KIEL. Rund ein Jahr schmorten die Ergebnisse der Statuserhebung zur Arbeitsfähigkeit und Gesundheit der Landesbeschäftigten in ministeriellen Schubladen. Nun hat die Landesregierung von Schleswig-Holstein sie nun endlich dem Landtag vorgestellt. Danach sind zwei Drittel der Lehrkräfte unzufrieden mit der eigenen Arbeitsfähigkeit.
Wie steht es um die Arbeitsfähigkeit und Gesundheit der Landesbediensteten? Das wollte die schwarz-grüne Landesregierung mal wieder wissen (nach einer ersten Erhebung 2017/18) – und beauftragte das Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln, die Beschäftigten zu befragen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf den Schulbereich gerichtet. Tausende von Lehrkräften machten mit. Die Rücklaufquote lag bei 41 Prozent, sodass von Repräsentativität ausgegangen werden kann.
Offenbar fielen die Ergebnisse so schlecht aus, dass die Landesregierung Zeit benötigte, um sie zu verdauen. Laut GEW lagen die Resultate bereits seit über einem Jahr vor, bevor die Landesregierung sie nun veröffentlichte. „Die Schulleitungen wurden über die Ergebnisse informiert, die Kollegien aber nur teilweise. Oft wurde über, aber nicht mit den Kolleg*innen gesprochen. Gute Schule funktioniert aber nur auf Augenhöhe!“, so schimpft die GEW-Landesvorsitzende Kerstin Quellmann.
Tatsächlich zeichnen die Ergebnisse ein eher düsteres Bild:
- 42 Prozent der Befragungsteilnehmenden aus den allgemeinbildenden Schulen gab eine gute bis sehr gute Arbeitsfähigkeit an, 76 Prozent schätzen ihre Gesundheit mit gut bis ausgezeichnet ein, 64 Prozent gaben an mit ihrer Arbeit (sehr) zufrieden zu sein und 34 Prozent haben in den vergangenen 12 Monaten fünfmal oder häufiger erkrankt gearbeitet (kritischer Präsentismus).
Zum Vergleich: Unter den übrigen Landesbeschäftigten (ohne Polizei) gaben 60 Prozent der Landesbeschäftigten eine gute bis sehr gute Arbeitsfähigkeit an. Ihre Gesundheit beurteilen 81 Prozent als gut bis ausgezeichnet. 76 Prozent der Beschäftigten sind mit ihrer Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden. Allerdings gaben 20 Prozent der Beschäftigten kritischen Präsentismus (mehr als fünfmal in den letzten 12 Monaten) an.
- Die bedeutendsten Belastungsfaktoren für Lehrkräfte sind Termin-/Leistungsdruck, zunehmende Aufgaben und eine zu hohe Anzahl von Besprechungen. Hinzu kommen Lärm/Geräusche sowie eine mangelhafte räumliche und IT-Ausstattung als belastende Umgebungsbedingungen.
- Am deutlichsten ausgeprägte Schutzfaktoren sind die „Bedeutsamkeit der Arbeit“, das „Gemeinschaftsgefühl“ und der „Handlungsspielraum bezüglich der Arbeitsgestaltung“. Ausbaufähige Schutzfaktoren sind der „Handlungsspielraum hinsichtlich der Pausengestaltung“ sowie „Möglichkeiten, Pausen als Erholung zu nutzen“.
- Im Vergleich der Schularten untereinander zeigen sich bei den Förderzentren (Unterricht und Prävention/Inklusion) im Vergleich zu den übrigen Schularten über mehrere Merkmale hinweg günstigere Ergebnisse. Die Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe und die Gymnasien hingegen schneiden im Vergleich auf mehreren Merkmalen am schlechtesten ab.
- Für Grundschulen, Förderzentren (Unterricht), Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe und Gymnasien zeigt sich im Vergleich zu 2017/18 beim Präsentismus eine deutliche Entwicklung in die ungünstige Richtung. Bei den Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe hat sich zudem die Arbeitszufriedenheit deutlich verschlechtert.
- Hinsichtlich der Führungsqualität zeigt sich im zeitlichen Vergleich über alle Schularten hinweg eine deutliche Entwicklung in die günstige Richtung. Gleiches gilt für alle Schularten bis auf die Grundschulen auch für die soziale Unterstützung durch die Führungskraft. Bei den Förderzentren Prävention/Inklusion hat sich ferner das Gemeinschaftsgefühl deutlich erhöht.
Wo lässt sich den Autorinnen und Autoren der Studie zufolge ansetzen? „Für alle Zielgrößen ist jeweils die deutlichste Stellschraube die Aufgabenzunahme. Aufgabenzunahme ist der Stellvertreter für das Clusterthema Arbeitsverdichtung – wird sie reduziert, steigen die Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und -zufriedenheit und der Präsentismus sinkt.“ Der Arbeitsverdichtung könne insbesondere durch klug geplante Besprechungen, eine Reduktion von Störungen und gute Kommunikation entgegengewirkt werden.
Weiter heißt es: „Können alle Schutzfaktoren zusammen gesteigert werden, ist ihre gemeinsame Hebelwirkung auf die Zielgrößen aber mindestens genauso hoch wie die der Arbeitsverdichtung. Ihre stärkste Wirkung besitzen sie dabei hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit. Maßnahmen sollten daher nicht nur auf den Abbau von Belastungen, sondern auch auf den Auf- und Ausbau von Schutzfaktoren abzielen. Von den Umgebungsbedingungen sind die wichtigsten Stellschrauben die Reduktion von Lärm und Geräuschen sowie die Unterstützung beim digitalen Unterricht.“
Bedarfe in gesundheitsrelevanten Bereichen werden vor allem bei den Themen Stressbewältigung und Ressourcenstärkung und gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeitstätigkeit und -bedingungen gesehen – Fort-/Weiterbildungen und Angebote zur Betrieblichen Gesundheitsförderung könnten dies künftig ganz gezielt aufgreifen.
„Das Land weigert sich nach wie vor, die Arbeitszeit der Lehrkräfte objektiv zu erfassen“
„Die Landesregierung kümmert sich einfach zu wenig um die Gesundheit der Lehrkräfte“, meint GEW-Chefin Quellmann nun. Dass weniger als die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen im Schulbereich ihre Arbeitsfähigkeit als gut oder sehr gut einschätzt – was sich im Vergleich zur letzten Abfrage verschlechtert hat –, „überrascht uns nicht, denn die Belastung steigt ständig. Gerade jetzt brauchen wir aber engagierte und gesunde Lehrkräfte, um den Herausforderungen an den Schulen gerecht zu werden.“
Als „ein Warnsignal“ bewertete sie den weit verbreiteten Präsentismus unter den Lehrkräften. Quellmann: „Unsere Kolleg*innen brauchen dringend Entlastung. Neben der Unterrichtsverpflichtung kommen ständig neue Aufgaben hinzu. Aber das Land weigert sich nach wie vor, die Arbeitszeit der Lehrkräfte objektiv zu erfassen.“ Durch eine Erfassung der Arbeitszeit würde schnell deutlich werden, wie hoch die Arbeitszeit der Lehrkräfte wirklich sei, meint die Gewerkschafterin. Eine flächendeckende Einstellung von Verwaltungskräften zur Entlastung von Lehrkräften und Schulleitungen sei überfällig. Auch die arbeitsaufwändige Praxis, die Schulen flächendeckend immer wieder neue Konzepte zu unterschiedlichsten Themen schreiben zu lassen, gehöre dringend abgeschafft. News4teachers
Hier geht es zur vollständigen Studie.
Arbeitsstudie: Bei fast jeder fünften Lehrkraft besteht ein hohes Risiko für Depression oder Burnout