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CSU prescht vor: Kommt jetzt wieder mehr (billiges) Fleisch auf die Speisepläne von Kitas und Schulen?

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BERLIN. Noch nicht ins Amt gekommen, entfacht der designierte Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) bereits eine hitzige Diskussion über Ernährung in Kitas und Schulen. Der gelernte Metzgermeister fordert via „Bild“ Fleisch in den Speiseplänen für Kinder und Jugendliche. Gibt es davon denn zu wenig? Gesundheits- und Umweltfachleute sehen den Vorstoß kritisch. Auch aus der Elternschaft kommt Widerspruch.

Fleisch, hier in Gestalt von rohem Hack, steht in vielen Schulmensen nach wie vor täglich auf der Speisekarte. Foto: pxhere.com / CC0

„Jetzt gibt’s wieder Leberkäs’ statt Tofu-Tümelei.“ So kündigte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den neuen Bundeslandwirtschaftsminister, seinen Parteifreund Alois Rainer an. Der Spruch: ein Seitenhieb auf den grünen Vorgänger und bekennenden Vegetarier Cem Özdemir.

Rainer, der Neue, arbeitet zwar seit zwölf Jahren als Bundestagsabgeordneter – er leitete bis dato den Finanzausschuss –, ist aber ursprünglich Metzger von Beruf. Die „Bild“-Zeitung, stets um vermeintliche Volkstümlichkeit bemüht, stieg sofort darauf ein – und titelte: „Metzger-Minister hat die längste Wurst der Welt.“ Hintergrund laut Bericht: Der neue Landwirtschaftsminister sei Weltrekordhalter für die längste Weißwurst! 2002 habe er den Rekord mit zwei Metzgerkollegen aus der Umgebung aufgestellt – „825 Meter niederbayerische Zuzel-Lust“.

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Für mehr Sodbrennen dürfte bei vielen Menschen allerdings das sorgen, was „Bild“ dem künftigen Landwirtschaftsminister inhaltlich entlockte: Rainer möchte Fleisch billig halten; die von Özdemir (und ursprünglich mal von der Union) ins Gespräch geplante Tierschutzabgabe lehnt er ab. Und er hält Fleisch für wichtig, um sich gesund zu ernähren – gerade bei Kindern.

Im Gespräch mit der Boulevardzeitung nimmt der gelernte Metzgermeister dann auch die Speisepläne von Kindergärten und Schulen in den Fokus und spricht sich für Fleisch im Menüplan aus. Ihm sei eine ausgewogene, qualitativ hochwertige Ernährung wichtig. Das gelte „insbesondere in Kindergärten und Schulen, wo Obst, Gemüse genauso wie Fleisch und vegetarische Gerichte auf den Speiseplänen stehen sollten“, so Rainer.

„Bild“ ordnet das so ein: „In vielen Kitas und Schulen steht Fleisch kaum noch oder gar nicht mehr auf dem Speiseplan. U.a. gibt es an den Grundschulen in Freiburg einen Fleisch-Stopp.“ Hintergrund: An den Grundschulen der Stadt wird seit einem Ratsbeschluss von 2022 nur noch vegetarisch gegessen – aufgrund der gestiegenen Kosten. Aus anderen Städten ist eine solche Entscheidung nicht bekannt.

„Niemand will in Schulen und Kitas Fleisch verbieten. Mehr Angebot wird dort aber absolut nicht gebraucht“

Mit Blick auf Rainers Bekenntnis zum Fleisch behauptet „Bild“: „Bei Lehrern kommt der Vorstoß gut an.“ Und zitiert als Beleg Heinz-Peter Meidinger, als längst pensionierter ehemaliger Schulleiter Ehrenpräsident des Deutschen Lehrerverbandes: „Wir waren immer für Wahlfreiheit und gegen jede Form von Bevormundung, was den Fleischkonsum angeht. Gesunde Ernährung ist natürlich Erziehungsziel an Schulen – aber nicht über Zwang und Verbote. Deshalb begrüße ich die Entideologisierung der Schulkantinen, wie der neue Minister sie ansteuert.“

Auch der Fleischerverband freut sich dem Springer-Blatt zufolge, „dass Fragen der Tierhaltung, Ernährung und der Lebensmittelproduktion nun ideologiefrei, verlässlich und in einem partnerschaftlichen Miteinander mit allen Beteiligten behandelt werden“.

Kommt also jetzt wieder mehr Fleisch auf die Teller von Schülerinnen und Schülern? „Unter gesundheitlichen Aspekten wäre das alles andere als sinnvoll“, sagt Prof. Melanie Speck, die am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie zu nachhaltigen Ernährungssystemen forscht, gegenüber dem WDR. Schon jetzt sei es so, dass Kinder und Jugendliche häufig das Zwei- bis Vierfache an Fleisch und Wurst essen, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt. „Niemand will in Schulen und Kitas Fleisch verbieten. Mehr Angebot wird dort aber absolut nicht gebraucht“, sagt sie – und rät mit Blick auf die Folgen auch entschieden davon ab. „Seit Jahren ist bekannt, dass übermäßiger Fleischkonsum unter anderem krebserregend sein kann“, sagt Speck.

Die Wissenschaftlerin meint, dass den Menschen in Deutschland mittlerweile viel bewusster ist, wie Gesundheit, Umweltschutz und Tierhaltung zusammenhängen“. Sie verweist auf die Ergebnisse des vom Bundestag eingesetzten Bürgerrats zum Thema Ernährung. Unter dessen Empfehlungen findet sich – neben einer Forderung nach einem kostenfreien Mittagessen für alle Kinder „als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit“ auch die Forderung nach einer Tierwohlabgabe.

Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND NRW, hält den Vorstoß von Alois Rainer dem WDR-Bericht zufolge als „aus der Zeit gefallen“. „Wir wissen alle seit langem, dass die Landwirtschaft und die Massentierhaltung einer der größten Treiber der Klimakrise ist“, sagt er. Jansen bezeichnet die Idee aber auch noch aus einem anderen Grund als „hanebüchen“. „Seit Jahren wirft vor allem die CSU den Grünen vor, eine Verbots-Partei zu sein“, sagt er. „Und jetzt will Herr Rainer quasi per Dekret den Fleischkonsum an Kitas und Schulen vorschreiben.“

„Eine politische Einflussnahme auf einzelne Speisepläne hält der Bundeselternrat für den falschen Weg“

Dass ein Bundeslandwirtschaftsminister keinen direkten Einfluss auf die Speisepläne in Kitas und Schulen hat, betont allerdings der VBE. „Alles, was er über deren Gestaltung zu sagen hat, wird nicht mehr als Empfehlungscharakter haben“, sagt Vize-Bundesvorsitzender Tomi Neckov dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). In der Regel entschieden die Einrichtungen selbst oder deren Träger, wie etwa Kommunen, welches Mittagsangebot unterbreitet werden könne – „und kein Bundesminister“, so Neckov.

Vor diesem Hintergrund kritisieren auch Elternvertreter Rainers Vorstoß: „Eine politische Einflussnahme auf einzelne Speisepläne hält der Bundeselternrat für den falschen Weg“, sagt Dirk Heyartz, Vorsitzender des Bundeselternrats (BER) dem RND. Der Bund könne Rahmenbedingungen schaffen, etwa durch Förderprogramme, gesetzliche Mindeststandards oder finanzielle Unterstützung, entscheide jedoch nicht über einzelne Speisepläne, so Heyartz.

Dem Bundeselternrat zufolge sollte die Politik auf verbindliche Qualitätsstandards setzen, wie etwa die der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Diese empfehlen: höchstens eine Fleischmahlzeit pro Woche. Getreide-, Kartoffel- und Gemüseprodukte stehen hingegen täglich auf der Empfehlungsliste. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert (Auszug).

Erste Kommune bietet in Kitas und Grundschulen nur noch Vegetarisches an

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