BERLIN. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Der Inlandsgeheimdienst teilte mit, der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet. Der Druck auf Parteimitglieder im Staatsdienst – also auch auf Lehrerinnen und Lehrer mit AfD-Parteibuch – wird damit steigen.
„Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, teilte die Sicherheitsbehörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. „Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes“, heißt es in der Mitteilung des Inlandsgeheimdienstes.
Äußerungen und Positionen der Partei und führender AfD-Vertreter verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde, erklärten die Vizepräsidenten der Behörde, Sinan Selen und Silke Willems. Dies sei maßgeblich für die nun getroffene Einschätzung.
Die Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten die jeweiligen AfD-Landesverbände bereits zuvor als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.
Nachdem Medien im Februar 2021 über eine mutmaßliche Einstufung der Gesamtpartei als sogenannter Verdachtsfall berichtet hatten, musste der Verfassungsschutz auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts noch rund ein Jahr warten, bis er diese Einschätzung publik machen und die Partei entsprechend beobachten konnte. Im Mai 2024 hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Der Rechtsstreit geht noch weiter.
Auch bei einer Beobachtung als Verdachtsfall ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bereits erlaubt. Zu diesen zählt etwa der Einsatz von sogenannten V-Leuten – das sind Menschen mit Zugang zu internen Informationen. Auch Observationen oder Bild- und Tonaufnahmen sind erlaubt. Bei Auswahl und Einsatz der Mittel muss allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.
Bei einem als gesichert extremistisch eingestuften Beobachtungsobjekt sinkt die Schwelle für den Einsatz solcher Mittel. Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.
Grundlage der nun getroffenen Entscheidung ist ein umfangreiches Gutachten des BfV, das nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt ist. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ließ schon im vergangenen Jahr erkennen, dass die Einstufung wohl Konsequenzen für Parteimitglieder im Staatsdienst haben dürfte. Söder erklärte seinerzeit, AfD-Mitglieder sollten nicht ohne Weiteres im öffentlichen Dienst beschäftigt sein. Es müsse die Frage „als erstes geklärt werden“, ob es überhaupt vereinbar sei, dass jemand bei der AfD und zugleich im öffentlichen Dienst sei. „Wir haben da eine ganz klare Haltung dagegen und sagen die auch deutlich.“
„Hinzukommen müssten weitere Aspekte, wie insbesondere Übernahme von Funktionen innerhalb der Partei, verfassungsfeindliche Äußerungen oder sonstiges Verhalten, das eine verfassungsfeindliche Gesinnung aufzeigt”
Widerspruch kam allerdings vom bayerischen Beamtenbund. Solange die AfD nicht für verfassungswidrig erklärt wurde (was letztlich nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden kann), dürften ihre Mitglieder aus dessen Sicht nicht vom Beamtenverhältnis ausgeschlossen werden. Und selbst wenn: „Hinzukommen müssten weitere Aspekte, wie insbesondere Übernahme von Funktionen innerhalb der Partei, verfassungsfeindliche Äußerungen oder sonstiges Verhalten, das eine verfassungsfeindliche Gesinnung aufzeigt”, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Rainer Nachtigall. Würden solche Aspekte später zu Tage treten, stehe die gesamte Palette des Dienstrechts, von Disziplinarverfahren bis hin zur Entfernung aus dem Dienst, zur Verfügung.
Nachtigall betonte, dass der öffentliche Dienst bereits jetzt gegen Radikalisierung – egal welcher Art – gut gerüstet sei. „Die Verfassungstreue ist Voraussetzung jeglicher Einstellung und wird auch vor der Übernahme ins Beamtenverhältnis intensiv überprüft – in Teilen auch durch Regelanfragen beim Verfassungsschutz“, sagte er. Gleichzeitig finde bei der Einstellung aber immer eine Abwägung aller betroffenen Interessen statt. „Grundsätzlich erfolgt die Verbeamtung unabhängig von politischen Anschauungen. Die Grenze zeigt aber die Verfassungstreue auf, für die jeder Beschäftigte – unabdingbar und verlässlich – Gewähr bieten muss.“ Gleichwohl sind Lehrkräfte mit AfD-Parteibuch keine Seltenheit; führende Mitglieder wie Björn Höcke oder Dennis Hohloch sind Lehrer von Beruf.
Über die Frage, ob AfD-Mitglieder im Staatsdienst toleriert werden müssten, wurde in der Vergangenheit schon häufiger diskutiert. Für Beamtinnen und Beamte gelten andere Regeln als für alle übrigen Arbeitnehmer. Sie sind laut Grundgesetz der Verfassungstreue verpflichtet. Die AfD wehrt sich seit Jahren dagegen, dass ihr mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen zugeschrieben werden.
„Für Mitglieder, die im Staatsdienst insbesondere als Beamte tätig sind, bedeutet dies noch nicht automatisch, dass sie wegen fehlender Treue entlassen werden müssen“, schreibt der Verfassungsrechtler Chan-jo Jun zur aktuellen Einstufung auf Linkedin. „In die nötige Prüfung fließt auch ein, ob das Mitglied die verfassungsfeindlichen Positionen trägt und kennt.“
Allerdings stellt der Jurist fest: „Die beamtenrechtlichen Treuepflichten dürften mit einer Mitgliedschaft kollidieren. Das neue Disziplinarrecht führt dazu, dass die gerichtliche Prüfung jetzt nachgelagert ist, was die Verfahren beschleunigen könnte.” Hintergrund: Am 1. April 2024 trat eine Reform des Disziplinarrechts des Bundes in Kraft. Damit können Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. Künftig werden alle Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Entfernung aus dem Dienst, durch Disziplinarverfügung der zuständigen Behörde ausgesprochen. Das bis dato übliche, langwierige verwaltungsgerichtliche Disziplinarklageverfahren entfällt.
Chan-jo Jun: „Bis gestern war es noch wesentlich leichter, sich darauf zu berufen, dass nur Teile der Partei verfassungsfeindlich sind und dass ein verfassungsmäßiger Teil existiert und für die Gesamtpartei prägend ist. Mitglieder und Anhänger sollten sich von den Anwälten ihres Vertrauens verbindlich beraten lassen.“ News4teachers / mit Material der dpa
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert (Auszug):