STUTTGART. Der Philologenverband Baden-Württemberg sieht nach dem Bund-Länder-Gipfel nun die Kultusminister in der Pflicht, für einen größeren Corona-Schutz an Schulen zu sorgen – und fordert FFP-2-Masken für die Lehrkräfte, kostenlose Testmöglichkeit für Lehrkräfte und Schüler, wenn ein Mitschüler oder Lehrer positiv getestet wurde, mobile Raumluftfilter sowie die sofortige Umsetzung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts – heißt: ein „rollierendes System“ mit halben Klassen einzuführen, zumindest in allen weiterführenden Schulen.
Die aktuellen Bund-Länder-Vereinbarungen machten klar: Ein „Lockdown light“ sei nötig, um den rasanten Anstieg der positiven Covid-Fälle zu stoppen. Der einzige öffentliche Bereich, den Kanzlerin Merkel und die Länder-Ministerpräsidenten komplett von Regelungen ausgespart haben, ist der Bereich der Schulen und Kindergärten, so stellt der Philologenverband Baden-Württemberg in einer Pressemitteilung fest. Hier sollen die Länder selbstständig tätig werden.
Die Entwicklung der positiven Corona-Testergebnisse (auch) in Baden-Württemberg sei erschreckend. Die organisierten Gymnasiallehrer fordern von der Landesregierung, die „glasklaren“ Empfehlungen des RKI sofort umzusetzen. Diese sehen vor:
Bei einer Inzidenz von mehr als 35 Fällen binnen sieben Tagen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer kreisfreien Stadt oder innerhalb eines Landkreises sollen…
- Schulaktivitäten mit potenziell erhöhter Infektionsgefährdung (Chor, Bläserorchester, Kontaktsportarten) weitgehend unterbleiben,
- Maskenpflicht auch im Unterricht der weiterführenden Schulen gelten,
- eine Verkleinerung der Klassen sowie Schulschließungen mit Distanzunterricht zumindest „optional“ geprüft werden.
Bei einer Inzidenz von mehr als 50 Fällen sollen…
- Masken im Unterricht aller Jahrgangsstufen getragen werden,
- die Klassen (durch Teilung oder Wechselunterricht) geteilt werden, so dass Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann,
- Schulschließungen geprüft werden.
Städte und Landkreise in Baden-Württemberg reißen die Grenzwerte gerade reihenweise. In Mannheim beispielsweise stieg der Inzidenzwert aktuell auf über 150, Heilbronn liegt bei 160, Stuttgart bei 120. Die Inzidenz für ganz Baden-Württemberg kratzt bereits an der Marke von 100. Philologen-Landesvorsitzender Ralf Scholl: „Wie lange will die Landesregierung noch abwarten, bis sie die Empfehlungen des RKI an den Schulen umsetzt?“ Der Unterricht läuft weiter in voller Klassenstärke; lediglich eine Maskenpflicht im Unterricht der weiterführenden Schulen wurde erlassen.
Philologen fordert, Empfehlungen des RKI für die Schulen beachten – bei den weiterführenden Schulen
Grund für die verschiedenen Maßnahmen an Grund- und weiterführenden Schulen laut Philologenverband: Während für Unter-Zehnjährige Infektionsrisiko und Infektiosität niedriger zu sein scheinen als bei Erwachsenen, nehme dieses bei Über-Zehnjährige mit wachsendem Alter offenbar zu. Tatsächlich stellt das Robert-Koch-Institut fest: Das Risiko von Corona-Erkrankungen und Übertragungen steige in der Kindheit mit dem Alter und gleiche sich zwischen 13 und 15 Jahren dem von Erwachsenen an. Das RKI erklärt allerdings auch: „Schülerinnen und Schüler sind prinzipiell empfänglich für eine Infektion mit SARS-CoV-2 und können andere infizieren.“ Das gilt ebenfalls für Grundschüler.
Gleichwohl fordert der Philologen-Landesvorsitzende: „Das Land muss sofort für alle weiterführenden Schulen die Einhaltung des Abstandsgebots in den Klassenräumen einführen, spätestens von der 7. Klassenstufe aufwärts. Damit wäre für die 5. und 6. Klassen die für die Eltern so wichtige Betreuung durch die Schulen noch gewährleistet.“
Wie die Erfahrungen aus der Zeit des „rollierenden Systems“ zwischen Pfingst- und Sommerferien gezeigt hätten, sei der Schulbetrieb unter diesen Bedingungen langfristig stabil durchführbar gewesen. Erfahrungen aus Israel zeigen, dass sich weiterführende Schulen ohne Abstandsgebot sehr schnell zu Superspreader-Orten entwickeln könnten. „Das muss bei uns unbedingt vermieden werden!“, meint Scholl. Darüber hinaus fordert er: „Die Lehrkräfte müssen vom Land schnellstmöglich mit FFP-2-Masken ausgestattet werden! Die Lehrer tragen das volle Gesundheitsrisiko eines jeden Erwachsenen und sind an den Gymnasien aufgrund des Fachlehrerprinzips täglich — selbst im rollierenden System — mit jeweils mehr als 50 Schülerinnen und Schülern nacheinander im gleichen Raum.“
“Wer trägt für uns Lehrer und unsere Familien Fürsorge?”
Auch die Jungen Philologen zeigen sich in großer Sorge. „Das Land erwartet von den Arbeitgebern besondere Umsicht mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu haben und Infektionsketten schnell zu finden und einzudämmen, wenn möglich werden alle ins Home-Office geschickt. Aber was ist mit uns Lehrkräften? Wer trägt für uns und unserer Familien Fürsorge?“ fragt Landesvorsitzende Martina Scherer. Der Philologenverband Baden-Württemberg bekenne sich zu dem Ziel, die Schulen und Kindergärten auch in Coronazeiten möglichst weitgehend offen zu halten. Aber: Das sei dauerhaft nur möglich, wenn die Schulen und Kindergärten nicht selbst zu Infektionsherden werden. News4teachers
KMK nimmt Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Schulen zur Kenntnis – beachtet sie aber nicht
