungsmöglichkeiten geben. Ein neues Gesamtkonzept, das eine Fülle denkbarer Maßnahmen enthält, legte sie nun in München vor. Darin vorgesehen: Teilzeitlehrkräfte sollen Stunden aufstocken, Aushilfslehrer dauerhaft übernommen und zusätzliche Quereinsteiger angeworben werden. Allerdings ist es auch möglich, dass es zu Einschnitten im Pflicht- und Wahlunterricht kommt oder dass Klassen etwas vergrößert werden müssen (News4teachers berichtete).
Die Einbeziehung des Bestandspersonals ist laut BLLV der erste große Knackpunkt dieses Gesamtkonzepts. „Teilzeitkräfte haben Gründe dafür, weniger Stunden zu arbeiten. In der Regel sind dies immer noch die eigenen Kinder, die betreut oder die eigenen Eltern, die gepflegt werden müssen. Der Erhalt der familienpolitischen Teilzeit ist deshalb ein sehr hohes Gut. Außerdem sind diese Kolleginnen und Kollegen oft bereit, im Notfall für ‘ihre‘ Schule und für ‚ihre‘ Kinder auch während des Schuljahres das Stundenmaß aufzustocken.“ Die Bereitschaft zur freiwilligen Mehrarbeit sei aber kein Selbstläufer. Denn oft fehle den Lehrerinnen und Lehrern die Planungssicherheit, wann und wo sie arbeiten. „Die Kommunikation könnte in diesem Bereich weiter verbessert werden – dann würden Lehrkräfte oft auch ein höheres Stundenmaß wählen“, meint der BLLV.
Wenn das Kultusministerium, wie im Konzept vorgesehen, ältere Lehrkräfte länger im Dienst halten möchte, dann müsse es laut Verband die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass die Lehrerinnen und Lehrer auch gesund bleiben. Die Statistik sehe leider anders aus. Nur noch 12,75 Prozent der Kolleginnen und Kollegen erreichten an ihren Schulen im Grund- und Mittelschulbereich die Altersgrenze. Gleichzeitig gehe ein Drittel wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand. „Aus den älteren Kolleginnen und Kollegen, die schon bis aufs Letzte ausgebeutet wurden, kann man jetzt wirklich nicht noch mehr rausholen“, kommentiert dazu BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.
Denn die seien von massiven Einschränkungen im dienstlichen Bereich betroffen gewesen, wenngleich bisher nur die Lehrkräfte an Grund-, Mittel- und Förderschulen, wie Beschränkungen der Teilzeitmöglichkeiten oder des Antragsruhestands sowie von Freistellungsmodellen. Gleichzeitig hätten diese Maßnahmen vor allem zu mehr begrenzter Dienstfähigkeit und zu einer höheren Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit geführt. „Für den BLLV ist weiterhin das höchste Ziel, diese Notmaßnahmen aus dem Jahr 2020 zurückzuführen und auf die Gesundheit der Lehrkräfte zu achten. Gleichzeitig sollte die Belastung auf alle Schularten gleichmäßig verteilt werden. Gegenseitige Unterstützung tut in solchen Zeiten Not“, so heißt es in einer Pressemitteilung.
“Es geht um das Streichen von Aufgaben und nicht um immer weitere neue Vorhaben und Pflichten für die Kolleginnen und Kollegen”
Die im Konzept des Kultusministeriums benannte Maßnahme, arbeitsmarktpolitische Beurlaubungen in Zukunft nicht mehr zu genehmigen, sei aber hinfällig. Denn: Die Möglichkeit sei schon gänzlich gestrichen worden. Die geplante künftige Wiedergenehmigung von Sabbatmodellen in allen Schularten sei hingegen ein wichtiger Schritt für die Attraktivität des Lehrberufes und auch für die Unterrichtsversorgung. Junge Leute würden beispielsweise seltener ein „Aussetzjahr“ zwischen Studium und Referendariat einlegen. Andere Kolleginnen und Kollegen könnten nach einigen Dienstjahren einmal aussetzen, um wieder Kraft zu tanken und Ältere könnten gesund in den Ruhestand treten. Damit wäre eine wichtige Zusage der Kultusministerin von ihrem Amtsantritt umgesetzt.
Das Paket „Absenkung von Personalbedarfen“ im Konzept der Ministerin bringt einige – teils unauffällige – Maßnahmen mit sich, die es aus Sicht des BLLV durchaus in sich haben: Klassenstärken erhöhen, Stundentafel kürzen, verbundbezogene Klassenbildung ausnützen und Einiges mehr. „Alle diese Maßnahmen senken nicht nur die Bildungsqualität, sondern belasten wieder die Lehrkräfte, die ohnehin schon sehr hoch belastet sind. Und bei der geplanten Kürzung von Anrechnungsstunden muss klargestellt werden, dass diese keine Wohltat des Dienstherrn sind, sondern den Lehrkräften über diese Stundenzuweisung ermöglichen, neben dem Unterricht bestimmte andere Tätigkeiten für den Dienstherrn auszuführen. Wenn hier gekürzt wird, muss auch das Engagement der betroffenen Kolleginnen und Kollegen zwangsläufig zurückgehen. Weniger Anrechnungsstunden bedeutet natürlich auch, weniger Zeit für die zusätzlichen Aufgaben. Und hier Abstriche vorzunehmen, nachdem sämtliche Teilzeitanträge für das nächste Schuljahr schon abgegeben wurden, spricht nicht für ein vertrauensvolles Miteinander“, meint der BLLV.
Das Resümee der BLLV-Präsidentin: „Die Attraktivität des Berufs kann nur gesteigert werden, wenn endlich wirksam entbürokratisiert wird, wenn im Unterricht auf Kernkompetenzen fokussiert wird, wenn die Prüfungskultur an den Schulen verändert wird und wenn wir endlich weniger Projekte und Aufgaben an den Schulen haben anstatt immer nur mehr – es geht um das Streichen von Aufgaben und nicht um immer weitere neue Vorhaben und Pflichten für die Kolleginnen und Kollegen. In Zeiten des Lehrkräftemangels an allen Schularten geht es mit Blick auf die Lehrkräftegesundheit jetzt an den Schulen um die Pflicht und nicht um die Kür!“ News4teachers

