BERLIN. Unions-Politiker haben als Schutzmaßnahme gegen Corona-Infektionen in der kalten Jahreszeit eine Verlängerung der Winterferien vorgeschlagen. «Wir sollten darüber nachdenken, die Winterferien um zwei bis drei Wochen zu verlängern und im Sommer entsprechend zu kürzen», sagte der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß der «Bild». Ziel müsse sein, bestmöglich durch die Pandemie zu kommen. Mal eben ausgedacht hat sich Ploß das nicht: Der Vorschlag stammt ursprünglich von der Gesellschaft für Virologie, der auch der Charité-Wissenschaftler Prof. Christian Drosten angehört.
Ploß‘ Fraktionskollege Stephan Pilsinger (CSU) regte sogar bis zu vier Wochen längere Weihnachtsferien mit entsprechender Kürzung der Oster- und Sommerferien an. «Das Wohl der Schüler und Lehrer muss im Vordergrund stehen», begründete er seinen Vorschlag.
Hintergrund: Lehrervertreter und der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonnne (SPD) hatten in den vergangenen Tagen Schüler und Lehrer aufgefordert, sich in den nächsten Monaten für den Unterricht warm anzuziehen. Um Ansteckungen mit Corona in der Schule zu vermeiden, solle regelmäßig in relativ kurzen Abständen gelüftet werden – das Bundesumweltamt will in den nächsten Tagen eine Handreichung für Lehrkräfte herausgeben, in der erklärt wird, wie. Die KMK hält offene Fenster in Klassenräumen alle 20 Minuten für drei bis fünf Minuten für notwendig. Weitere Schutzmaßnahmen im Unterricht sind bislang nicht vorgesehen. Die AHA-Regeln gelten im Klassenraum nicht.
Das Infektionsgeschehen in Schulen zieht offenbar an
In einer Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie zum Schulbetrieb vom August, an der auch Drosten mitgearbeitet hat, heißt es: Sollte es gegen Jahresende zu einem kritischen Anstieg der Neuinfektionen kommen, und dabei auch Bildungseinrichtungen eine Rolle spielen, wird eine Ausdehnung der Weihnachtsferien vorgeschlagen, um die Zeiten mit höchster Infektionsaktivität zu verringern (News4teachers berichtete groß über das Papier – hier). „Insbesondere eine Ausdehnung in das neue Jahr erscheint sinnvoll, vor allem auch, weil es über Weihnachten durch feiertagsbedingte Reisetätigkeit und Familienfeiern vermutlich zu einer weiteren Zunahme der Infektionsrisiken kommen kann.“
Die Situation ist offenbar jetzt gegeben: Vor zwei Wochen hatte RKI-Präsident Lothar Wieler bestätigt, dass es mittlerweile Ausbrüche an Schulen gibt (auch darüber berichtete News4teachers ausführlich – hier geht es zu dem Beitrag).
Schüler sind nicht ansteckend? Virologen warnen vor der Vorstellung
Auch Sicht der Virologen ist das kein Wunder: Keine der Empfehlungen, die die Fachleute in ihrer Stellungnahme gegeben haben, wurde bislang von Kultusministern umgesetzt. Die Experten schlagen mehrere Maßnahmen vor, um die Übertragungsrisiken in den Schulen zu minimieren. Dazu gehört beispielsweise, die Klassengrößen abhängig von der Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren. Zudem sollten aus virologischer Sicht feste Kleingruppen definiert werden mit möglichst geringer Durchmischung der Gruppen im Schulalltag. Die Wissenschaftler sprechen sich außerdem für das «konsequente Tragen von Alltagsmasken in allen Schuljahrgängen auch während des Unterrichts» aus.
Die monatelang von verantwortlichen Bildungspolitikern vertretene Auffassung, dass Kinder praktisch nicht ansteckend seien – und deshalb Schulen ohne Corona-Schutz im Unterricht wie Abstand geöffnet werden könnten, weisen die Forscher ausdrücklich zurück: «Wir warnen vor der Vorstellung, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie und in der Übertragung spielen».
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien hat sich am späten Vormittag bereits gegen eine Verlängerung der Winterferien als Schutzmaßnahme gegen das Corona-Virus ausgesprochen. «Öffentliche Schulferiendebatten helfen jetzt niemandem und sind überflüssig wie ein Kropf», sagte die CDU-Politikerin. News4teachers / mit Material der dpa
Christian Dürr, Vize-Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, hat den Vorschlag, als Schutzmaßnahme gegen Corona-Infektionen die Winterferien zu verlängern, als Unsinn bezeichnet.
Dürr sagte am Dienstag: «Eine kurzfristige Verlängerung der Winterferien würde die Planung von Millionen Familien kaputtmachen. In diesem Jahr gab es genug Schulausfall. Die Kinder müssen die Inhalte nachholen und das dürfen wir nicht immer weiter nach hinten verschieben.» In Wahrheit wolle die Union nur davon ablenken, dass sie seit einem halben Jahr kein Konzept für die Schulen in der Corona-Krise habe. «Statt solch absurder Ideen sollten CDU und CSU lieber daran arbeiten, die digitale Bildung zu verbessern.»
