BERLIN. Lehrerinnen und Lehrer tragen Verantwortung für die Demokratiebildung – doch was, wenn Kolleg*innen selbst verfassungsfeindlichen Organisationen angehören? Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat, fordert der Deutsche Lehrerverband darauf eine Antwort von den Ländern. Aus Sicht von Verbandspräsident Düll ist die Sachlage klar: eine rechtsextremistische AfD-Mitgliedschaft lasse sich nicht mit dem Lehrer-Dasein vereinbaren.
„Es versteht sich von selbst, dass nach der Einordnung der AfD als gesichert rechtsextremistische Partei nicht zur Tagesordnung übergegangen werden kann“, sagt Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL). „Die Unvereinbarkeit von rechtsextremistischer AfD-Mitgliedschaft und Verfassungstreue liegt auf der Hand: Beamtinnen und Beamte leisten einen Diensteid auf Grundgesetz und gegebenenfalls Landesverfassung, und auch die Angestellten des öffentlichen Dienstes haben eine Dienstpflicht zur Verfassungstreue.“ Er fordert, dass Bund und Länder für den gesamten öffentlichen Dienst prüfen, wie sie damit bei bereits Beschäftigten wie bei Neueinstellungen umgehen – besonders mit Blick auf Lehrkräfte.
Mehr Achtsamkeit bei Neueinstellungen
„Extremistinnen und Extremisten haben im Schuldienst nichts zu suchen“, betont Düll und verweist auf den besonderen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Lehrkräfte. Deshalb sollten die Länder bei Neueinstellungen die „Mitgliedschaft in politisch oder religiös extremistischen verfassungsfeindlichen Organisationen“ abfragen. Wie mit bereits angestellten und verbeamteten Lehrkräften umzugehen sei, die eine AfD-Mitgliedschaft haben, lässt Düll offen. Er geht aber davon aus, dass es sich nur um Einzelfälle handelt. Unabhängig davon betont Düll die hohen Ansprüche, die der Staat laut Bundesbeamtengesetz beziehungsweise Beamtenstatusgesetz an Beamt*innen – auch im Schuldienst stellt: „Bewerberinnen und Bewerber für die Verbeamtung müssen sich ‚durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten‘“.
Demokratische Haltungen und Werte zu fördern, liege damit in der Verantwortung von Schulen. Das schreiben der Deutsche Lehrerverband und seiner Mitgliedsverbände, der Deutsche Philologenverband (DPhV), der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR), der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB) und der Berufsverband für Lehrkräfte und Pädagogen KEG, in ihrem jüngst veröffentlichten Thesenpapier „Die Bedeutung von Demokratie- und Wertebildung in Schulen“. Darin heißt es, dass es angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen wichtiger denn je geworden sei, „sich aktiv gegen Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung zu stellen. Solidarität, respektvolles Miteinander und persönliches Engagement sind Grundpfeiler einer lebendigen Demokratie.“ Schulen wiederum böten in diesem Zusammenhang „den Raum, in dem Kinder und Jugendliche lernen, Verantwortung zu übernehmen, verschiedene Perspektiven zu verstehen und demokratische Prozesse aktiv mitzugestalten“.
Anregungen für die schulische Demokratiebildung
Doch wie lassen sich diese Potenziale nutzen? Der DL und seine Mitgliedsverbände benennen vier Ansatzpunkte, um Demokratie- und Wertebildung in der Schule nachhaltig zu fördern:
1. Auf Ebene des Fachunterrichts sehen die Lehrkräfteverbände vor allem drei Unterrichtsfächer in der Verantwortung: Politik, Geschichte und Sozialkunde. „Die Inhalte und Kenntnisse dieser Fächer bilden die Basis für eine fundierte Auseinandersetzung mit politischen Prozessen und gesellschaftlichen Konflikten.“ Sie mahnen daher vor Stundenkürzungen in diesem Bereich. Diese beeinträchtigten nicht nur die Qualität der Bildung, sondern schwächten auch den demokratischen Diskurs. „Ergänzend dazu sollte für die Kinder und Jugendlichen der Besuch von Religions- oder Ethikunterricht verpflichtend sein, um eine werteorientierte Auseinandersetzung mit verschiedenen Weltanschauungen zu ermöglichen“, so heißt es weiter im Thesenpapier.
2. Flankierend treten die Verbände dafür ein, dass Schulen Demokratiebildung fächerübergreifend umsetzen. „Lehrkräfte aller Fächer sollten die Möglichkeit erhalten, demokratische Werte und Fragen in ihren Unterricht einzubetten.“ Dafür seien entsprechende Angebote in der Lehrkräfteaus- sowie Weiterbildung notwendig. „Außerdem brauchen Lehrkräfte Lernräume, in denen sie ausprobieren und üben können, wie sie auf extremistische Äußerungen im Unterricht reagieren und Diskussionen zu kontroversen Themen sicher moderieren können“, heißt es im Thesenpapier. Darüber hinaus fordern die Verbände von Schulleitungen sowie den Verantwortlichen in Bildungsverwaltung und Politik „uneingeschränkte Rückendeckung“ für Lehrkräfte, die sich gegen Hass, Gewalt und Diskriminierung an ihren Schulen einsetzen.
3. Des Weiteren fordern die Lehrkräfteverbände, dass Schüler*innen demokratische Prozesse in der Schule auch praktisch erleben können, etwa in Schülerparlamenten oder Debattierclubs. Langfristige Kooperationen mit gesellschaftlichen Initiativen gegen Diskriminierung und für Wertevermittlung beschreiben sie zudem als Chance, den Horizont der Jugendlichen zu erweitern und ihr Verantwortungsbewusstsein zu stärken.
4. Für den Deutschen Lehrerverband und seine Mitgliedsverbände steht fest: Demokratiebildung ohne Medienbildung funktioniert nicht. „Schülerinnen und Schüler müssen lernen, Informationen kritisch zu hinterfragen, Quellen zu prüfen und zwischen Fakten und Meinungen zu unterscheiden. Dafür braucht es ausreichend qualifizierte Lehrkräfte im Bereich Informatik sowie eine umfassende Aus- und Weiterbildung aller Lehrkräfte, um Medienbildung als fächerübergreifendes Thema vermitteln zu können.“ Nicht zu vergessen sei in diesem Zusammenhang eine zeitgemäße digitale Ausstattung der Schulen, inklusive Fachkräfte, die die Schulen im Umgang mit digitalen Medien unterstützen.
Forderung nach Unterstützung für die Schulen
Mit ihren Forderungen konzentrieren sich der DL und seine Mitgliedsverbände zwar auf den Schulalltag, doch sie machen im Thesenpapier deutlich, dass die Verantwortung, diese Maßnahmen umzusetzen, nicht allein bei den Schulen und Lehrkräften liegt: „Die Vermittlung demokratischer Werte und die Förderung eines kritischen Bewusstseins sind zentrale Aufgaben der Schulen – heute mehr denn je. […] Damit dies gelingt, brauchen die Schulen bei dieser Aufgabe die Unterstützung der Gesellschaft, die Unterstützung der gesellschaftlichen Akteure und Institutionen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Zu diesem Netzwerk gehören Eltern, Vereine, Ausbildungsbetriebe, gesellschaftliche Institutionen, Kirchen und andere religiösen Gemeinschaften. Nur so kann unsere demokratische Grundordnung auch für kommende Generationen erhalten werden.“ News4teachers
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