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Ärzte-Präsident: Lockerungen liefen überraschend gut – Schulöffnungen ohne 1,50-Meter-Abstandsregel sind jetzt vertretbar

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KIEL. Die Wiedereinführung von Schulunterricht ohne Abstandsregeln in der Corona-Krise – wie von mehreren Bundesländern angekündigt – ist nach Auffassung des Kieler Infektionsmediziners Prof. Helmut Fickenscher gerade vor den Sommerferien ein guter Zeitpunkt. «Die bisher erfolgreiche Eindämmung des Virus macht dies vertretbar und man kann in den wenigen Wochen bis zu den Ferien Erfahrungen sammeln, bei Gefahrensituationen gegensteuern und hat die langen Ferien als zeitlichen Sicherheitspuffer» sagte Fickenscher. Lehrerverbände lehnen so frühe Schulöffnungen ab.

Monatelang galt bundesweit ein Abstandsgebot von 1,50 Meter in Schulen – das bröckelt nun. Foto: Shutterstock

«Das ist besser, als nach den Ferien ohne eine solche Erprobungsphase ins neue Schuljahr ohne Abstandsregeln zu starten und dann möglicherweise in schwierige Situationen zu kommen», erklärte nun Fickenscher. Außerdem könnten die kleinen Klassengruppen gut voneinander getrennt werden, sagte er. Fickenscher ist Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten und Direktor des Instituts für Infektionsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.

Schleswig-Holstein hat in dieser Woche in Aussicht gestellt, die Abstandsregelung in Kitas und Grundschulen zu streichen – das ist die Voraussetzung für die Rückkehr in einen Normalbetrieb.Vom 8. Juni an sollen im Land alle Grundschüler wieder in ihren Klassen ohne Abstandsregeln unterrichtet werden. Noch vor den dort am 29. Juni beginnenden Sommerferien sollen zudem alle Schüler aller Schularten zumindest tageweise zusammen kommen.

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Auch in NRW entbrennt eine Debatte um die Abstandsregel

Auch in anderen Bundesländern fällt die Abstandsregel: Ab Mitte Juni peilt Sachsen-Anhalt für Grundschüler einen Betrieb in voller Klassenstärke an. In Baden-Württemberg ist das ab Ende Juni geplant. Thüringen hat ebenfalls einen Normalbetrieb der Schulen in Aussicht gestellt. In Sachsen laufen die Kitas und Grundschulen bereits seit Anfang vergangener Woche bereits wieder im weitgehenden Normalbetrieb.

Auch in  Nordrhein-Westfalen ist offenbar eine Diskussion um eine frühzeitige Rückkehr zum Normalbetrieb in den Schulen – und damit eine Streichung der Abstandsregel darin – entbrannt. Wie die „Rheinische Post“ berichtet, hat Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in Gesprächen mit Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden eine entsprechende Öffnung für den 8. Juni vorgeschlagen. Insbesondere die Lehrerverbände hätten das einhellig abgelehnt. Lehrerverbände protestieren bundesweit gegen diesen Schwenk in der Corona-Politik, der (wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, in dieser Woche noch klarstellte – News4teachers berichtete) ohne sichere wissenschaftliche Grundlage vollzogen wird.

“Wir sehen die Gesundheit der Lehrer gefährdet”

„Wir halten diese Maßnahmen für verfrüht und sehen dadurch die Gesundheit des pädagogischen Personals und der Lehrkräfte gefährdet“, erklärt beispielsweise die schleswig-holsteinische GEW-Vorsitzende Astrid Henke. „An allen Arbeitsplätzen und in der Öffentlichkeit sollen Menschen weiterhin Abstand halten, 25 Kinder mit Lehrerin oder Lehrer in zumeist schlecht belüfteten Grundschulklassen aber nicht. Diese Logik erschließt sich uns und unseren besorgten Kolleginnen und Kollegen in keiner Weise.“ (Hier geht es zu einem offenen Brief der GEW an Schleswig-Holsteins Mnisterpräsident Daniel Günther.)

Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Frage, welche Rolle Kinder bei der Verbreitung des Virus spielen (über den Stand der Forschung hat News4teachers mehrfach groß berichtet – aktuell hier). Zu Beginn der sich rasch ausbreitenden Pandemie sei es richtig gewesen, «so vorsichtig wie möglich zu sein», sagte nun Prof. Fickenscher. Mit den niedrigen Zahlen an Neuinfektionen habe sich die Situation geändert. Es gehe jetzt um die Abwägung der Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen und Risiken. «Wir haben in den vergangenen Wochen eine ganze Menge an Lockerungen erlebt und sind damit bisher überraschend gut gefahren.»

Ohne Schutz würde Epidemie wieder aufflammen

Zugleich warnte Fickenscher vor der Illusion, das Virus werde im Sommer verschwinden. Das Grassieren der Corona-Pandemie beispielsweise in Brasilien zeige, dass hohe Temperaturen und Sonnenlicht das Virus nicht verschwinden lassen. Richtig sei allerdings, dass das Virus bei Bestrahlung mit UV-Licht inaktiv werde, also nicht mehr ansteckend sei. «Aber es gibt viel Schatten und geschlossene Räume. Aus meiner Sicht ist nicht zu erwarten, dass wir im Sommer – wie bei der saisonalen Influenza – eine Viruspause bekommen», sagte der Wissenschaftler und fügte hinzu: «Würden wir die Corona-Maßnahmen komplett aufheben, hätten wir wieder ein Aufflammen der Epidemie wie vor einigen Monaten.» News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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